Hat das Schiedsgericht über die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in der Sache entschieden, kann die Aufrechnung mit derselben Forderung im Verfahren über die Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen (hier: polnischen) Schiedsspruchs nicht überprüft werden. [LS der Redaktion]
Die Parteien betreiben Import und Export von Obst und Gemüse. Die ASt., eine polnische Sp. z o.o., schloss als Verkäuferin mit der AGg., einer deutschen Handels-GmbH, als Käuferin einen Vertrag über die Lieferung von tiefgekühltem Broccoli, welcher eine Schiedsklausel zugunsten eines polnischen Schiedsgerichts enthielt. Im Wege der Schiedsklage machte die ASt. die Kaufpreiszahlung für die Gemüselieferung geltend. Im Rahmen des Schiedsverfahrens erklärte die AGg. die Aufrechnung mit einer Gegenforderung. Das Schiedsgericht sprach mit Entscheid aus dem Jahr 2008 die Forderung der ASt. zu, da die Gegenforderung unbegründet sei.
Die ASt. hat in Deutschland Antrag auf Vollstreckbarerklärung des polnischen Schiedsspruchs gestellt. Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens rechnete die AGg. erneut mit der Gegenforderung auf.
[1]II. Der Antrag, den Schiedsspruch vom 4.6.2008 für vollstreckbar zu erklären, ist zulässig und begründet.
[2]Das OLG München ist für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung zuständig (§§ 1025 IV, 1061 I, 1062 I Nr. 4, II und V ZPO i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004 (BayGVBl. 471), weil kein deutscher Schiedsort besteht und die AGg. ihren Sitz in Bayern hat.
[3]1. Der Antrag ist formgerecht gestellt und auch im Übrigen zulässig (§§ 1025 IV, 1061 I 1, 1064 I 1, III ZPO). Der Schiedsspruch wurde zwar nur in beglaubigter Abschrift vorgelegt, außerdem die deutsche Übersetzung durch eine in Polen beeidigte Dolmetscherin, die Schiedsvereinbarung nur in Ablichtung. Diese Form genügt, da die Regelungen in Art. II i.V.m. Art. I Abs. 1 litt. a und b UNÜ nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern als Beweisbestimmung zu verstehen sind (BGH, NJW 2000, 3650 (IPRspr. 2000 Nr. 187); WM 2001, 971 (IPRspr. 2001 Nr. 203); Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 33. Aufl., § 1061 Rz. 6). Jedenfalls sind die anerkennungsfreundlicheren Anforderungen des nationalen Rechts (§ 1064 I i.V.m. III ZPO) erfüllt (vgl. Art. VII Abs. 1 UNÜ). Das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl 1964 II 426) enthält hierzu keine Bestimmungen. Im Übrigen sind die Schiedsabrede, die Existenz und Authentizität des Schiedsspruchs sowie dessen tragender Inhalt zwischen den Parteien unstreitig.
[4]2. Die Vollstreckbarerklärung ist auszusprechen, weil Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen (Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UNÜ, § 1061 II ZPO), nicht vorliegen. Über die Aufrechnung hat das Schiedsgericht bereits entschieden. Diese Entscheidung ist wegen des Verbots der sachlichen Nachprüfung (révision au fond) hinzunehmen.
[5]a) Versagungsgründe nach Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UNÜ, namentlich Verstöße gegen den von Amts wegen zu beachtenden inländischen ordre public, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
[6]b) Soweit die AGg. mit einem rückabgetretenen Teilbetrag der von ihr behaupteten, zunächst an die O. abgetretenen Forderung aufrechnet, bringt dies unabhängig von der Frage, welches Recht für die Gegenforderung maßgeblich ist, die schiedsgerichtlich zuerkannte (Haupt-)Forderung nicht zum Erlöschen. Allerdings hat das staatliche Gericht im Vollstreckbarerklärungsverfahren auch über eine Aufrechnung zu entscheiden, wenn gegenüber der der Aufrechnung zugrunde liegenden Forderung nicht zu Recht die Schiedseinrede erhoben wird und wenn das Schiedsgericht die Aufrechnung – zu Recht oder zu Unrecht – nicht berücksichtigt hat (s. BGH, NJW-RR 2011, 213 (IPRspr 2010-300b); Thomas-Putzo-Reichold aaO Rz. 3). Jedoch hat die AGg. bereits im Schiedsverfahren mit derselben Forderung aufgerechnet und das Schiedsgericht darüber in der Sache entschieden, nämlich dergestalt, dass die Voraussetzungen des Anspruchs nicht bewiesen seien und der Vertrag mit der AGg., aus dem der Anspruch hergeleitet wurde, ersetzt ist durch einen Vertrag mit der O. Offen bleiben kann an dieser Stelle, ob die Gegenforderung tatsächlich besteht: Hat sie nicht bestanden, ging auch die Aufrechnung ins Leere. Ebenso gilt dies für die erneut erklärte Aufrechnung. Sollte die Forderung bestanden haben, so hat doch das Schiedsgericht negativ darüber entschieden. Dies kann wegen des Verbots der révision au fond nicht durch das staatliche Gericht überprüft werden (vgl. BGH, SchiedsVZ 2008, 40/42; Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 1060 Rz. 24).
[7]Die zwischenzeitlich erfolgte Rückabtretung kann daran nichts ändern, weil die Forderungsidentität davon unberührt bleibt. Ebenso wenig ist das Urteil des Bezirksgerichts vom 24.4.2008 erheblich. Die AGg. hat nämlich bereits mit Erklärung vom 1.10.2007 aufgerechnet. Dann ist die Forderung – wenn sie bestanden hat und aufrechenbar war – erloschen und konnte auch nicht mehr an die Firma O. abgetreten, damit auch nicht rückabgetreten werden.
[8]Die O. hat nach dem eigenen Vortrag der AGg. in dem Rechtsstreit vor dem staatlichen Gericht ausdrücklich die ihr von der AGg. abgetretene Forderung geltend gemacht, so dass sich ein anderes Ergebnis auch nicht daraus ergibt, dass die O. der AGg. eine eigene Forderung – über die das Schiedsgericht noch nicht entschieden hat und die nicht einer Schiedsabrede unterliegt – abgetreten hätte.
[9]Offen bleiben kann daher, ob die Aufrechnungsvoraussetzungen nach polnischem Recht vorgelegen haben.