Auf einen Vertrag mit Verbindung zu einem ausländischen Staat, durch den eine Vertragspartei der Schuld eines Dritten gegenüber der anderen Vertragspartei beitritt, ist gemäß Art. 28 II EGBGB grundsätzlich das Recht des Niederlassungsorts des Beitretenden anzuwenden. Allein der dem Schuldbeitritt immanente Zusammenhang mit dem Recht der ursprünglichen Schuld hat regelmäßig keine ausreichend starke Indizwirkung, um eine engere Verbindung im Sinne von Art. 28 V EGBGB zu begründen.
[Das Urteil des OLG Hamburg vom 21.12.2007 wurde bereits in IPRspr. 2007 unter der Nr. 159 abgedruckt.]
Die Kl. begehrt von der Bekl. Schadensersatz wegen der Nichterfüllung eines Software-Lizenzvertrags. Die Kl., ein Unternehmen mit Sitz in Hamburg, schloss im Jahr 2001 mit der in Kanada gegründeten und ansässigen K. Inc. einen umfangreichen Software-Lizenzvertrag und einen zugehörigen Wartungsvertrag. Es wurde die Geltung deutschen Rechts vereinbart und Hamburg als Gerichtsstand bestimmt. Durch Vertrag wurde zwischen K. Inc. und deren Eigentümer J. B. sowie der Bekl., einem in Delaware gegründeten und in Kalifornien ansässigen Unternehmen und deren in Kanada gegründeten und ansässigen Tochtergesellschaft F. Canada Corp., die Übernahme von K. Inc. vereinbart. Zwischen den Parteien ist streitig, ob nicht nur die F. Canada Corp., sondern auch die Bekl. mit der Übernahme Pflichten aus dem Vertrag der Kl. mit K. Inc. übernommen hat. Die F. Canada Corp. und die K. Inc. schlossen am 30.8.2001 unter Bezugnahme auf den Vertrag vom 3.8.2001 einen Vertrag über die Übertragung aller vom Hauptvertrag erfassten Gegenstände auf den Käufer, der alle übernommenen Pflichten zu erfüllen übernimmt. Mit Schreiben vom 6.11.2001, welches der Kl. übermittelt wurde, teilte der Geschäftsführer der Bekl., der zugleich Geschäftsführer der F. Canada Corp. war, mit, die Bekl. habe die Vermögenswerte und bestimmte Verbindlichkeiten der K. Inc. übernommen. In der Folgezeit kam es im Rahmen der Durchführung der Software-Verträge zu mehreren persönlichen und schriftlichen Kontakten der Kl. mit Mitarbeitern der Bekl. und deren kanadischer und englischer Tochtergesellschaft. Mit einer Vereinbarung vom 27.2.2002 wurde die Lieferfrist des ursprünglichen Software-Lizenzvertrags verlängert. In dem Schriftstück heißt es in der für die Auftragnehmerin vorgesehenen Unterschriftenzeile „F. Canada Corp.“. Die Leistungen zur Erfüllung der Software-Verträge wurden nur teilweise erbracht. Nachdem die Kl. mehrfach erfolglos Fristen zur Vertragserfüllung gesetzt hatte, verlangte sie mit Schreiben vom 21.1.2003 von der Bekl. Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Diesen macht sie nunmehr mit der Klage geltend.
Das LG hat die Verpflichtung der Bekl. zur Leistung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung dem Grunde nach festgestellt. Die Berufung der Bekl. ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Bekl. ihren Klageabweisungsantrag weiter.
[1]Die Revision der Bekl. führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ...
[2]II. ... Die zwischen der Kl. und K. Inc. getroffene Gerichtsstandsvereinbarung kann die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 23 I EuGVO nur begründen, wenn die Bekl. sich die Gerichtsstandsvereinbarung aufgrund einer wirksamen Schuldübernahme entgegenhalten lassen muss. Das Berufungsgericht bejaht einen Schuldbeitritt. Seine Erwägungen zur privativen Schuldübernahme sind hypothetischer Natur. Denn es hat offengelassen, ob – was nach den getroffenen Feststellungen eher fern liegt – eine solche Schuldübernahme vorliegt.
[3]Die Feststellung, ein Schuldbeitritt sei erfolgt, ist rechtsfehlerhaft getroffen, da das Berufungsgericht insoweit zu Unrecht deutsches materielles Recht anwendet. Die Beurteilung, ob die Bekl. wirksam einer Schuld der F. Canada Corp. beigetreten ist, hat nach dem Recht des Niederlassungsorts der Bekl. zu erfolgen.
