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Verfahrensgang

OLG Frankfurt/Main, Urt. vom 24.11.2010 – 4 U 92/10, IPRspr 2010-60

Rechtsgebiete

Handels- und Transportrecht → Wertpapierrecht
Sachenrecht

Leitsatz

Die nach Art. 43 I EGBGB für die Eigentumsübertragung an echten Wertpapieren maßgebliche lex rei sitae bestimmt sich nach dem Recht des Staats, in dem sich das Depot der verwahrten Wertpapiere befindet beziehungsweise in dem die Wertpapiere sammelverwahrt werden.

Sind die sammelverwahrten Wertpapiere in einem Register eingetragen, kommt es nach § 17a DepotG darauf an, welcher Staat die Aufsicht über das Register führt. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

BGB § 518; BGB § 812; BGB § 929; BGB § 931; BGB § 985; BGB § 2301
DepotG § 17a
EGBGB Art. 43
ZGB (Schweiz) Art. 714; ZGB (Schweiz) Art. 924
ZPO § 529

Sachverhalt

Der Kl. ist Nachlasspfleger für den Nachlass der 2008 verstorbenen Erblasserin und verlangt von der Bekl. die Vornahme einer Anweisung an die Schweizer ...-Bank, bestimmte, sich heute in einem Depot der Bekl. befindende Wertpapiere auf das Nachlasstreuhandkonto zu übertragen. Zwischen den Parteien ist in erster Instanz unbestritten geblieben, dass an einem nicht näher bezeichneten Tag im Juli 2008 das Depot der Erblasserin aufgelöst, ein Depot auf den Namen der Bekl. ebenfalls bei der ...-Bank angelegt und die Vermögenswerte aus dem Depot der Erblasserin auf Letzteres übertragen worden sind.

Das LG hat ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil, welches nach Beweisaufnahme über die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin am 23.4.2008 (Beweisbeschluss vom 8.10.2009) ergangen war, nach rechtzeitigem Einspruch des Kl. aufrechterhalten. Hiergegen richtet sich die Berufung des Kl.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die zulässige, insbes. form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Kl. bleibt in der Sache ohne Erfolg.

[2]Das LG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil dem Kl. gegen die Bekl. weder aus § 985 BGB noch aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Übertragung der sich auf deren Depot bei der ...-Bank in [der Schweiz] befindlichen Wertpapiere zusteht, denn die Bekl. hat wirksam Eigentum an den Wertpapieren erlangt. Ein Anspruch auf Herausgabe aus § 985 BGB ist folglich nicht begründet, weil die Wertpapiere nicht in den Nachlass gefallen sind.

[3]Ein Anspruch auf Übereignung auch § 812 I 1 Alt. 1 BGB scheitert am Bestehen eines Rechtsgrunds, denn mit dem Eigentumserwerb ist die den Rechtsgrund für die Übertragung bildende, zunächst formunwirksame Schenkung nach § 518 II BGB geheilt worden.

[4]1. Die Bekl. ist Eigentümerin der ihr zugewendeten Wertpapiere geworden.

[5]a) Allerdings beurteilt sich entgegen der Annahme des LG der Vollzug des Eigentumserwerbs nicht nach deutschem, sondern nach Schweizer Recht. Nach Art. 43 I EGBGB unterliegen Rechte – auch an beweglichen – Sachen dem Recht des Staats, in dem sie sich befinden. Hier ist davon auszugehen, dass sich die im Depot ‚verwahrten’ Wertpapiere entweder im unmittelbaren Besitz der [Schweizer] ...-Bank oder in schweizerischer Sammelverwahrung befinden (vgl. Hellner-Steuer-Schröter-Gößmann, Bankrecht und Bankpraxis, Bd. 4, Depotgeschäft Rz. 8/157 [78. Lfg.] und Wertpapierhandel Rz. 7/151 [74. Lfg.]). Ferner ist nach den Bezeichnungen der Wertpapiere davon auszugehen, dass es sich um echte Wertpapiere handelt, bei denen das Recht aus dem Papier (Forderung) dem Eigentum am Papier folgt. Bei solchen Papieren gilt das Recht des Lageorts nach Art. 43 EGBGB (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 69. Aufl., § 43 EGBGB Rz. 1). Darüber hinaus ergibt sich die Maßgeblichkeit Schweizer Rechts auch aus § 17a DepotG, weil davon auszugehen ist, dass die Papiere, wenn sie sammelverwahrt werden, in einem Schweizer Register verzeichnet sind.

