Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 1 der VO (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 13.11. 2007 (ABl. Nr. L 324/79; EuZVO) dahingehend auszulegen, dass eine Klage, mit der ein Erwerber von Schuldverschreibungen, die die Beklagte emittierte und die im Wertpapierdepot des Klägers bei der S-Broker AG & Co KG verwahrt wurden, der das von der Beklagten Ende Februar 2012 unterbreitete Umtauschangebot nicht angenommen hatte, Schadensersatz in Höhe der Wertdifferenz im Hinblick auf einen im März 2012 gleichwohl vorgenommenen und ihm wirtschaftlich nachteiligen Umtausch seiner Schuldverschreibungen verlangt, als „Zivil- oder Handelssache“ im Sinne der Verordnung anzusehen ist.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kl. gegen die hellenische Republik Ansprüche wegen Nichterfüllung von Besitz- und Eigentumsansprüchen im Zusammenhang mit der Entnahme griechischer Schuldverschreibungen aus ihrem Wertpapierdepot geltend. Das BfJ hat Zweifel an einer Einordnung der Klage als Zivilsache geäußert und die weitere Vorgehensweise davon abhängig gemacht, dass das Gericht zunächst entscheiden müsse, ob eine Zivilrechtsstreitigkeit vorliege.
[1]Für die Frage, ob die Zustellung nach der EuZVO vorgenommen werden kann, ist maßgebend, ob es sich um eine ‚Zivil- und Handelssache’ im Sinne der Verordnung handelt und nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, die in Art. 1 I 2 der Verordnung ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind.
[2]Ob dies der Fall ist, hängt von der Frage ab, ob im Rahmen der Auslegung der Verordnung die Rechtsnatur der Anspruchsgrundlage für die Qualifikation der Streitigkeit als Zivilrechtstreitigkeit maßgeblich ist oder ob stattdessen auf den Schwerpunkt des Rechtsstreits abzustellen ist. Die Anspruchsgrundlage, auf die sich der Kl. stützt, ist als sachenrechtliche Anspruchsgrundlage zivilrechtlicher Natur. Schwerpunkt des Streits ist indessen, ob die Bekl. berechtigt war, in das Eigentumsrecht des Kl. an den Schuldverschreibungen einzugreifen. Die Kläger gehen in ihrer Klage davon aus, dass ohne ihre Mitwirkung ein Umtausch in andere Wertpapiere nach den Vertragsbedingungen nicht möglich war. Es ist davon auszugehen, dass der beklagte Staat Griechenland sich insoweit auf hoheitliche Maßnahmen berufen wird. Kernfrage des vorliegenden Rechtsstreits wird daher voraussichtlich sein, ob ein solcher Eingriff durch hoheitlichen Akt zulässig und wirksam war oder aber Schadensersatzansprüche der Kläger begründet.
[3]Der EuGH hat die Frage, ob die Auslegung des Begriffs ‚Zivil- oder Handelssache’ im Sinne von Art. 1 EuZVO ausschließlich von der klägerseits herangezogenen Anspruchsgrundlage oder vom Kern des Rechtsstreits abhängt, noch nicht entschieden. Die richtige Auslegung des Art. 1 in diesen Fällen ist nicht offenkundig.
[4]Das Gericht neigt dazu, wegen der ausdrücklich in der Verordnung vorgesehenen Abgrenzung zu ‚verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten sowie der Haftung des Staats für Handlungen ... im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte’ nicht von einer zivilrechtlichen Streitigkeit auszugehen. Es soll der geringeren Sachnähe eines Zivilgerichts in der hier entscheidenden Bewertung der Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns Rechnung getragen werden.