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Verfahrensgang

OLG Düsseldorf, Beschl. vom 23.12.2011 – II-1 UF 169/10, IPRspr 2011-140

Rechtsgebiete

Kindschaftsrecht → Adoption

Leitsatz

Die Anerkennung einer im Ausland (hier: Ukraine) ausgesprochenen Adoption ist zu versagen, wenn im Rahmen des ausländischen (hier: ukrainischen) Adoptionsverfahrens die leiblichen Eltern nicht angehört wurden.

An einer hinreichenden Kindeswohlprüfung im Rahmen der ausländischen (hier: ukrainischen) Adoptionsentscheidung fehlt es, wenn dem ausländischen Adoptionsgericht nicht bewusst war, dass der künftige Aufenthalt des Kindes im Ausland liegen soll. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

AdWirkG § 2; AdWirkG § 5
EGBGB Art. 21
FamFG § 7; FamFG §§ 58 ff.; FamFG § 109
GG Art. 103

Sachverhalt

Die ASt. begehrt die Anerkennung einer Adoptionsentscheidung des Rayongerichts ... (Ukraine). Das AG hat den Antrag durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die ASt. mit ihrer Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die gemäß §§ 5 IV 2, III 1 AdWirkG, 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der ASt. hat in der Sache keinen Erfolg.

[2]1. Zunächst ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden, dass das AG für die betroffenen Kinder einen Verfahrensbeistand oder Ergänzungspfleger nicht bestellt hat. Die Kinder sind nach § 7 II Nr. 1 FamFG sog. Muss-Beteiligte, da ihre Rechte durch das Anerkennungsverfahren unmittelbar betroffen werden. Dabei werden sie durch die ASt. gesetzlich vertreten. Die Vertretung der Kinder, die sich gemäß Art. 21 EGBGB nach dem Recht der Ukraine richtet, ist nach der Entscheidung des Rayongerichts ... gegeben, ohne dass es darauf ankommt, ob die Adoptionswirkung dieser Entscheidung auch außerhalb der Ukraine anzuerkennen ist Der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedurfte es daher nicht. Da – wie unten näher dargelegt wird – der Anerkennung erhebliche, zur Abweisung des Antrags führende Gründe des ordre public entgegenstehen, sind die Interessen der Kinder entweder durch die Abweisung des Antrags oder die gegenläufigen Interessen der ASt. in einer Weise gewahrt, dass es auch der Bestellung eines Verfahrensbeistands nicht bedarf.

[3]2. Zu Recht hat das AG dem Antrag auf Anerkennung der Adoptionsentscheidung nach § 2 I AdWirkG nicht entsprochen, da Anerkennungshindernisse nach § 109 I Nr. 4 FamFG entgegenstehen.

[4]Danach ist eine Anerkennung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public) offensichtlich unvereinbar ist.

[5]Zu diesen Grundsätzen zählt der durch Art. 103 I GG verfassungsrechtliche geschützte Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs. Danach sind die leiblichen Eltern der Kinder zur Gewährung rechtlichen Gehörs zwingend am Verfahren zu beteiligen. Auch wenn im Ergebnis die Voraussetzungen – nach ukrainischem Recht – für eine Ersetzung der Zustimmung vorliegen mögen, lässt dies nicht den genannten Anspruch der Eltern entfallen. Tatsächlich wurden die Mutter der Kinder und der Vater des ... 2006 geborenen Kindes ... im Rahmen des Adoptionsverfahrens nicht angehört. Ihre Beteiligung in den vorangegangenen Verfahren zum Entzug des Sorgerechts, in denen die Adoption und die damit verbundene Beendigung des verwandtschaftlichen Verhältnisses nicht Gegenstand waren, vermag dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu genügen.

[6]Des Weiteren ergibt sich die Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen des deutschen Rechts, zu denen im Fall der Minderjährigenadoption die Ausrichtung der Entscheidung am Kindeswohl zählt, daraus, dass eine hinreichende Kindeswohlprüfung der Entscheidung nicht vorausgegangen ist. Eine solche Prüfung muss die Fragen nach einem Adoptionsbedürfnis, nach der Elterneignung der Annehmenden und nach dem Bestehen oder dem erwarteten Entstehen einer Eltern-Kind-Beziehung umfassen (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, 1522 ff. (IPRspr 2011-118b); OLG Celle, 17 UF 98/11 (IPRspr 2011-128b) zit. n. juris). Wenn – wie hier – der künftige Aufenthalt des Kindes im Ausland liegen soll, setzt eine hinreichende Prüfung zunächst zwingend voraus, dass dem Adoptionsgericht dieser Umstand bewusst sein muss, damit es unter Berücksichtigung dessen das Adoptionsbedürfnis und die Elterneignung sachgerecht prüfen kann (OLG Celle aaO m.w.N.). Daran fehlt es hier. Zunächst ergibt sich aus den Gründen der Entscheidung des ukrainischen Gerichts nicht, dass ihm die Absicht der ASt., mit den Kindern künftig in Deutschland zu leben, bekannt war. Vielmehr hat die ASt. selbst im Anhörungstermin vor dem AG erklärt, dass vor dem Adoptionsgericht nicht zur Sprache gekommen sei, dass sie in Deutschland lebe und auch die Kinder sie dorthin begleiten sollten. Dies sei allerdings dem dortigen Jugendamt bekannt gewesen. Somit muss davon ausgegangen werden, dass das Adoptionsgericht diesen Umstand nicht in seine Kindeswohlprüfung einbeziehen konnte, keine Veranlassung hatte, weitere Ermittlungen, auch zum Lebensumfeld der ASt. in Deutschland, vorzunehmen und die Auswirkungen eines Wechsels der Kinder nach Deutschland auf das Kindeswohl zu prüfen. Damit genügt die der Entscheidung vorangegangene Kindeswohlprüfung den Mindestanforderungen nicht.

[7]Da der Auslandsbezug der Adoption dem ukrainischen Gericht unbekannt geblieben war, kann die erforderliche Kindeswohlprüfung auch nicht im Anerkennungsverfahren nachgeholt werden (OLG Celle aaO). Andernfalls würde das Anerkennungsverfahren einer Wiederholungsadoption gleichkommen, die nur in einem gesonderten Verfahren durchgeführt werden kann.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2012, 1229

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2011-140

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