[6]b) Die Übereignung von Wertpapieren richtet sich in der Schweiz, da ein spezielles Depotgesetz nicht besteht, nach allgemeiner Rechtsauffassung nach den Regeln für die Übertragung von Eigentum an beweglichen Sachen (Hellner-Steuer-Schröter-Gößmann aaO Rz. 8/157).

[7]Zur Übertragung von Fahrniseigentum bedarf es neben einem gültigen Grundgeschäft [dazu unter bb)] nach Art. 714 I schweiz. ZGB des Übergangs des Besitzes auf den Erwerber (Rey, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, 1991, Bd. I, Rz. 1688–1790; Wittibschlager, Einführung in das schweizerische Recht, 2000, Rz. 294).

[8]aa) Für den hier einschlägigen Fall, dass sich die Sache im (unmittelbaren) Besitz eines Dritten, nämlich der [Schweizer] ...-Bank bzw. der Schweizer Sammelverwahrstelle, befindet, ermöglicht Art. 924 schweiz. ZGB eine Übertragung des Besitzes ‚ohne Übergabe’ an den Erwerber:

[9]Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter oder der Veräußerer selbst aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt .

[10]Gegenüber dem Dritten ist dieser Besitzübergang erst dann wirksam, wenn ihm der Veräußerer davon Anzeige gemacht hat.

[11]Zur Besitzübertragung bedarf es hier einer Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber, dass das besondere Rechtsverhältnis und damit der Besitz auf den Erwerber übergeht (‚Besitzanweisungsvertrag’, vgl. Rey aaO Rz. 1730). Die Anzeige der Besitzanweisung hat demgegenüber keine konstitutive Bedeutung (Rey aaO). Diese Form der Übereignung hat ihren Anwendungsbereich v.a. für in einem Sammeldepot verwahrte Aktien und andere Wertpapiere, weil sie erfolgen kann, ohne eine körperliche Übergabe vornehmen zu müssen (Rey aaO).

[12]Das LG hat aufgrund der Beweisaufnahme zu Recht angenommen, dass die Erblasserin und die Bekl. sich im April, und zwar am 23.4.2008, sowohl über den Übergang des Eigentums als auch über die Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die [Schweizer] ...-Bank im Sinne des deutschen Rechts nach den §§ 929, 931 BGB geeinigt haben. Die Einigung über den Besitzübergang im Sinne des Art. 924 schweiz. ZGB ist darin enthalten. Die ohnehin nicht konstitutive Anzeige nach Art. 924 II schweiz. ZGB ist nach dem Vortrag des Kl. noch Ende April der ...-Bank in [der Schweiz] zugegangen.

[13]Die Einigung über den Besitzübergang im Bezug auf die Wertpapiere ergibt sich aus dem Geschehen, welches die Zeugen Z1 und Z1a bekundet haben. Das LG hat entgegen der Meinung des Kl. den vorgetragenen Sachverhalt zutreffend erfasst [dazu (1)]. Auch die tatsächlichen Feststellungen zum bestrittenen Geschehen unterliegen – bis auf einen unerheblichen Irrtum hinsichtlich des Datums – keinen Zweifeln im Sinne des § 529 I Nr. 1 ZPO [dazu (2)].

[14](1) Der von der Bekl. vorgetragene Ablauf der Geschehnisse im April 2008 war dahin zu verstehen, dass die Erblasserin bei dem zweiten Treffen am 20.4.2008 nicht nur eine Schenkung des Wertpapierdepots angeboten hat und diese von der Bekl. angenommen worden ist, sondern zugleich auch den (Besitz-)Herausgabeanspruch gegen die [Schweizer] ...-Bank abgetreten hat. In den Äußerungen am 20.4.2008 kommt hinreichend zum Ausdruck, dass der Inhalt des Wertpapierdepots nunmehr der Bekl. zustehen soll. Für dieses Verständnis spricht insbes., dass der Zeuge Z1 sich bereits zuvor im Auftrag der Erblasserin über die Modalitäten der Übertragung bei der ...-Bank in [der Schweiz] erkundigt hatte und diese Kenntnisse bei dem Gespräch bekannt waren.