[4]1. Für den Schuldbeitritt ist nach dem für die Beurteilung des Falls noch anwendbaren Art. 28 II 2 EGBGB grundsätzlich an den Niederlassungsort des Beitretenden anzuknüpfen, denn dieser erbringt die charakteristische Leistung (MünchKomm-Martiny, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rz. 60; Staudinger-Hausmann, BGB (2002), Art. 33 EGBGB Rz. 96; Erman-Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 33 EGBGB Rz. 13; v. Bar, IPRax 1991, 197, 198; Girsberger, ZVglRWiss 88 (1989), 31, 37; Soergel-v. Hoffmann, BGB, 12. Aufl., Art. 33 Rz. 34; Siedel, Kollisionsrechtliche Anknüpfung vertraglicher und gesetzlicher Schuldübernahme, 1995, 74 ff.; a.A.: Kegel-Schurig, IPR, 9. Aufl., 761). Nach Art. 28 V EGBGB kann eine akzessorische Anknüpfung an das Statut der übernommenen Schuld erfolgen, wenn zu diesem eine engere Verbindung als zum Niederlassungsort des Beitretenden besteht (MünchKomm-Martiny aaO; einschränkend Staudinger-Hausmann aaO; Soergel-v. Hoffmann aaO). Allein der dem Schuldbeitritt immanente Zusammenhang mit dem Recht der ursprünglichen Schuld hat regelmäßig keine ausreichend starke Indizwirkung, um eine engere Verbindung im Sinne von Art. 28 V EGBGB zu begründen. Dies kann für den Schuldbeitritt nicht anders beurteilt werden als für die Bürgschaft und die Garantie, deren Statut regelmäßig an den Niederlassungsort des Bürgen bzw. Garanten angeknüpft wird (BGH, Urt. vom 28.1.1993 – IX ZR 259/91, BGHZ 121, 224, 228 (IPRspr. 1993 Nr. 24); BGH, Urt. vom 13.6.1996 – IX ZR 172/95, NJW 1996, 2569, 2570 (IPRspr. 1996 Nr. 36)) und von denen der Schuldbeitritt häufig abzugrenzen ist. Um zu vermeiden, dass diese Abgrenzung schon auf der kollisionsrechtlichen Ebene bei der Bestimmung des Vertragsstatuts vorgenommen werden muss, sind die einzelnen Sicherungsmittel nach denselben Kriterien anzuknüpfen (v. Bar aaO; Staudinger-Hausmann aaO; Soergel-v. Hoffmann aaO; Girsberger aaO; Siedel aaO 75 f.; MünchKomm-Martiny aaO).
[5]2. Ob im Einzelfall die Gesamtumstände ausnahmsweise eine engere Verbindung zur mitübernommenen Schuld ergeben, unterliegt der Beurteilung des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nachprüfen, ob die von dem Berufungsgericht berücksichtigten Umstände überhaupt einen möglichen Anhaltspunkt dafür geben, zu welchem Recht das konkrete Vertragsverhältnis die engste Beziehung aufweist, und ob das Berufungsgericht alle Umstände berücksichtigt hat, welche in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein können (BGH, Urt. vom 9.3.1977 – IV ZR 112/76, NJW 1977, 1586 (IPRspr. 1977 Nr. 12); Urt. vom 26.7.2004 – VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 206, 210 (IPRspr 2004-27); vgl. auch BGH, Urt. vom 3.7.2008 – I ZR 132/05, NJW-RR 2009, 173, 175). Der hiernach gebotenen Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht stand.
[6]a) Das Berufungsgericht folgert einen engen Zusammenhang zur übernommenen Schuld daraus, dass die Schuldübernahme in die Gesamtübernahme von K. Inc. im Wege des asset deal eingebettet gewesen sei und im Ergebnis zu einem Austausch der Vertragspartnerin der Kl. geführt habe. Durch eine zeitliche Streckung, indem zunächst F. Canada Corp. die K. Inc. übernommen habe und die Bekl. die Verpflichtungen aus den Software-Verträgen erst anschließend übernommen habe oder ihnen beigetreten sei, habe die Bekl. keine andere Rechtsposition als bei sofortiger Übernahme erreichen können und sollen, zumal die Initiative zur Übernahme von K. Inc. von ihr ausgegangen sei.
