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Verfahrensgang

OLG Frankfurt/Main, Beschl. vom 05.08.2015 – 4 UF 168/15, IPRspr 2015-264

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Unterhaltssachen

Leitsatz

Die Anerkennung eines vor dem 1.9.1996 in Österreich zustande gekommenen Titels wegen Ehegattenunterhalts in Deutschland richtet sich nach dem am 6.6.1959 unterzeichneten Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1960 II 1245).

Das maßgebliche innerstaatliche Verfahren regelt das Gesetz zur Ausführung des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 6.6.1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 8.3.1960 (BGBl. I 169 ff.).

Hiernach ist zuständig das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, welches vor Erlass seiner Entscheidung den Schuldner zu hören hat.

Rechtsnormen

AUG § 2; AUG § 40; AUG § 43
AVÜAG D-A § 1; AVÜAG D-A § 2
EUGVVO 44/2001 Art. 57 f.; EUGVVO 44/2001 Art. 66; EUGVVO 44/2001 Art. 69; EUGVVO 44/2001 Art. 70; EUGVVO 44/2001 Art. 76
EuUntVO 4/2009 Art. 23 ff.; EuUntVO 4/2009 Art. 32; EuUntVO 4/2009 Art. 75
FamFG § 117
GVG § 17a; GVG § 23a; GVG § 23b
VollstrVertr D-Österreich Art. 7; VollstrVertr D-Österreich Art. 11
ZPO §§ 11 f.; ZPO §§ 567 ff.; ZPO § 568; ZPO § 569; ZPO § 571; ZPO § 1063

Sachverhalt

Die Gl. beantragte beim FamG die Vollstreckbarkeitserklärung einer von den Beteiligten beim Bezirksgericht A,/Österreich geschlossenen Vereinbarung insoweit, als sich der Schuldner zu einer monatlichen Unterhaltszahlung an die Gl. verpflichtet hatte. Diese Vereinbarung ist nach dem Attest des Bezirksgerichts vom 19.8.1994 seit 28.7.1994 rechtswirksam und vollstreckbar. Durch private Vereinbarung der Beteiligten ermäßigte sich die Verpflichtung ab August 1996 auf 4 000 ATS mtl. Ohne Anhörung des Schuldners erklärte das FamG mit dem angefochtenen Beschluss die Vereinbarung im Umfang der urspr. Unterhaltsverpflichtung in Anwendung des AUG und der EuUnthVO für in Deutschland vollstreckbar. Hiergegen richtet sich seine Beschwerde, mit der er eine Zurückweisung des Antrags der Gl. erstrebt. Auf Hinweis des Senats hat die Gl. ihren Antrag auf die Vollstreckbarerklärung der Verpflichtung im Umfang von mtl. 4 000 ATS beschränkt; der Schuldner hat sein Rechtsmittel, bezogen auf eine unterhalb von 4 000 ATS mtl. betragende Unterhaltsverpflichtung, zurückgenommen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Nachdem die Beteiligten durch ihre jeweiligen Verfahrenserklärungen vom 3. und 4.8.2015 die Hauptsache der Entscheidung des Senats entzogen haben, war nur noch über die Anpassung der familiengerichtlichen Entscheidung an den damit eingetretenen Verfahrensstand und die Tragung der Kosten zu entscheiden ...

[2]Denn weder die Beteiligten noch das FamG maßen dem Umstand, dass der zu vollstreckende gerichtliche Vergleich aus dem Jahr 1994 stammt, die diesem Umstand gebührende Bedeutung bei:

[3]1. Nach Art. 75 II EuUnthVO (Abs. 1 führt ohnehin nicht zur Anwendbarkeit der Verordnung) findet Kapitel IV Abschnitte 2 und 3 dieser VO für die in litt. a und b genannten Entscheidungen nur dann Anwendung, wenn diese Entscheidungen für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung außerdem in den Anwendungsbereich der EuGVO fallen.

[4]2. Nach Art. 66 I EuGVO findet dieselbe nur für solche Klagen/Urkunden Anwendung, die nach ihrem Inkrafttreten (1.3.2002, Art. 76 I EuGVO) erhoben bzw. aufgenommen worden sind, was vorliegend nicht einschlägig ist.

[5]3. Nach Art. 66 II EuGVO werden nach Inkrafttreten dieser Verordnung erlassene Entscheidungen bzw. nach den Art. 57, 58 EuGVO gleichgestellte gerichtliche Vergleiche nur dann zur Vollstreckung nach dieser Verordnung zugelassen, a) wenn die Klage im Ursprungsmitgliedsland erhoben wurde, nachdem dort (vorliegend Österreich) und im Vollstreckungsmitgliedstaat (vorliegend Deutschland) entweder das EuGVÜ oder aber das LugÜ in Kraft getreten waren (vorliegend ist Österreich dem EuGVÜ aber erst durch das 4. Beitrittsübereinkommen vom 29.11.1996 mit Wirkung zum 1.1.1999 beigetreten (Zöller-Geimer, ZPO, 21. Aufl. [1999], Anh I Art. 1 GVÜ Rz. 1), und auch das LugÜ trat im Verhältnis zu Österreich erst am 1.9.1996 in Kraft (Zöller-Geimer aaO Rz. 2); b) unter den in Art. 66 II lit. b EuGVO genannten Voraussetzungen, die aber dahinstehen können, da der hier zu vollstreckende Vergleich nicht nach dem 1.3.2002 zustande kam (vgl. LG Mainz, Beschl. vom 28.9.2004 – 3 O 149/04, juris).

