Die Rom-I-VO regelt nicht, welches Recht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auf Fragen anzuwenden ist, die sich im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlich erteilten Vollmachten stellen. Das Vollmachtsstatut bestimmt sich grundsätzlich nach dem Recht des Wirkungsorts.
Greifen anderweitige Anknüpfungspunkte zur Bestimmung des auf die Form einer Vollmacht anwendbaren Rechts nicht ein, fällt § 174 BGB kollisionsrechtlich in den Anwendungsbereich des Vertragsstatuts. [LS der Redaktion]
[Das vorgehende Urteil des Hessischen LAG vom 5.3.2014 – 12 Sa 265/13 – wurde bereits im Band IPRspr. 2014 unter der Nr. 280 abgedruckt.]
Die Parteien streiten noch darüber, ob das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Die Kl. war bei der Rechtsvorgängerin der Bekl. (Schuldnerin), einer Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in den USA, als Rechtsanwältin beschäftigt. Auf Eigenantrag der Schuldnerin führte der United States Bankruptcy Court Southern District of New York ein Restrukturierungsverfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code i.d.F. vom 17.10.2005 (Chapter 11 B.C.) durch. Das Abwicklungskomitee der Schuldnerin hatte Herrn ... zum Chief Restructuring Officer (CRO) eingesetzt und ihn mit der Befugnis zur Vornahme sämtlicher im Zusammenhang mit dem Verfahren nach Chapter 11 B.C. erforderlichen Willenserklärungen ausgestattet. Die Schuldnerin beschloss, u.a. ihren Standort in Frankfurt a.M., für den die Kl. eingestellt war, zu schließen. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Kl. durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten am 20.6.2012. Der Kündigung war eine Originalvollmacht der Schuldnerin, die durch den CRO Herrn ... unterzeichnet war, beigefügt. Auszugsweise lautet diese Vollmacht wie folgt:„D LLP, vertreten durch den CRO Herrn ..., bevollmächtigt hiermit T & Partner ...“ Diese Kündigung war unwirksam, weil die Kl. im Zeitpunkt ihres Zugangs schwanger war. Ihre Schwangerschaft teilte sie den Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin mit. Nachdem die zuständige Behörde die Zustimmung zur Kündigung erteilt hatte, kündigte die Schuldnerin über ihre Prozessbevollmächtigten das Arbeitsverhältnis erneut. In dem Kündigungsschreiben vom 31.7.2012 heißt es u.a.: „Wir hatten Ihnen bereits ausweislich der als Anlage 2 dem Schreiben ... beigefügten Originalvollmacht vom ... nachgewiesen, dass uns die Firma D LLP ... bevollmächtigt hat, das mit Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis durch Kündigung zu beenden.“
Die Kl. wendet sich mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage gegen die Kündigung vom 31.7.2012. Das ArbG hat mit Teilanerkenntnis- und Schlussurteil die Klage abgewiesen. Das LAG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Kl. zurückgewiesen.
[12] I. Die von den Vorinstanzen unterlassene Prüfung, ob die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben ist, hat der Senat von Amts wegen nachzuholen (BAG, 20.9.2012 – 6 AZR 253/11 (IPRspr 2012-63c), Rz. 13, BAGE 143, 129). Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus den autonomen nationalen Regelungen der ZPO über die örtliche Zuständigkeit.
[13] 1. Ist – wie hier – ein deutsches Gericht nach §§ 12 ff. ZPO örtlich zuständig, ist es regelmäßig auch im Verhältnis zu einem ausländischen Gericht zuständig (vgl. BAG, 18.7.2013 – 6 AZR 882/11 (A) (IPRspr 2013-296), Rz. 20; 13.11.2007 – 9 AZR 134/07 (IPRspr 2007-50), Rz. 20, BAGE 125, 24). Das Arbeitsverhältnis unterfiel nach den weder mit der Revision noch mit Gegenrügen angegriffenen Feststellungen des LAG gemäß Art. 8 II Rom-I-VO dem deutschen Arbeitsrecht. Der zeitliche Anwendungsbereich der Rom-I-VO ist gemäß Art. 28 Rom-I-VO eröffnet. Auch sachlich ist sie anwendbar, obwohl außer der Anwendung des deutschen Rechts nur noch die des US-amerikanischen Rechts in Betracht kommt. Die Rom-I-VO ist gemäß Art. 2 als loi uniforme ausgestaltet. Sie kommt darum auch gegenüber Nichtmitgliedstaaten der EU zur Anwendung (MünchKomm-Martiny, 6. Aufl., Rom I-VO Art. 2 Rz. 3) und ist für Fragen des anzuwendenden Statuts immer dann heranzuziehen, wenn ein staatliches Gericht mit Sitz in der EU international zuständig ist (Ostendorf, RIW 2014, 93, 94).
[14] 2. Gegen die Feststellung des LAG, die Kl. habe ihre Tätigkeit ausschließlich in der Niederlassung der Schuldnerin in Frankfurt a.M. verrichtet, sind weder Revisions- noch Gegenrügen erhoben. Das eröffnet den Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 ZPO und damit die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (vgl. BAG, 18.7.2013 aaO Rz. 21).