[7]Dies steht nicht im Einklang mit den sonstigen Feststellungen, die das Berufungsgericht getroffen hat. Dieses sieht einen Schuldbeitritt der Bekl. (erst) in einer vertraglichen Einigung zwischen der Kl. und der Bekl., die sich aus dem Gesamtverhalten im Rahmen der Abwicklung der Software-Verträge ergebe. Es stellt gerade nicht fest, dass der asset deal eine Übernahme von Verpflichtungen gegenüber der Kl. durch die Bekl. vorsah. Sollte die Übernahme aber nur durch F. Canada Corp. erfolgen, stellt sich der aus dem späteren Verhalten gefolgerte Schuldbeitritt der Bekl. nicht als in den asset deal eingebettet dar. Warum die Bekl. unter diesen Umständen so zu stellen sein soll, als hätte sie die Verpflichtungen unmittelbar von K. Inc. (mit-)übernommen, erschließt sich bei diesen Gegebenheiten nicht. Dahinstehen kann deshalb, ob bei einer privativen Schuldübernahme das Recht der übernommenen Schuld maßgeblich wäre, wie das Berufungsgericht wohl annehmen will. Das ist hinsichtlich der Beurteilung der Wirksamkeit der Verpflichtungen des Neuschuldners zweifelhaft (vgl. Soergel-v. Hoffmann aaO Rz. 42; Staudinger-Hausmann aaO Rz. 100; MünchKomm-Martiny aaO Rz. 59; Girsberger aaO).
[8]Auch die Auffassung, die Übernahme habe zu einem Austausch der Vertragspartnerin der Kl. geführt, widerspricht den übrigen Feststellungen, da bei einem Schuldbeitritt der alte Schuldner weiterhin verpflichtet bleibt.
[9]b) Das Berufungsgericht sieht als weiteren auf deutsches Recht hinweisenden Umstand, dass der Schuldbeitritt aus dem Gesamtverhalten der Bekl. bei der Vertragsdurchführung folge, weshalb auch insoweit die deutschem Recht unterliegenden Software-Verträge eine maßgebende Rolle gespielt hätten.
[10]Damit stellt das Berufungsgericht letztlich auf das Statut der übernommenen Schuld ab und misst ihm eine größere Bedeutung bei, als ihm zukommt. Dass bei dem Schuldbeitritt die Verträge, aus denen sich die übernommene Verpflichtung ergibt, eine Rolle spielen, liegt in der Natur der Sache. Ihre Bedeutung für das anwendbare Recht wird nicht gesteigert, wenn der Schuldbeitritt daraus folgt, dass der Beitretende im Rahmen der Vertragserfüllung tätig wird.
[11]c) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung ist damit insgesamt rechtsfehlerhaft und kann der Revisionsentscheidung nicht zugrunde gelegt werden. Der Senat kann, da weitere relevante Feststellungen nicht zu erwarten sind, auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts selbst beurteilen, ob eine engere Verbindung zu einem anderen Staat als dem Niederlassungsort der Bekl. besteht (vgl. BGH, Urt. vom 13.7.1996 aaO 2569). Dies ist nicht der Fall.
[12]Dabei muss der Senat nicht die umstrittene Frage entscheiden, in welchem Rangverhältnis die einzelnen Absätze des Art. 28 EGBGB stehen (vgl. zum Meinungsstand BGH, Urt. vom 26.7.2004 – aaO 209; MünchKomm-Martiny aaO Art. 28 EGBGB Rz. 110). Auch wenn man mit Teilen der Literatur davon ausgeht, dass Art. 28 V EGBGB der Vermutung des Art. 28 II EGBGB nicht als im Rang nachgeordnet anzusehen ist, besteht die engere Verbindung hier zum Recht des Niederlassungsorts der Bekl.
[13]aa) Auf die deutsche Rechtsordnung weist hin, dass persönliche Kontakte zwischen den Parteien vornehmlich in Deutschland stattfanden, nämlich bei Treffen am 18./19.10.2001, am 11.12.2002 und möglicherweise im Januar 2002. Unter anderem auf diese Treffen stützt das Berufungsgericht seine Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses. Zudem sind jedenfalls Teile der übernommenen Leistung, um die die Parteien streiten, am Sitz der Kl., also in Deutschland, zu erbringen, wo das englische Tochterunternehmen der Bekl. auch tatsächlich Leistungshandlungen wie Installation, Training und Wartung vorgenommen hat.