[6]4. Nach Art. 70 II EuGVO bleiben daher für die Vollstreckung die in Art. 69 EuGVO genannten Verträge weiterhin gültig, so dass vorliegend nicht die EuUnthVO i.V.m. der EuGVO, sondern der am 6.6.1959 unterzeichnete Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1960 II 1245; nachfolgend: DÖV) einschlägig ist. Denn das HUntÜbk 2007 ist noch nicht in Kraft, vgl. Nagel-Gottwald, IZPR, 2013, § 15 Rz. 254. Zudem ist Österreich nicht Vertragsstaat des HUÜ, vgl. Staudinger-Kropholler, BGB [2003], Anh II Art. 18 EGBGB Rz. 135. Ferner erfasst das UhAnerkÜbk Haag von 1958 nur Kindesunterhaltsansprüche, vgl. Staudinger-Kropholler aaO Rz. 20, und zudem keine Vergleiche, vgl. Nagel-Gottwald aaO Rz. 276). Zwar sind sowohl Deutschland als auch Österreich Mitglied des UN-Übereinkommens über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20.6.1956 (BGBl. 1959 II 150 ff.), dieses enthält aber keine eigenen Vollstreckungsregelungen; zudem erfolgte vorliegend auch keine Beteiligung der dort genannten Verwaltungsstellen.

[7]5. Die Vollstreckbarkeitserklärung richtet sich dann nach den Art. 11 I, 7 I DÖV, wobei deren Voraussetzungen im Einzelnen infolge der Beendigung der Hauptsache keiner Entscheidung bedürfen.

[8]6. Das Exekutionsbewilligungsverfahren (vgl. Art. 7 I DÖV) richtet sich dabei nach dem Ausführungsgesetz zum Vertrag zwischen der BRD und der Republik Österreich vom 6.6.1959 über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 8.3.1960 (BGBl. I 169 ff.; nachfolgend: AusfG), zuletzt geändert wurde durch Art. 23 des Gesetzes vom 27.27.2001, BGBL. I 2001, 1887; darin ist bestimmt:

[9]a) Nach § 2 IV AusfG unterliegt der Vollstreckbarkeitsbeschluss des Ausgangsgerichts der sofortigen Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO. Das damit anzuwendende Verfahrensrecht hat der Senat in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 15.12.2014 – 4 WF 262/14 und vom 27.3.2015 – 4 UF 362/14 in Anschluss an BGH, FamRZ 2014, 1996 f., auch Fritzsche, NJW 2015, 586ff., neuerlich auch BGH, NJW 2015, 1827 f. (IPRspr 2014-52)). Nach § 568 ZPO ist daher nicht der Senat, sondern der Unterzeichner als Senatseinzelrichter zur Entscheidung berufen.

[10]b) Das Rechtsmittel des Schuldners ist zulässig, obgleich es den Voraussetzungen des § 569 ZPO infolge der am 17.6.2015 beim FamG eingegangenen Beschwerde des Schuldners im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Beschlusses an ihn am 29.5.2015 nicht genügte. Indes greift zu seinen Gunsten der Grundsatz der Meistbegünstigung, da das FamG erkennbar in der verfahrensrechtlich unzutreffenden Entscheidungsform eines Beschlusses nach § 40 AUG i.V.m. Art. 75 II, 23 ff. EuUnthVO entschieden hat, der seinerseits der Beschwerde nach § 43 AUG mit einer Beschwerdefrist von 30 Tagen ab Zustellung, Art. 32 V EuUnthVO, unterliegt. Insoweit genügt die eine Begründung enthaltende Beschwerdeschrift, die seit 29.6.2015 dem Senat vorliegt, neben § 43 AUG auch den formellen Anforderungen der insoweit ergänzend heranzuziehenden §§ 2 AUG, 117 I FamFG (vgl. OLG München, FamRZ 2015, 775 (IPRspr 2014-253)).

[11]c) Unbeachtlich im Beschwerdeverfahren ist, dass entgegen § 1 II AusfG nicht das AG Weilburg an der Lahn, in dessen Bezirk der AGg. als Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, §§ 11, 12 ZPO, sondern das AG Frankfurt/Main entschieden hat, vgl. § 571 II 2 ZPO. Es kann ebenso dahinstehen, ob infolge § 17a VI, V GVG die Zuständigkeit der Familiengerichte und -senate feststeht oder aber infolge der – gegen die §§ 2 I AusfG, 1063 I 2 ZPO verstoßenden – Nichtbeteiligung des AGg. in der ersten Instanz ihm auch noch im Beschwerdeverfahren ein Rügerecht nach § 17a III GVG zuzugestehen ist (vgl. Zöller-Lückemann aaO § 17a GVG Rz. 18), weil unklar erschiene, ob § 1 I AusfG nur auf § 23a Nr. 2 GVG oder aber auch auf § 23b GVG verweist, da der Schuldner diese Rüge im Beschwerdeverfahren jedenfalls nicht erhoben hat. All dieses ergibt die Behandlung des Rechtsmittels als sofortige Beschwerde.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2016, 397

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2015-264

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