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Verfahrensgang

OLG Celle, Urt. vom 27.10.2010 – 3 U 84/10, IPRspr 2010-178

Rechtsgebiete

Verfahren → Rechtsstellung von Ausländern vor deutschen Gerichten (bis 2019)

Leitsatz

Der Trustee eines auf den Cayman Islands ansässigen „Living Trusts“ ist vor deutschen Gerichten prozessführungsbefugt. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

EGBGB Art. 7; EGBGB Art. 41
EUGVVO 44/2001 Art. 5
ZPO § 50; ZPO §§ 51 f.; ZPO § 538

Sachverhalt

Die Kl., eine Gesellschaft nach dem Recht der Cayman Islands, nimmt die Bekl. auf Schadensersatz wegen verspäteter Abwicklung zweier Wertpapierhandelsgeschäfte in Anspruch. Die Kl., die ihren Sitz auf den Cayman Islands hat, ist Treuhänderin (Trustee) des S. M. Trust, einem Fonds nach dem Recht der Cayman Islands, dessen Unterfonds der selbst unstreitig nicht partei- und prozessfähige Investmentfonds S. Hedge Fund ist.

Das LG hat die Klage als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass die Kl. für die von ihr gegen die Bekl. erhobenen, vertraglich begründeten Sekundäransprüche prozessführungsbefugt sei. Da die Kl. die Wertpapiergeschäfte mit der Bekl. nicht selbst geschlossen oder den Vertragspartner der Bekl. erkennbar vertreten habe, könne sie Folgeansprüche nur dann vor Gericht geltend machen, wenn sie dazu prozessführungsbefugt sei.

Dagegen wendet sich die Kl. mit der Berufung, mit der sie die Feststellung der Zulässigkeit der Klage und die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LG begehrt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die Berufung der Kl. hat Erfolg. Der Senat hat auf Antrag der Kl. gemäß § 538 II Nr. 3 ZPO das angegriffene Urteil aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen, weil die Klage zulässig und in der Sache noch nicht entscheidungsreif ist.

[2]Zur Zulässigkeit der Klage:

[3]a) An der Rechts- und Parteifähigkeit (vgl. § 50 ZPO) der Kl. als Limited nach dem Recht der Cayman Islands bestehen keine Zweifel. Das LG hat diese auch – ohne dass dieses von der Bekl. angegriffen würde – ohne weiteres bejaht.

[4]b) Die Kl. ist auch prozessfähig. Unter Prozessfähigkeit im Sinne von §§ 51 I, 52 ZPO versteht man die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen. Der prozessuale Begriff der Prozessfähigkeit ist in Beziehung zu dem materiell-rechtlichen Begriff der Geschäftsfähigkeit zu setzen. Art. 7 I 1 EGBGB regelt, dass sich die Geschäftsfähigkeit einer Person nach den Gesetzen des Staats bestimmt, dem sie angehört (Nagel-Gottwald, IZPR, 6. Aufl., § 4 Rz. 32). Die Prozessfähigkeit juristischer Personen richtet sich nach dem Recht des Sitzes der Hauptverwaltung des jeweiligen Gebildes (Nagel-Gottwald aaO Rz. 35). Die nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft bedarf daher im Inland keines besonderen Anerkennungsakts; sie wird nach ihrem ausländischen Recht behandelt und dementsprechend als rechtsfähig anerkannt (Altmeppen-Roth, GmbHG, 6. Aufl., Einl Rz. 68).

[5]c) Die Kl. ist ferner prozessführungsbefugt. Die Prozessführungsbefugnis beinhaltet das Recht, über das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als die richtige Partei im eigenen Namen zu führen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., Vor § 50 Rz. 18). Klagt ein Kläger eine Forderung ein, die nach eigenem Vortrag nicht ihm, sondern einem Dritten zusteht, muss er seine Prozessführungsbefugnis dartun und notfalls beweisen (Zöller-Vollkommer aaO Rz. 19). Ist jemand befugt, ein fremdes Recht in eigenem Namen geltend zu machen, spricht man von Prozessstandschaft.

[6]aa) Parteifähigkeit und Prozessführungsbefugnis decken sich in den meisten Fällen. Wer behauptet, ihm stehe ein Anspruch zu, ist als Kläger und damit als Partei zugleich zur Führung des Prozesses befugt. Die Frage, ob die Kl. vorliegend tatsächlich Inhaberin des behaupteten Anspruchs ist oder wem die verkauften Aktien zustanden, ist demgegenüber eine Frage der Aktivlegitimation und damit des materiellen Rechts. Stünde die eingeklagte Forderung materiell-rechtlich nicht der Kl. sondern einem Dritten zu, müsste die Klage wegen mangelnder Aktivlegitimation der Kl. als unbegründet abgewiesen werden.