[15]Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge Z1 erst noch im Auftrag der Erblasserin den Brief an die ...-Bank in [der Schweiz] vom 23.4.2008 entworfen, zur Unterschrift vorgelegt und möglicherweise auch an die [Schweizer] ...-Bank verschickt hat. Denn dies war allein eine Anweisung an die ...-Bank, die für die Regelung des Innenverhältnisses zu ihr nach Art. 924 II schweiz. ZGB erforderlich war. In der Entscheidung BGH, WM 1974, 450, die auch vom LG zitiert wird, hat der Erblasser der zu Beschenkenden einen Brief mit ähnlichem Inhalt an die Bank (‚verwahrte Wertpapiere ... umbuchen’) übergeben, und der BGH hat die Auslegung des Berufungsgerichts gebilligt, dass schon die wortlose Übergabe dieses Briefs als ein Angebot zur Übereignung und Abtretung des Herausgabeanspruchs anzusehen sei. Im vorliegenden Fall aber ist der Brief zwar nicht der zu Beschenkenden (zur Weiterleitung) übergeben worden, dafür hat die Erblasserin aber ausdrücklich erklärt, dass sie ihr das Depot in der Schweiz übertrage. Dies ist erst recht als ein Angebot auch zur Übereignung und Abtretung des Herausgabeanspruchs auszulegen.

[16](2) Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellung der vom Kl. bestrittenen Behauptungen der Bekl. begründen.

[17]Der Kl. meint zu Unrecht, dass sich nach dem Geschehensablauf, wie ihn die Bekl. persönlich bei ihrer Anhörung sowie auch die Zeugen geschildert haben, zwar möglicherweise eine dingliche Einigung, nicht aber eine Abtretung des Herausgabeanspruchs bzgl. der Wertpapiere gegen die [Schweizer] ...-Bank an die Bekl. ergebe, weil die Bekl. bei der Unterzeichnung des Schreibens an die ...-Bank am 23.4.2008 nicht anwesend war und dieses nie gesehen habe. Der Kl. übersieht dabei, dass es bereits zuvor am 20.4.2008 ein (zweites) Gespräch gab, bei dem die Zeugen Z1, die Bekl. und die Erblasserin anwesend waren und bei dem die Erblasserin geäußert hat, dass sie ein Konto in der Schweiz habe und ihr dieses überschreiben wolle. Die Bekl. sei bereits als Berechtigte bzgl. dieses Kontos in der Schweiz angegeben.

[18]Der Zeuge Z1, den das LG als glaubwürdig angesehen hat, hat bestätigt, dass nach seiner Rückkunft aus [der Schweizer] es nochmals zu einem Treffen mit der Erblasserin gekommen sei, bei dem auch die Bekl. und seine Frau [Z1a] anwesend waren. Dabei habe die Erblasserin bestätigt, dass ‚es’ – die Übertragung des Kontos auf die Bekl. – das sei, was sie wolle. Nachdem die Erblasserin dies bestätigt habe, habe der Zeuge das Schreiben vom 23.4.2008 zu Hause aufgesetzt und zur Erblasserin zur Unterschrift gebracht. Die Zeugin Z1a hat sich zusätzlich erinnern können, dass das gemeinsame Gespräch nach der Fahrt nach [der Schweizer] an einem Sonntag stattfand. Dies bestätigt die zeitliche Einordnung, die die Bekl. vorgetragen hat, denn bei dem 20.3.2008 handelte es sich um einen Sonntag.

[19]Der Kl. meint, der von der Bekl. bei ihrer persönlichen Anhörung geschilderte Sachverhalt stehe damit in Widerspruch. Die Bekl. hat hier zwar von einem Treffen um den 20.4.2008 herum berichtet. Bei diesem habe die Erblasserin gesagt, dass sie sie ‚absichern’ wolle, und dass ‚die Z1/Z1a’ gebeten wurden, sich darum zu kümmern und ‚wir würden dann noch einmal gemeinsam darüber sprechen’. Der Kl. übersieht aber, dass die Bekl. dann von einem weiteren Besuch mit den Z1/Z1a bei der Erblasserin berichtet, bei dem die Erblasserin erklärt hat, dass sie der Bekl. das ‚Konto in der Schweiz in ...’ überschreiben wolle. Sie habe sich bedankt, obwohl sie nicht den Betrag und die genauen Umstände gekannt habe. Ihre persönlichen Angaben stimmen darum sowohl mit dem Vortrag ihres Prozessbevollmächtigten als auch denen der Zeugen Z1/Z1a überein.

