Hat das Tatsachengericht anderweitig nicht behobene Zweifel an der (entscheidungserheblichen) Echtheit einer ausländischen öffentlichen Urkunde (hier: der mit einem amtlichen Stempel versehenen Fotokopie eines sowjetischen Passantrags – sogenannte Forma Nr. 1), muss sich ihm eine weitere Aufklärung etwa durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes regelmäßig aufdrängen.
Eine Beweisregel, nach welcher eine zuvor eingeholte amtliche Auskunft in ihrem Beweiswert durch die beglaubigte Ablichtung einer ausländischen öffentlichen Urkunde nicht erschüttert werden kann, gibt es nicht.
Die in Kirgisistan geborene und dort seither lebende Kl. stammt nach den von ihr vorgelegten Unterlagen von einem russischen Vater und einer deutschen Mutter ab. In ihrem jetzigen Inlandspass vom 22.2.2001 ist sie mit deutscher Nationalität eingetragen, ebenso in der am 26.3.2001 erstellten Zweitschrift der Geburtsurkunde ihrer im Juli 1996 geborenen Tochter Y. Im Juli 2001 ließ die Kl. beim BVA einen Aufnahmeantrag nach dem BVFG stellen. Anlässlich ihrer Anhörung in B./Kirgisistan erklärte sie ausweislich des insoweit durch ihre Unterschrift bestätigten Protokolls – entgegen den Angaben im Aufnahmeantrag –, mit der Neuausstellung ihres Passes im Jahre 2001 einen Nationalitätswechsel vorgenommen zu haben; in diesem Zusammenhang erwähnte sie auch die Neuausstellung der Geburtsurkunde ihrer im Jahre 1996 geborenen Tochter. Als Ergebnis des damals durchgeführten Sprachtests hielt der Sprachtester fest, dass ein Gespräch im Sinne eines Dialogs in deutscher Sprache nicht zustande gekommen sei. Daraufhin lehnte das BVA durch Bescheid den Antrag der Kl. wegen unzureichender Sprachkenntnisse ab, den dagegen gerichteten Widerspruch mit der zusätzlichen Begründung, dass die Kl. sich ausweislich des im Jahre 2001 vorgenommenen Nationalitätswechsels in ihrem Inlandspass nicht durchgängig zum deutschen Volkstum bekannt habe.
Das VG hat die Klage abgewiesen. Das OVG hat im Berufungsverfahren ausgeführt, dass die Frage der Echtheit eines vorgelegten Schriftstücks, aus dessen Inhalt sich ergibt, dass die Kl. in dem Passantrag von 1990 die russische Nationalität angegeben hat, für den Rechtsstreit erheblich sei, hat aber von der Klärung der Echtheit der Urkunde abgesehen. Hiergegen richtet sich die Verfahrensrüge der Bekl.
[1]Die Beschwerde hat mit der Verfahrensrüge (vgl. § 132 II Nr. 3 VwGO) Erfolg. Deshalb verweist der Senat die Sache gemäß § 133 VI VwGO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurück.
[2]1. Dem angefochtenen Urteil haftet ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 II Nr. 3 VwGO an. Das Berufungsgericht hat gegen seine richterliche Aufklärungspflicht (§ 86 I VwGO) verstoßen. Die Beschwerde rügt insoweit zu Recht, dass das Berufungsgericht es unterlassen hat, von Amts wegen die Echtheit eines von der Bekl. vorgelegten Schriftstücks – nämlich der mit einem amtlichen Stempel versehenen Kopie des Antrags (sog. Forma Nr. 1) der Kl. auf Ausstellung eines Inlandspasses aus dem Jahr 1990 – etwa durch die Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts zu klären.