[14]bb) Diese Umstände übertreffen jedoch auch in ihrer Kumulation nicht das Gewicht, das dem Niederlassungsort der Bekl. zukommt.
[15](1) Der Ort der Vertragsverhandlungen und des Vertragsabschlusses hat nur eine schwache Indizwirkung (vgl. BAGE 71, 297, 313 (IPRspr. 1992 Nr. 69b); 63, 17, 28 (IPRspr. 1989 Nr. 72); RGZ 61, 343, 345 f.; Staudinger-Magnus aaO Art. 28 EGBGB Rz. 45; MünchKomm-Martiny aaO Rz. 94). Er hängt häufig nur vom Zufall ab und besagt regelmäßig nichts über die Interessen der Vertragsparteien. Der Umstand, dass die Treffen der Parteien zumeist in Deutschland stattfanden, ist vorwiegend darauf zurückzuführen, dass hier Vertragsleistungen des Software-Lizenzvertrags auszuführen waren, dessen Leistungsverpflichtung die Bekl. nach dem Klagevorbringen übernommen haben soll. Dem Ort der Treffen kommt daher kaum eigenständige Bedeutung zu. Weiter abgeschwächt wird die Indizwirkung dadurch, dass mindestens ein Treffen am 19./20.6.2002 der Kl. mit Mitarbeitern der kanadischen und der englischen Tochter der Bekl. nicht in Deutschland, sondern in Montreal stattfand.
[16](2) Von nur geringer Bedeutung für die Anknüpfung wäre der Erfüllungsort, auch wenn er in Deutschland läge. Zur Erfüllung der angeblich von der Bekl. übernommenen Verpflichtungen aus dem Software-Lizenzvertrag waren neben der in Deutschland vorzunehmenden Installation weitere erhebliche Arbeiten insbes. zur Erstellung des Programms erforderlich, die nicht in Deutschland erfolgten.
[17](3) Den auf Deutschland hinweisenden Indizien steht als Anknüpfungsmerkmal der Niederlassungsort der Bekl. als Erbringer der charakteristischen Leistung gegenüber, dem das Gesetz durch die Vermutung des Art. 28 II EGBGB besonderes Gewicht beimisst. Dieses ist beim Schuldbeitritt als besonders hoch anzusehen, weil der Beitretende vom Vertragsstatut erheblich mehr betroffen ist als der Gläubiger der übernommenen Schuld. Dieser erbringt beim Schuldbeitritt keine Leistung. Er ist nicht besonders schützenswert, weil ihm lediglich ein weiterer Schuldner entsteht und er keine Nachteile aus dem Rechtsgeschäft erfährt. Insbesondere bleiben die Verpflichtungen aus dem Rechtsgeschäft mit dem ursprünglichen Schuldner bestehen.
[18]Nach den Gesamtumständen besteht daher keine engere Beziehung zum deutschen Recht im Sinne von Art. 28 V EGBGB, sodass es bei der Anknüpfung an den Niederlassungsort der Bekl. zu verbleiben hat.
[19]III. Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, das am Niederlassungsort der Bekl. geltende Recht zu ermitteln.
[20]Sollte die neue Verhandlung ergeben, dass sich die deutsche internationale Zuständigkeit nur aus Art. 23 I EuGVO ableiten ließe und das Berufungsgericht erneut zur Annahme eines Schuldbeitritts gelangen, wird es eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 I lit. b, II AEUV zur Klärung der Frage zu erwägen haben, ob demjenigen, der der Schuld eines Dritten beigetreten ist, eine Gerichtsstandsklausel entgegengehalten werden kann, die zwischen dem Gläubiger und dem Altschuldner nach Art. 23 I EuGVO wirksam vereinbart wurde (vgl. OGH, Urt. vom 5.6.2007 – 10 Ob 40/07s, IHR 2008, 40 und Urt. vom 8.9.2005 – 8 Ob 83/05x, IHR 2006, 122; EuGH, Urt. vom 14. Juli 1983 – Rs C-201/83, Slg. 1983, 02503 [Gerling Konzern Speziale]; Urt. vom 19.6.1984 – Rs C-71/83, Slg. 1984, 02417 [Tilly Russ]; Urt. vom 16.3.1999 – C-159/97, Slg. 1999, I-01597 [Transporti Castelletti]; Urt. vom 9.11.2000 – C-387/98, Slg. 2000, I-09337 [Coreck Maritime]).