Die Anerkennung eines im Ausland (hier: Demokratische Volksrepublik Algerien) ergangenen Scheidungsurteils im Inland ist zu versagen, wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder so rechtzeitig zugegangen ist, dass er seine Rechte hätte wahrnehmen können [LS der Redaktion]
Die Beteiligten schlossen vor dem Standesamt von B. Y. (Demokratische Republik Algerien) die Ehe. Die AGg. ist alg. Staatsangehörige; sowohl zum Zeitpunkt der Eheschließung wie auch während des Scheidungsverfahrens besaß der ASt. sowohl die dt. als auch die alg. Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2010 reichte der ASt. über einen Bevollmächtigten beim Gerichtshof von T. O., Gericht von Q. (Demokratische Republik Algerien), Scheidungsklage ein. Ein Nachweis über die Mitteilung des Antrags an die AGg. liegt nicht vor; nach den im Scheidungsurteil angeführten Tatsachen ist die AGg. zu Sitzungen nicht erschienen, obwohl sie gemäß dem Gesetz geladen gewesen sei. Die Ehe wurde durch Urteil des angerufenen Gerichtshofs geschieden. Das Scheidungsurteil wurde dem in Algerien lebenden Vater der AGg. durch den Gerichtsvollzieher übergeben. Die AGg. hatte, jedenfalls seit August 2009, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und damit auch während des in Algerien anhängigen Scheidungsverfahrens. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie weder den Vater noch einen Anwalt in Algerien bevollmächtigt und im Scheidungsverfahren keine gerichtlichen Schriftstücke erhalten habe.
Der ASt. hat am 1.7.2011 beim OLG München die Anerkennung der ausländischen Ehescheidung beantragt. Die AGg. hat beantragt, den Antrag auf Anerkennung des Scheidungsurteils zurückzuweisen. Der Präsident des OLG München hat am 10.10.2011 festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung des bezeichneten Urteils nicht vorliegen, soweit es auf Scheidung lautet. Gegen diese Entscheidung wendet sich der ASt.
[1]II. Der Antrag auf Entscheidung durch das OLG München ist statthaft (§ 107 VI 1, VIII FamFG) und auch im Übrigen zulässig. Er ist jedoch ohne Erfolg.
[2]1. Der gemäß § 107 II und III i.V.m. § 5 GZVJu i.d.F. vom 1.10.2009 (BayGVBl. 523) zuständige Präsident des OLG München hat zutreffend festgestellt, dass die Anerkennungsvoraussetzungen nicht vorliegen.
[3]Die Anerkennungshindernisse sind enumerativ in § 109 FamFG aufgeführt.
[4]a) § 109 I Nr. 1 FamFG steht der Anerkennung der Ehescheidung nicht entgegen. Nach dem sog. Spiegelbildprinzip (vgl. MünchKommZPO-Rauscher, 3. Aufl., § 109 FamFG Rz. 11; Keidel-Zimmermann, FamFG, 17. Aufl., § 109 Rz. 27) ist die internationale Zuständigkeit des Erststaats nach den Vorschriften des deutschen IZPR zu bestimmen, für das Scheidungsverfahren also nach Maßgabe von §§ 98, 109 I Nr. 1 FamFG. Danach ergibt sich die internationale Zuständigkeit des algerischen Gerichts bereits daraus, dass mindestens ein Ehegatte, hier die AGg., die algerische Staatsangehörigkeit besitzt und überdies bereits bei der Eheschließung besaß. Darauf, ob das konkret angerufene ausländische Gericht zuständig ist, kommt es nicht an (vgl. Keidel-Zimmermann aaO Rz. 3).
[5]b) Es kann dahinstehen, ob die weiteren in § 109 I Nrn. 3 und 4 FamFG genannten Voraussetzungen für die Anerkennung der Ehescheidung bestehen. Jedenfalls ist die Anerkennung nach § 109 I Nr. 2 FamFG ausgeschlossen. Danach liegt ein Anerkennungshindernis vor, wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass er seine Rechte hätte wahrnehmen können.