[3]Das Berufungsgericht hat die Frage der Echtheit des vorgelegten Schriftstücks, aus dessen Inhalt sich ergibt, dass die Kl. in dem Passantrag von 1990 die russische Nationalität angegeben hat, auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu der als entscheidungstragend herangezogenen Vorschrift des § 6 II 1 BVFG als für die Klärung des geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids erheblich angesehen. Dem liegt ersichtlich die zutreffende rechtliche Annahme des Berufungsgerichts zugrunde, dass nur derjenige deutscher Volkszugehöriger im Sinne von § 6 II 1 BVFG sein kann, der sich im Aussiedlungsgebiet von seiner – hier bei der Kl. im Jahr 1990 vorliegenden – Bekenntnisfähigkeit an ausschließlich und durchgängig zum deutschen Volkstum bekennt (vgl. etwa Urteile vom 3.5.2007 – BVerwG 5 C 6.06, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 107 und vom 13.9.2007 – BVerwG 5 C 25.06, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 110 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat deshalb geprüft und Feststellungen dazu getroffen, ob ‚die Kl. nicht nur in ihrem Inlandspass aus dem Jahr 2001, sondern auch in ihren früheren Pässen mit deutscher Nationalität eingetragen gewesen ist’ und ob ‚diese Eintragung nach einer entsprechenden Erklärung zur deutschen Nationalität bei der Beantragung des ersten Inlandspasses erfolgt ist’. Darauf bezog sich auch der Beweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 29.1.2008. Es ist mithin davon ausgegangen, dass sich die Kl. nicht – wie nach § 6 II 1 BVFG erforderlich – ausschließlich und durchweg zum deutschen Volkstum bekannt hätte, wenn sie anlässlich der Beantragung ihres ersten Inlandspasses im Jahre 1990 in der Forma Nr. 1 ihre Nationalität mit russisch angegeben hätte (vgl. Urt. vom 3.5.2007 aaO). Dann hätte sich dem Berufungsgericht aber die Klärung, ob die von der Bekl. vorgelegte Kopie der Forma Nr. 1 aus dem Jahre 1990 echt ist, d.h. die Beglaubigung echt ist und die Kopie eine echte Urkunde abbildet, etwa durch die Einholung einer entsprechenden Auskunft des Auswärtigen Amtes aufdrängen müssen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, warum es von der Klärung der Echtheit des vorgelegten Schriftstücks abgesehen hat, tragen nicht.
[4]1.1 Das gilt zunächst, soweit das Berufungsgericht darauf verweist, das Bundesamt der Bekl. habe ‚keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die die Echtheit der vorgelegten Urkunden belegen könnten’ bzw. es habe nicht vorgetragen und es sei auch nicht ersichtlich, ‚dass diese Urkunden die an eine ausländische Urkunde zu stellenden besonderen Anforderungen eines Urkundenbeweises erfüllen’. Diese Begründung geht – auch vor dem Hintergrund, dass das Berufungsgericht dies in die Prüfung einbettet, ob die inhaltliche Richtigkeit der von ihm im Wege eines förmlichen Beweisverfahrens eingeholten amtlichen Auskunft in Frage gestellt ist – fehl. Damit bürdet das Berufungsgericht – unter Ausklammerung seiner Pflicht zur Amtsaufklärung – der Sache nach der Bekl. die Darlegungs- und Beweisführungslast für den Echtheitsnachweis auf, ohne dass dies im materiellen oder im Verfahrensrecht eine Rechtfertigung findet. Vielmehr hat das Tatsachengericht gemäß §§ 173, 98 VwGO i.V.m. § 438 I ZPO nach den Umständen des Falls selbst zu ermessen, ob eine Urkunde, die als von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslands errichtet sich darstellt, (auch) ohne näheren Nachweis als echt anzusehen ist. Zwar genügt zum Beweis der Echtheit einer solchen Urkunde die Legalisation durch einen Konsul oder Gesandten des Bundes (§ 438 II ZPO) oder, soweit – was hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Bezug auf Kirgisistan nicht der Fall ist – in Staatsverträgen eine Legalisation für entbehrlich erklärt wird, die sog. Apostille (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschl. vom 15.5.2008 – 8 B 17.08, ZOV 2008, 172). Sind – wie das Berufungsgericht hier weiter festgestellt hat – die Anforderungen an solche Beglaubigungs- und Legalisationsformen für ausländische Urkunden (noch) nicht