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Verfahrensgang

OLG Düsseldorf, Beschl. vom 27.07.2012 – II-1 UF 82/11, IPRspr 2012-144

Rechtsgebiete

Kindschaftsrecht → Adoption

Leitsatz

Einer ausländischen (hier: türkischen) Adoptionsentscheidung ist wegen Verstoßes gegen den ordre public die Anerkennung zu versagen, wenn dem Ausgangsgericht der Umstand nicht bewusst war, dass der zukünftige Aufenthalt des Anzunehmenden im Ausland liegen soll. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

AdWirkG § 2; AdWirkG § 5
EGBGB Art. 21
FamFG § 7; FamFG §§ 58 ff.; FamFG §§ 108 f.; FamFG § 109
HAdoptÜ Art. 4 f.; HAdoptÜ Art. 14 ff.; HAdoptÜ Art. 23

Sachverhalt

Die antragstellenden Eheleute begehren die Anerkennung eines Adoptionsurteils des Amtsgerichts in .../Türkei. Das AG hat den Antrag mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die ASt. mit ihrer Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die gemäß §§ 5 IV 2, III 1 AdWirkG, 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der ASt. hat in der Sache keinen Erfolg.

[2]1. ... b) Nicht zu beanstanden ist, dass das AG für das betroffene Kind keinen Ergänzungspfleger bestellt hat. Denn das Kind, dessen Rechte durch das Anerkennungsverfahren unmittelbar betroffen werden und das mithin nach § 7 II Nr. 1 FamFG sog. Muss-Beteiligter ist, wird durch die ASt. gesetzlich vertreten. Die Vertretung des Kindes, die sich gemäß Art. 21 EGBGB nach türkischem Recht richtet, ist nach der Entscheidung des türk. Amtsgerichts vom 2.12.2009 gegeben, ohne dass es darauf ankommt, ob die Adoptionswirkung dieser Entscheidung auch außerhalb der Türkei anzuerkennen ist.

[3]2. Zu Recht hat das AG dem Antrag auf Anerkennung der Adoptionsentscheidung nach § 2 I AdWirkG nicht entsprochen, da Anerkennungshindernisse entgegenstehen.

[4]a) Zunächst sind, wie das AG zutreffend ausgeführt hat, die Anerkennungsvoraussetzungen des AdoptÜ nicht erfüllt, weil es an der nach Art. 23 I AdoptÜ erforderlichen Bescheinigung der zuständigen türk. Behörde fehlt, dass die Adoption gemäß den Bestimmungen des Übereinkommens zustande gekommen ist.

[5]Ob dies schon für sich genommen eine Anerkennung der türk. Entscheidung ausschließt oder ob bei einem Verstoß gegen das Übereinkommen nach dem Günstigkeitsprinzip die Anerkennungsregeln der §§ 108 f. FamFG Anwendung finden, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung, da auch bei der letzteren Alternative eine Anerkennung wegen Vorliegens eines Anerkennungshindernisses ausscheidet.

[6]b) Denn nach § 109 I Nr. 4 FamFG ist eine Anerkennung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public) offensichtlich unvereinbar ist.

[7]Zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts zählt im Fall der Minderjährigenadoption die Ausrichtung der Entscheidung am Kindeswohl. Die Kindeswohlprüfung muss die Fragen nach einem Adoptionsbedürfnis, nach der Elterneignung der Annehmenden und nach dem Bestehen oder dem erwarteten Entstehen einer Eltern-Kind-Beziehung umfassen (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, 1522 ff. (IPRspr 2011-118b); OLG Celle, Beschl. vom 12.10.2011 – 17 UF 98/11 (IPRspr 2011-128b), zit. n. juris). Wenn – wie hier – der künftige Aufenthalt des Kindes im Ausland liegen soll, setzt eine hinreichende Prüfung außerdem voraus, dass dem Adoptionsgericht dieser Umstand bewusst ist, damit es unter Berücksichtigung dessen das Adoptionsbedürfnis und die Elterneignung sachgerecht prüfen kann (OLG Celle aaO m.w.N.).