[6]Aus dem vorgelegten Urteil des algerischen Gerichts – aber auch aus den übereinstimmenden Angaben der Eheleute – ergibt sich, dass sich die AGg. tatsächlich nicht am Verfahren beteiligt hat. Die AGg. hat sich im Anerkennungsverfahren auch im Sinne von § 109 I Nr. 2 FamFG auf die fehlende Beteiligung berufen und folgerichtig beantragt, dem Scheidungsurteil im Inland die Anerkennung zu versagen.
[7]Zu Recht geht der Präsident des OLG München davon aus, dass die fehlende Einlassung auf das Verfahren in der Demokratischen Volksrepublik Algerien nicht unbeachtlich ist. Es ist im gerichtlichen Verfahren unbestritten, dass eine Mitteilung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, also des Scheidungsantrags, an die AGg. selbst nicht stattgefunden hat. Es liegt auch keine Urkunde vor, aus der sich die Mitteilung des Scheidungsantrags an sie ergeben würde. Das Scheidungsurteil selbst spricht nur davon, dass die AGg. zu den Verhandlungsterminen nach dem Gesetz geladen worden sei. Dass eine Mitteilung des Scheidungsantrags vom 20.12.2010 nach den Gesetzen der Demokratischen Volksrepublik Algerien an die AGg. selbst stattgefunden hätte, ergibt sich hingegen auch aus dem Urteil nicht.
[8]Soweit der ASt. vorbringt, er selbst habe der AGg. von dem Scheidungsantrag erzählt, und zudem geltend macht, in einem Schreiben seiner deutschen Verfahrensbevollmächtigten sei auf das Scheidungsverfahren in Algerien hingewiesen worden, erfüllt dies die Voraussetzungen des § 109 I Nr. 2 FamFG ersichtlich nicht. Eine mündliche Mitteilung von dem Verfahren durch die Klagepartei genügt schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Gleiches gilt auch für das Schriftstück der deutschen Anwälte vom 23.12.2010. Maßgeblich ist nämlich der Zugang des Dokuments, auf das hin das nach dem Recht des Entscheidungsstaats zuständige Gericht tätig wurde (MünchKommZPO-Rauscher aaO Rz. 25). Dem Schriftsatz der deutschen Anwälte hätten aber auch die wesentlichen Informationen gefehlt. Verfahrenseinleitend ist ein Schriftstück nämlich nur dann, wenn die AGg. daraus nicht nur entnehmen kann, dass es um die Scheidung geht, sondern zudem ihr Risiko einschätzen, zweckentsprechend vortragen und sich verteidigen kann (Keidel-Zimmermann aaO Rz. 11; Holzer-Dubiel, FamFG, 2011, § 109 Rz. 12). Aus dem Schreiben der Bevollmächtigten vom 23.12.2010 ergibt sich aber weder der Verfahrensstand noch das angerufene Gericht noch das Aktenzeichen. Die AGg. hatte daher aufgrund dieser Informationen keine effektive Möglichkeit, sich zu verteidigen.
[9]Auf den Vortrag des ASt., die AGg. habe jedenfalls Kenntnis von Scheidungsurteil gehabt und hätte daher Rechtsmittel einlegen können, kommt es nicht an. § 109 I Nr. 2 FamFG steht nämlich einer Anerkennung auch dann entgegen, wenn die Beteiligte später von der Entscheidung Kenntnis erlangt und dagegen noch Rechtsmittel hätte einlegen können (Keidel-Zimmermann aaO Rz. 6).
[10]Auch eine Mitteilung des Scheidungsantrags über einen Bevollmächtigten ist nicht nachgewiesen. Der ASt. behauptet nun, die AGg. habe ‚den Vater selbstverständlich als Vertreter bestellt’, und bezieht sich auf die Annahme der Ehegeschenke am 18.3.2011 sowie auf eine Klagerücknahme vom 17.9.2011, in der ihr Vater für ein am 27.6.2011 eingeleitetes Verfahren als Vertreter bezeichnet worden ist.
[11]Der Vortrag zur Vollmachtserteilung ist im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen, § 65 III FamFG. Dieser – insofern bestrittene – Vortrag bezeiht sich jedoch allein auf einen Zeitraum ab dem 18.3.2011, also nach Erlass des Urteils vom 10.2.2011.