erfüllt, ist damit aber noch nicht von der Unechtheit der Urkunden auszugehen. Vielmehr hat das Gericht dann im Wege freier Beweiswürdigung darüber zu entscheiden, ob die vorgelegte Urkunde echt ist (Beschl. vom 15.5.2008 aaO). Dabei darf es auch berücksichtigen, ob derjenige, von dem die in der Urkunde verkörperte Gedankenerklärung ursprünglich herrühren soll – wie hier der Kl. – deren Echtheit überhaupt in Abrede stellt bzw. (substanziiert) bestreitet, die in der Urkunde verkörperte Gedankenerklärung (hier die Angabe der russischen Nationalität in der Forma Nr. 1 von 1990) abgegeben zu haben. Hat das Gericht – wie hier offenbar das Berufungsgericht – Zweifel an der Echtheit, so muss es sich durch weitere Ermittlungen, wie etwa durch Einschaltung der zuständigen deutschen Auslandsvertretung, die erforderliche Überzeugungsgewissheit in dem einen oder anderen Sinne verschaffen (vgl. BVerwG, Urt. vom 15.7.1986 – 9 C 8.86 (IPRspr. 1986 Nr. 159 (LS)), Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 45). Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, ob ‚die von der Rechtsanwältin aufgrund ihrer Tätigkeit beschafften Urkunden hinsichtlich der Frage ihrer Echtheit denselben Stellenwert besitzen wie eine amtliche Auskunft’, vermischt dies Fragen der inhaltlichen Richtigkeit der Auskunft des Auswärtigen Amts und der ihr zugrunde liegenden Auskünfte der kirgisischen Stellen mit der Frage der Echtheit der Urkunden.
[5]1.2 Die unterlassene Aufklärung wird auch nicht durch die Ausführungen des Berufungsgerichts gerechtfertigt, aus der Ablichtung der Forma Nr. 1 aus dem Jahre 1990 ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die zuvor vom Gericht auf der Grundlage seines Beweisbeschlusses vom 29.1.2008 eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amts ‚unter Verstoß gegen die einschlägigen internationalen konsularischen Regeln und Gepflogenheiten erteilt worden’ bzw. dass diese Auskunft ‚inhaltlich unzutreffend oder unvollständig’ sei. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum abgestuften Beweiswert der eingeholten Beweise bzw. vorgelegten Urkunden unterstreichen, dass – bei unterstellter Echtheit – die von der Bekl. vorgelegten Dokumente geeignet gewesen wären, Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Auswärtigen Amt erteilten Auskunft darzutun. Jedenfalls dann, wenn sich nach weiterer Aufklärung zur Überzeugung des Berufungsgerichts ergeben sollte, dass die von der Bekl. vorgelegten ausländischen Urkunden (insbes. die Forma Nr. 1 aus dem Jahre 1990) echt sind, hat es auf dieser Tatsachengrundlage auch den Beweiswert der von ihm bisher eingeholten amtlichen Auskunft neu zu bewerten. Amtliche Auskünfte sind zulässige und selbständige Beweismittel, die ohne förmliches Beweisverfahren im Wege des Freibeweises verwertet werden können (§§ 99 I 1, 87 I 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 273 II 2 Nr. 2 ZPO) und die das Gericht frei zu würdigen hat (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschl. vom 8.12.1986 – 9 B 144.86, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 48 m.w.N.). Eine Beweisregel, dass eine zuvor eingeholte amtliche Auskunft nicht durch die Vorlage einer (beglaubigten) Ablichtung einer ausländischen öffentlichen Urkunde (hier der genannten Forma von 1990) in ihrem Beweiswert erschüttert werden kann, gibt es nicht. Das gilt erst recht, wenn sich – wie hier – die bisherige amtliche Auskunft nicht (unmittelbar) zum Inhalt der genannten Urkunde verhält. Ausländischen öffentlichen Urkunden kommt im Falle ihrer Echtheit dieselbe Beweiskraft (vgl. §§ 415, 418 ZPO) wie deutschen öffentlichen Urkunden zu (BVerwG, Beschl. vom 15.7.1986 aaO; Urt. vom 20.4.1994 – 11 C 60.92 (IPRspr. 1994 Nr. 153 (LS)), Buchholz 442.16 § 15 StVZO Nr. 4).
[6]2. Da die Beschwerde schon wegen des Verstoßes gegen § 86 I VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache führt, bedarf es keiner Entscheidung über die weiteren von der Bekl. geltend gemachten Revisionszulassungsgründe. Insoweit wird von einer weiteren Begründung abgesehen (§ 133 V 2 Halbs. 2 VwGO).