[20]Das einzige Missverständnis im landgerichtlichen Urteil liegt mithin darin, dass als Tag der Einigung und der Abtretung der 23.4.2008 angenommen und dies bei der Prüfung der Geschäftsfähigkeit als maßgeblicher Termin zugrunde gelegt wird, anstatt auf den 20.4.2008 abzustellen. Dies mindert aber nicht die Richtigkeit der Feststellung als solcher, weil es auf den Termin materiellrechtlich nicht ankommt und die Erwägungen zur nicht feststellbaren Geschäftsunfähigkeit auch für diesen Tag tragen.

[21]bb) Nach den Feststellungen des LG ist auch ein im Sinne des Schweizer Rechts ‚objektiv gültiges Grundgeschäft’ gegeben. Dieses liegt in der von der Erblasserin gegenüber der Bekl. angebotenen und von dieser auch angenommenen Schenkung. Dem steht nicht entgegen, dass die Schenkung nach deutschem Recht bis zu einem Vollzug schwebend unwirksam war. Denn das Schweizer Recht trennt nicht zwischen schuldrechtlicher Übereignungsverpflichtung und dinglicher Einigung (Abstraktions- oder Trennungsprinzip), sondern folgt dem Kausalitätsprinzip (Rey aaO Rz. 1705 ff.). Im Rahmen der Frage der Heilung nach § 518 II BGB des maßgeblichen deutschen Schuldrechts ist es für den sachenrechtlichen Vollzug nach Schweizer Recht deshalb ausreichend, dass mit der Schenkung eine ‚Willenseinigung über den Übergang des Eigentums’ (Rey aaO Rz. 1707) verbunden war. Andernfalls nämlich wäre bei einer Schenkung von Gegenständen, die sich in einem Land befinden, dessen Rechtsordnung dem Kausalitätsprinzip folgt, eine Heilung der Formunwirksamkeit nach § 518 II BGB niemals möglich. Für eine Heilung genügt es darum, wenn die weiteren Voraussetzungen für das Bewirken der Leistung nach der ausländischen Rechtsordnung gegeben sind.

[22]2. Da die Bekl. mithin durch bloße ‚Besitzanweisung’ im Ende April 2008 (Zugang der Anzeige bei der [Schweizer] ...-Bank) Eigentümerin der im Depot der Erblasserin verwahrten Wertpapiere geworden ist, ist die mit der Zuwendung verbundene formunwirksame Schenkung nach § 518 II BGB ‚bewirkt’ und damit geheilt worden. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die ...-Bank in [der Schweiz] mit der Übertragung der Wertpapiere auf ein Depot der Bekl. im Juli 2008 sofort eine Kontosperre über jenes Konto verhängt hat oder nicht. Denn ein Bewirken der versprochenen Leistung wäre auch nach der vom Kl. und von einem Teil der in der Lit. vertretenen Auffassung, wonach nicht allein die Leistungshandlung seitens des Schenkers ausgeführt, sondern auch der Leistungserfolg eingetreten sein muss (MünchKomm-Koch, 5. Aufl., § 518 Rz. 11; Erman-Herrmann, BGB, 12. Aufl., § 518 Rz. 5. Anders BGH, WM 1960, 1032, 1034; WM 1970, 941; NJW-RR 1989, 1282), gegeben. Aus demselben Grund wäre auch ein etwaiger Formmangel wegen einer Schenkung von Todes wegen nach § 2301 II BGB geheilt worden.

[23]Denn für eine Heilung nach dieser Bestimmung genügt es, wenn der Erblasser zu Lebzeiten alles getan hat, was von seiner Seite zur Vermögensverschiebung erforderlich ist (etwa Palandt-Edenhofer aaO § 2301 Rz. 10).

[24]Dies war hier jedenfalls mit der Unterzeichnung der Anweisung vom 23.4.2008 der Fall.

Fundstellen

LS und Gründe

ZEV, 2011, 478

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2010-60

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