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Verfahrensgang

OLG Naumburg, Beschl. vom 30.08.2013 – 2 Wx 20/12, IPRspr 2013-13

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht
Allgemeine Lehren → Ordre public

Leitsatz

Die Anerkennung des im Heimatland geänderten Familiennamens von ausländischen Staatsangehörigen verstößt bei der Bestimmung des Familiennamens des Kindes, das deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, gegen den deutschen ordre public, soweit es den Namensbestandteil „Baron/Baronin zu Romkerhall“ betrifft.

Rechtsnormen

EGBGB Art. 10
FamFG § 109
GG Art. 6; GG Art. 123
NamÄndG § 3
StAG §§ 3 f.; StAG § 4
WRV Art. 109

Sachverhalt

Das Kind A. wurde im Jahr 2010 im Universitätsklinikum M. geboren. Seine Eltern sind die Beteiligten zu 1) und 2); beide Elternteile besitzen die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit. Die Mutter [Beteiligte zu 1)] führte bei ihrer Geburt den Familiennamen H. Der Vater [Beteiligter zu 2)] ist ebenfalls in B./Aserbaidschan geboren. Seinen eigenen Angaben zufolge wurde er mit dem Familiennamen C.-S. im dortigen Geburtenbuch eingetragen. Spätestens seit dem Jahre 1988 lebt der Beteiligte zu 2) in Deutschland. Im Jahr 2002 schlossen die Beteiligten zu 1) und 2) in der Botschaft der Republik Aserbaidschan in der Bundesrepublik Deutschland die Ehe. Soweit bekannt, behielten die Ehegatten nach der Eheschließung zunächst ihre bisherigen unterschiedlichen Familiennamen bei. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben ihren Familiennamen in „S. Baronin zu Romkerhall“ bzw. in „S. Baron zu Romkerhall“ ändern lassen, was von der Botschaft der Republik Aserbaidschan im Namensänderungsbuch registriert wurde. Die Botschaft stellte daraufhin auch eine neue Heiratsurkunde unter Verwendung der geänderten Familiennamen der Ehegatten aus.

Im Hinblick auf die Beurkundung der Geburt des Kindes A. hat die Standesbeamtin der Stadt M. [Beteiligte zu 3)] dem AG die Frage zur gerichtlichen Klärung vorgelegt, ob die Geburt des Kindes auf der Grundlage der vorgelegten aserbaidschanischen Geburts-, Heirats- und Namensänderungsurkunde der Eltern mit den angegebenen Adelstiteln beurkundet werden kann. Das AG hat durch Beschluss den zuständigen Standesbeamten des Standesamts M. angewiesen, derzeit keine Beurkundung der Geburt der Betroffenen unter der Eintragung „S. Baronin zu Romkerhall, A.“ vorzunehmen. Gegen den Beschluss des AG haben beide Kindeseltern Beschwerde eingelegt. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) als Kindeseltern ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg; die der Standesbeamtin erteilte Anweisung ist lediglich zum Zwecke der Klarstellung neu gefasst worden ...

[2]1. a) Die Namensgebung für das Kind A. richtet sich – auch – nach deutschem Recht. Denn der Name einer Person unterliegt gemäß Art. 10 I EGBGB dem Recht des Staats, dem diese Person angehört. Durch die Geburt in der Bundesrepublik Deutschland hat das Kind A. gemäß § 3 I Nr. 1 i.V.m. § 4 III StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, weil zumindest ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat ...

[3]2. a) Die Eltern des Kindes A. haben bei dessen Geburt den Familiennamen mit ‚S. Baronin zu Romkerhall’ bzw. ‚S. Baron zu Romkerhall’ angegeben. Sie stützen sich dabei auf eine nach ihrer Heirat am 18.10.2002 vorgenommene Namensänderung.

[4]b) Aufgrund der vorgelegten Urkunden der Konsularabteilung der Botschaft der Republik Aserbaidschan vom 12.10.2004 und vom 9.3.2005 ist davon auszugehen, dass die Beteiligte zu 1) ihren Namen am 12.4.2004 in ‚S. Baronin zu Romkerhall’ und der Beteiligte zu 2) seinen Namen am 26.2.2003 in ‚S. Baron zu Romkerhall’ haben ändern lassen.