[8]Diesen Anforderungen genügt das Urteil des türk. Amtsgerichts vom 2.12.2009 nicht. Denn aus den Gründen der Entscheidung des Gerichts ergibt sich nicht, dass ihm die Absicht der ASt., mit dem Kind künftig in Deutschland zu leben, bekannt war und eine diesbezügliche Kindeswohlprüfung erfolgt ist. Die ASt. tragen auch nicht vor, dass der Auslandsbezug im Adoptionsverfahren vor dem türk. Amtsgericht schriftsätzlich erwähnt, im Termin erörtert oder auf andere Weise aktenkundig gemacht worden wäre. Obwohl vom BfJ konkret hierzu befragt, haben sie nur ausweichend erklärt, dass es nach türkischem Recht keine Rolle spiele, ob der Antragsteller in Deutschland lebe oder nicht (Schriftsatz vom 1.5.2010), und dass dem türk. Gericht ‚offenbar bekannt’ gewesen sei, dass ‚das Kind in Deutschland leben sollte’ (Schriftsatz vom 16.8.2010). Auch sonst findet sich in der Adoptionsentscheidung kein Hinweis darauf, dass die ASt. in Deutschland leben wollten und dort der Lebensmittelpunkt des Kindes sein sollte. Die Wohnanschrift der ASt. geht aus dem Rubrum der Entscheidung nicht hervor. Aus dem bei den Akten befindlichen türk. Personenstandsregisterauszug ergibt sich, dass die ASt. dort wenige Wochen vor dem Adoptionsurteil, nämlich am 20.10.2009, einen Wohnsitz begründet hatten. Somit muss für das vorliegende Verfahren davon ausgegangen werden, dass das Adoptionsgericht den Auslandsbezug nicht in seine Kindeswohlprüfung einbezogen hat (vgl. hierzu OLG Celle aaO) und auch keine Veranlassung hatte, unter Einhaltung des nach Art. 4 f., 14 ff. AdoptÜ vorgeschriebenen Verfahrens die Auswirkungen eines Wechsels des Kindes nach Deutschland auf das Kindeswohl zu prüfen. Weiterhin wird nicht auf die Besonderheit einer Verwandtenadoption zu Lebzeiten der leiblichen Eltern eingegangen. Diese bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in das innerfamiliäre Gefüge, da das Verwandtschaftsverhältnis unter Lebenden verändert wird, Onkel oder Tante zu Mutter oder Vater werden und umgekehrt sowie die eigenen Geschwister zu Vettern und Kusinen. Dadurch, dass die leiblichen Eltern auch nach der Adoption ihres Kindes dessen Entwicklung mitverfolgen können, ohne rechtlich irgendwelche Einflussmöglichkeiten zu besitzen, ist die Familiengemeinschaft konfliktgefährdet, (vgl. OLG Karlsruhe, StAZ 2011, 210 ff. (IPRspr 2010-127b)). Dieser Aspekt muss bei der Kindeswohlprüfung zumindest gesehen werden und in die Abwägung mit einfließen.

[9]Wegen der dargestellten Mängel der Kindeswohlprüfung ist der Entscheidung zu Recht die Anerkennung versagt worden. Diese Mängel sind nicht im vorliegenden Verfahren zu beheben. Denn es ist nicht Sinn des Anerkennungsverfahrens, das Adoptionsverfahren zu ersetzen. Könnte die vom türkischen Gericht unzureichend durchgeführte Kindeswohlprüfung im Anerkennungsverfahren nachgeholt werden, würde das Anerkennungsverfahren einer Wiederholungsadoption gleichkommen, die nur in einem gesonderten Verfahren durchgeführt werden kann (OLG Celle aaO, OLG Karlsruhe aaO).

[10]Soweit die ASt. mit der Beschwerdebegründung geltend machen, inzwischen entspräche die Adoption dem Kindeswohl, da das Kind seit seiner Geburt nur sie, die ASt., als Bezugspersonen kenne und Schaden nehmen würde, wenn es seinen Adoptiveltern entrissen und in völlig fremde Familienzusammenhänge verbracht würde, führt dies bereits aus den o.g. Gründen nicht weiter. Darüber hinaus bewirkt die heutige Entscheidung keine Veränderung der Bezugswelt und des Lebensmittelpunkts des Kindes. Denn nach der Beschwerdebegründung lebt das Kind weiterhin mit der ASt. zu 2) in der Türkei.

Fundstellen

nur Leitsatz

FamFR, 2012, 479

LS und Gründe

FamRZ, 2013, 714
StAZ, 2013, 82

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2012-144

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