[15] II. Die Kündigung vom 31.7.2012 ist nicht deshalb unwirksam, weil die Kl. sie nach § 174 Satz 1 BGB berechtigterweise hätte zurückweisen können. Die Schuldnerin hatte die Kl. bereits mit der der Kündigung vom 20.6.2012 beigefügten Originalvollmacht im Sinne von § 174 Satz 2 BGB ausreichend davon in Kenntnis gesetzt, dass ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten sie auch bei der Folgekündigung vom 31.7.2012 vertreten konnten. Das Zurückweisungsrecht war darum ausgeschlossen.
[16] 1. § 174 BGB fand auf die Kündigung vom 31.7.2012 Anwendung. Dies kann der Senat auch ohne dementsprechende Feststellungen des LAG selbst feststellen.
[17] a) Die Rom-I-VO regelt nicht, welches Recht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auf Fragen, die sich im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlich erteilten Vollmachten stellen, anzuwenden ist. Art. 1 II lit. g der Verordnung nimmt die Frage, ob der Vertreter den Vertretenen gegenüber Dritten verpflichten kann, ausdrücklich aus ihrem Geltungsbereich aus. Es kann dahinstehen, ob für die Frage, ob für die Kl. bei Zugang der Kündigung vom 31.7.2012 hinreichende Gewissheit bestand, dass sich die Schuldnerin diese Kündigung zurechnen lassen wollte, das Vollmachts-, das Form- oder das Vertragsstatut maßgeblich ist. In allen drei Fällen führen diese Anknüpfungspunkte zur Anwendbarkeit deutschen Rechts.
[18] b) Das Vollmachtsstatut bestimmt sich grundsätzlich nach dem Recht des Wirkungsorts (BAG, 13.12.2012 – 6 AZR 608/11 (Teilw. parallel IPRspr. 2013 Nr. 291), Rz. 53). Von der in den USA ausgestellten Vollmacht vom 19.6.2012 sollte in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht werden, um das dort bestehende Arbeitsverhältnis zwischen der Kl. und der Schuldnerin zu beenden. Darum galt über das Vollmachtsstatut deutsches Recht für alle Fragen, die die Vollmacht selbst betrafen, insbes. ihr Bestehen und ihren Umfang (BAG, 13.12.2012 aaO Rz. 55). § 174 BGB regelt jedoch keine Fragen der Wirksamkeit oder der Wirkung der Vollmacht, sondern räumt dem Dritten gerade unabhängig vom tatsächlichen Bestehen der Vollmacht ein Zurückweisungsrecht ein, wenn weder eine Vollmachtsurkunde vorgelegt noch der Empfänger über das Bestehen der Vollmacht in Kenntnis gesetzt ist (vgl. BAG, 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, Rz. 20, BAGE 137, 347; Ostendorf aaO). Das spricht dagegen, § 174 BGB dem Vollmachtsstatut zu unterstellen (Ostendorf aaO m.w.N. in N. 21 zu abweichenden Ansichten im Schrifttum).
[19] c) Das Formstatut ergibt sich aus Art. 11 Rom-I-VO. Danach ist ein Vertrag, der zwischen Personen geschlossen wird, die oder deren Vertreter sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in demselben Staat befinden, formgültig, wenn er die Formerfordernisse des auf ihn nach dieser Verordnung anzuwendenden materiellen Rechts oder die Formerfordernisse des Rechts des Staats, in dem er geschlossen wird, erfüllt. Für die Form der Kündigung vom 31.7.2012 gilt deshalb deutsches Recht. Art. 11 Rom-I-VO erfasst neben Schuldverträgen auch die darauf bezogenen einseitigen Rechtsgeschäfte, so dass seine Anwendung auf § 174 BGB grundsätzlich in Betracht kommt. Die bisher entwickelten Definitionen, was unter ‚Form’ im Sinne des Art. 11 Rom-I-VO zu verstehen ist, erfassen jedoch insbes. die Schriftform von Willenserklärungen (MünchKomm-Spellenberg aaO Rom-I-VO Art. 11 Rz. 6, 23 f.), nicht aber die von § 174 BGB geregelte vorgelagerte Frage, ob der Empfänger der Erklärung davon ausgehen kann, dass diese dem vorgeblich Vertretenen auch zurechenbar ist, was gegen die Subsumtion des § 174 BGB unter das Formstatut spricht (Ostendorf aaO 95).
[20] d) Greifen anderweitige Anknüpfungspunkte zur Bestimmung des anwendbaren Rechts nicht ein, fällt § 174 BGB kollisionsrechtlich in den Anwendungsbereich des Vertragsstatuts (Ostendorf aaO). Da deutsches Recht Arbeitsvertragsstatut war, findet über das Vertragsstatut § 174 BGB auch dann Anwendung, wenn weder das Vollmachts- noch das Formstatut einschlägig sind.