[5]c) Eine Namensänderung durch die Behörden des Heimatstaats ist grundsätzlich anzuerkennen. Nach Art. 10 I EGBGB unterliegt – wie dargestellt – der Name einer Person dem Recht des Staats, dem die Person angehört. Diese Vorschrift gilt auch für administrative Namensänderungen, wenn es sich also nicht um eine Änderung des Namens als Folge eines familienrechtlichen Tatbestands handelt (so MünchKomm-Birk, Bd. 10, 5. Aufl., Art. 10 EGBGB Rz. 40 u. 45; Palandt-Thorn, BGB, 72. Aufl., Art. 10 EGBGB (IPR) Rz. 8, jeweils m.w.N.). Da die Beteiligten zu 1) und 2) die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit besitzen, ist eine Änderung ihres Familiennamens durch die zuständige Behörde der Republik Aserbaidschan grundsätzlich auch von den Behörden der Bundesrepublik Deutschland zu beachten. Die [Botschaft der Republik Aserbaidschan] in B. hat darüber hinaus in einem Schreiben vom 28.7.2010 auf Anfrage der Landeshauptstadt M. (Standesamt) bestätigt, dass die Konsularabteilung der aserbaidschanischen Botschaft in Deutschland berechtigt ist, sich mit der Änderung von Familiennamen von in Deutschland lebenden aserbaidschanischen Staatsangehörigen zu beschäftigen und entspr. Bescheinigungen auszustellen.

[6]d) Änderungen des Vor- und/oder Familiennamens durch die Behörden des Heimatstaats sind jedoch dann ausnahmsweise nicht anzuerkennen, wenn sie gegen den (deutschen) ordre public verstoßen (MünchKomm-Birk aaO Rz. 45; Soergel-Schurig, BGB, Bd. 10, 12. Aufl., Art. 10 EGBGB Rz. 17). Die Anerkennung ist daher zu versagen, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre (vgl. auch § 109 I Nr. 4 FamFG).

[7]e) Die Anerkennung des geänderten Namens bei der Bestimmung des Familiennamens des Kindes verstößt, soweit es den Namensbestandteil ‚Baronin zu Romkerhall’ bzw. ‚Baron zu Romkerhall’ betrifft, in dem vorgenannten Sinne gegen den deutschen ordre public.

[8]aa) Der Tatbestand der Namensänderung weist einen hinreichenden Inlandsbezug auf. Einerseits haben die Beteiligten zu 1) und 2), was von ihnen in ihrer Stellungnahme vom 22.4.2013 nicht in Abrede gestellt worden ist, die Namensänderung lediglich im Hinblick auf ihr Auftreten in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen. Die Eheleute unterhalten ihren ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik. Der deutsche Adelstitel ‚Baronin’ bzw. ‚Baron’ soll – in deutscher Schreibweise – den Bestandteil eines aserbaidschanischen Namens bilden, obgleich nach den Angaben der [Botschaft der Republik Aserbaidschan] in B. (Schreiben vom 26.4.2006) in Aserbaidschan Adelstitel in der Praxis nicht auftauchen. Bei Romkerhall handelt es sich um ein gemeindefreies Gebiet im Landkreis Goslar in der Bundesrepublik Deutschland. Wie die [Botschaft der Republik Aserbaidschan] in B. (aaO) mitgeteilt hat, gibt es nach übereinstimmender Auskunft aserbaidschanischer Geschichtswissenschaftler keinerlei Erkenntnisse über ein Adelsgeschlecht ‚zu Romkerhall’ in Aserbaidschan. Auf der anderen Seite leitet sich ein Inlandsbezug der Namensänderung aber auch daraus ab, dass die in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Abkömmlinge des Ehepaars – so das Kind A. – durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben (s. unter 1.).

[9]bb) Der geänderte Name unter Verwendung eines (scheinbaren) deutschen Adelstitels widerspricht insofern dem deutschen ordre public, als nach Art. 109 III 2 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919 (RBGl. 1383; nachfolgend: WRV) i.V.m. Art. 123 GG Adelsbezeichnungen nur als Teil des Namens gelten und nicht mehr verliehen werden dürfen. Das bedeutet, dass seit der Ausrufung der Weimarer Republik im November 1918 und der Abdankung des deutschen Kaisers am 18.11.1918 Adelsbezeichnungen lediglich aufgrund eines familienrechtlichen Tatbestands weitergegeben, nicht aber neue Adelstitel geschaffen und Personen mit einem solchen Titel ausgestattet werden dürfen. Das Verbot der Verleihung von Adelsbezeichnungen gilt grundsätzlich auch für die Gewährung eines Adelstitels als Namensbestandteil im Wege der Namensänderung (BVerwG, Urt. vom 11.12.1996 – 6 C 2/96, NJW 1997, 1594 f.; OVG Hamburg, Beschl. vom 11.1.2006 – 3 Bf 369/02, StAZ 2007, 46 ff., jeweils m.w.N.).