[7]Die Prozessführungsbefugnis kann aber auch dem Rechtsträger entzogen und auf dritte Personen übergegangen sein. In diesem Fall ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

[8]Die Kl. hat vorliegend – von Beginn an – behauptet, Inhaberin des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs zu sein. Dem steht nicht entgegen, dass – wie sich aus dem erstinstanzlichen Vortrag und dem dazu zu den Akten gereichten Schriftwechsel ergibt – die Verhandlungen über die Geschäfte und deren Abwicklung zwischen einem Mitarbeiter von S. und der Bekl. erfolgt sind, wenn auch unklar geblieben ist, wer Arbeitgeber des für S. tätigen Wertpapierhändlers W. war und in wessen Namen dieser genau aufgetreten ist. Zwischen den Parteien ist aber unstreitig, dass es sich sowohl bei dem S. M.-Trust als auch bei dessen Unterfonds S. um nicht rechtsfähige Gebilde handelt, die folglich auch nicht im Rechtsverkehr tätig werden konnten. Aus der Funktion des Trustees im Verhältnis zu dem verwalteten Trust bzw. dem hier in Rede stehenden Unterfonds folgt bereits, dass die Prozessführungsbefugnis der Kl. trotz gewisser Widersprüchlichkeit in ihrem Vortrag zu bejahen ist.

[9]bb) Es besteht zwar Einigkeit, dass sich die Prozessführungsbefugnis auch in Fällen mit Auslandsberührung grundsätzlich nach der lex fori, mithin dem deutschen Prozessrecht beurteilt (vgl. BGHZ 118, 312, 315 (IPRspr. 1992 Nr. 218b); OLG Hamburg, NJW-RR 1996, 510, 511 (IPRspr. 1995 Nr. 169); Nagel-Gottwald aaO Rz. 45). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Es ist danach zu unterscheiden, ob die Prozessführungsbefugnis auf materiellem Recht oder auf einer Prozessvorschrift beruht. Soweit die Prozessführungsbefugnis aus materiellem Recht hergeleitet wird, muss ebenfalls nach dem aufgrund des deutschen IPR ermittelten Recht (der lex causae) entschieden werden, ob eine solche Befugnis für die im Prozess auftretende Person vorliegt (Nagel-Gottwald aaO Rz. 47; Geimer, IZPR, 6. Aufl., Rz. 2235). Die lex causae bestimmt, unter welchen Umständen eine Prozessführung durch einen Dritten zulässig ist (Geimer aaO). Die auf einer Prozessvorschrift beruhende Prozessführungsbefugnis wird indes nach der jeweiligen lex fori beurteilt (Nagel-Gottwald aaO Rz. 48).

[10](1) Diese Frage beurteilt sich nach den Strukturen des gesellschaftsrechtlichen Gebildes des Trust, mithin dem materiellen Recht. Daher leitet sich auch die Prozessführungsbefugnis aus dem materiellen Recht ab und ist nach dem Recht des Herkunftsstaats zu beurteilen. Kollisionsnorm ist insoweit die Generalklausel des Art. 41 I EGBGB.

[11]Die Bekl. hat zwar die Rechtsverhältnisse zwischen der Kl., S. M.-Trust und S. mit Nichtwissen bestritten. Dass die Kl. Treuhänderin (= Trustee) des S. M.-Trust und des Unterfonds S. ist, ist aber aufgrund der vorgelegten Unterlagen anzunehmen. Die Ernennung der Kl. zum Trustee über den S. M.-Trust folgt schon aus der von ihr vorgelegten Abberufungs- und Ernennungsurkunde vom 15.12.2005. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Kl. mittlerweile als Treuhänderin abgelöst worden ist, ergeben sich hingegen nicht. Dass S. ein Unterfonds des S. M.-Trust ist, hat die Bekl. nicht explizit bestritten. Wollte man die Stellung des S. als Unterfonds des S. M.-Trust indes als streitig ansehen, lässt sich diese mit hinreichender Deutlichkeit aus der gutachterlichen Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei A. entnehmen. Die Eigenschaft der Kl. als Treuhänderin über den S. M.-Trust und die Zugehörigkeit des S. zu dem verwalteten Vermögen ergibt sich ferner aus dem an den Grand Court of the Cayman Islands gerichteten Antrag vom 2.3.2009 und dem daraufhin am 21.4.2009 ergangenen stattgebenden Gerichtsbeschluss, in dem es in Sachen S. M.-Trust u. a. darum ging, den Treuhänder/Trustee zu ermächtigen, die Kosten des in Deutschland gegen die Bekl. geführten Verfahrens dem S. in Rechnung zu stellen. Die Existenz des Gerichtsbeschlusses spricht zunächst für die Richtigkeit der darin zum Ausdruck gebrachten rechtlichen Verhältnisse. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum die Kl. – unterstellt, sie wäre nicht Trustee über das Vermögen von Fonds und Unterfonds – sich der Mühe hätte unterziehen sollen, den auf den Cayman Islands ergangenen Gerichtsbeschluss zu erwirken. Selbst wenn die Kl. tatsächlich nicht Trustee wäre und S. nicht zum verwalteten Vermögen gehörte, wäre im Übrigen auch dies ein Umstand, der allenfalls ihrer Aktivlegitimation und nicht ihrer Prozessführungsbefugnis entgegenstünde. Denn dass ein Trustee grundsätzlich befugt ist, dem Trust zustehende Ansprüche in eigenem Namen geltend zu machen, ist als solches nicht zu bezweifeln (vgl. nachfolgend). Die fehlende Rechtsfähigkeit des Investmentfonds und des Unterfonds sind hingegen unstreitig.