[10]cc) Eine Anerkennung des geänderten Namens steht darüber hinaus auch insofern im Widerspruch zu dem deutschen ordre public, als es sich bei dem Titel ‚Baronin zu ‚Romkerhall’ bzw. ‚Baron zu Romkerhall’ – seiner deutschen Entstehungsgeschichte nach – um einen Phantasietitel und möglicherweise sogar um das Ergebnis einer strafbaren Vorgehensweise handelt. Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die Darstellung in dem angefochtenen Beschluss des AG Bezug, deren Richtigkeit von den Beschwf. auch in ihrer Stellungnahme vom 22.4.2013 nicht in Zweifel gezogen worden ist.

[11]dd) Schließlich entstünde, wenn das Kind A. mit dem Familiennamen ‚S. Baronin zu Romkerhall’ in das Geburtenregister eingetragen werden könnte, eine Ungleichbehandlung zwischen den langjährig mit ständigem Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Beteiligten zu 1) und 2) einerseits und in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden deutschen Staatsangehörigen andererseits (ähnlich MünchKomm-Birk aaO Rz. 46). Die Kindeseltern könnten im vorliegenden Fall als (ausschließlich) aserbaidschanische Staatsangehörige ihren Namen nach aserbaidschanischen Namensrecht um einen beliebigen Adelszusatz ergänzen und auf diese Weise ihrem die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Kind einen Adelsnamen verschaffen, den es nach deutschem Recht nicht hätte erhalten können; dabei beruht der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch das Kind gerade auf dem langjährigen Aufenthalt seiner Eltern in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 4 III StAG). Hingegen wäre Kindeseltern mit deutscher Staatsangehörigkeit ein solches Vorgehen durch § 3 NamÄndG i.V.m. Art. 109 III 2 WRV verwehrt, so dass sie ihrem ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Kind unter keinen Umständen einen um einen (neuen) Adelstitel ergänzten Namen weitergeben können.

[12]f) Dem Namensbestandteil ‚Baron zu Romkerhall’ bzw. ‚Baronin zu Romkerhall’ ist jedoch aufgrund des deutschen ordre public nur insoweit die Anerkennung zu versagen, als er Auswirkungen auf die Namensgebung des Kindes A. hat. Die Namensgebung für das Kind muss, da das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, im Einklang mit der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland stehen (vgl. Art. 10 EGBGB). Für den Namen der Kindeseltern sind dagegen die Gesetzesvorschriften der Republik Aserbaidschan und die Entscheidungen der zuständigen aserbaidschanischen Behörden maßgebend, weil es sich bei den Kindeseltern um aserbaidschanische Staatsangehörige handelt und ihre Namensführung keine Anknüpfung an die deutsche Rechtsordnung aufweist. In das Geburtenregister sind die Beteiligten zu 1) und 2) deshalb jeweils mit dem – geänderten – Namen einzutragen, der sich aus den von der Botschaft der Republik Aserbaidschan ausgestellten Urkunden ergibt.

[13]3. Die vorstehende Beurteilung steht im Einklang mit der Verfassung, insbesondere Art. 6 I GG ...

[14]4. Der Umstand, dass die Botschaft der Republik Aserbaidschan eine Geburtsurkunde für das Kind auf den Namen ‚A. S. Baronin zu Romkerhall’ ausgestellt haben soll (eine solche Geburtsurkunde ist tatsächlich bisher nicht vorgelegt worden) und die Botschaft das Kind mit diesem Namen in den Reisepass der Kindesmutter eingetragen hat, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Da das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ist für die Namensgebung und die Eintragung im deutschen Geburtenregister nach Art. 10 I EGBGB – auch – das deutsche Recht maßgebend. Das deutsche Recht umfasst den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden ordre public. Ein Vorrang der aserbaidschanischen Rechtslage ist demgegenüber nicht anzuerkennen, und zwar auch nicht im Hinblick auf die Vorschrift des Art. 10 III Nr. 1 EGBGB, die ihrerseits unter dem Vorbehalt der Wahrung des deutschen ordre public steht.

Fundstellen

nur Leitsatz

FamRZ, 2014, 1036
NJW-Spezial, 2014, 293

LS und Gründe

StAZ, 2014, 338

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2013-13

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