[12](2) Bei dem S. M.-Trust und dem Unterfonds S. handelt es sich um einen sog. ‚Living Trust’. Der Trust ist im angloamerikanischen Recht u.a. ein Mittel der Vermögensverwaltung. Ein Investment Trust erwirbt und verwaltet etwa Wertpapiere (Coing in Festschrift für Heinsius, 1991, 79, 81). Bei einem Trust werden Vermögenswerte regelmäßig von ihrem Inhaber (Settlor) einer anderen Person (dem Trustee) übertragen und es wird gleichzeitig festgelegt, dass der Trustee diese Güter verwalten und ihre Einkünfte zu bestimmten Zwecken verwenden soll. Es können Personen (sog. Beneficiaries) aber auch allgemeine Zwecke gefördert werden (Coing aaO 79). Dem Trustee steht der rechtliche Titel an dem übertragenen Treugut zu. Er darf es aber nicht für sich persönlich verwenden, sondern nur für die ihm übertragenen Aufgaben; der Begünstigte, der ein Recht auf die ihm zugewendeten Einkünfte hat, kann aber in bestimmten Fällen das Treugut selbst in Anspruch nehmen (Coing aaO zu der Figur des ‚geteilten Eigentums’). Das Trustgut stellt wegen der Bindung des Eigentums ein Sondervermögen dar (Coing aaO 80). Die Rechtsstellung des Trustee ist daher am ehesten mit derjenigen in der Vollrechtstreuhand – wobei er ggf. auch in die Nähe einer Partei kraft Amtes gerückt werden kann – zu vergleichen, allerdings mit dem Unterschied, dass nicht eigens eine Übertragung der Rechte im Einzelfall zu erfolgen hat. Nach außen hat der Trustee die volle Rechtsinhaberschaft. Insbesondere ist der Trustee nach angloamerikanischem Recht allein für alle Rechtsstreitigkeiten, die das Trust-Gut betreffen, aktiv- und passivlegitimiert (Czermak, Der express trust im internationalen Privatrecht, 1986, 48 f.). Für Klagen im Außenverhältnis des Trusts gelten die allgemeinen Zuständigkeitsregeln, d.h. im Rechtsverkehr mit Personen, die nicht Begünstigte oder Gründer des Trust sind, tritt der Trustee wie ein gewöhnlicher Rechtsinhaber auf (MünchKommZPO-Gottwald, 3. Aufl., Art. 6 EuGVO Rz. 88). Zumindest für Klagen im Innenverhältnis zwischen Begründer, Trustee oder Begünstigtem ist aus Art. 5 Nr. 6 EuGVO zudem auf eine Anerkennung des Rechtsinstituts als solchem zu schließen. Im Hinblick auf einen Nachlass-Trust hat der BFH mit Urteil vom 20.12.1957 (III 250/56, BStBl 1958 III, 79, 81) entschieden, dass der Trustee (dort eine in London ansässige Limited) im Prozess aktiv- und passivlegitimiert sei. Ohne Belang ist dagegen, dass es einen internationalen Vertrag über die Anerkennung von Trusts gibt (das Haager Übereinkommen über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung vom 1.7.1985), den Deutschland nicht ratifiziert hat (vgl. dazu Schack, Internationales Zivilverfahren, 4. Aufl., Rz. 551; vgl. auch Coing aaO 88).

[13]Wollte man der Kl. die Prozessführungsbefugnis absprechen, würde man ihr bzw. dem hinter ihr stehenden nicht rechtsfähigen S. im Ergebnis den Zugang zu den deutschen Gerichten versagen. Denn S. wäre es mangels Rechtsfähigkeit unmöglich, der Kl. die vom LG vermisste Ermächtigung zur Prozessführung zu erteilen.

[14]Auf die vom LG als maßgeblich erachteten Gesichtspunkte, der Bekl. sei bei Abschluss des Wertpapiergeschäfts nicht transparent gemacht worden und die Kl. habe auch nicht dargelegt, wer der wahre Rechtsträger sei bzw. wer Vertragspartner habe werden sollen oder wer Eigentümer der Wertpapiere gewesen sei, kommt es jedenfalls im Zusammenhang mit der Frage der Prozessführungsbefugnis nicht an.

[15]Ebenso unerheblich ist, ob der erstinstanzliche Prozessvortrag der Kl. insoweit zumindest missverständlich ist, als stets von Handlungen und Ansprüchen des S. die Rede ist.

[16]d) Auf die vom LG in den Vordergrund der Erwägungen gestellte Frage der gewillkürten Prozessstandschaft kommt es folglich nicht mehr an.

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