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Verfahrensgang

AG Leipzig, Beschl. vom 23.09.2010 – 530 UR III 0037/09, IPRspr 2010-16

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Bei einer Namensangleichung nach Statutenwechsel gemäß Art. 47 EGBGB hat eine Person nach deutschem Namensrecht Vor- und Familiennamen zu führen. Fehlen bei ausländischen (hier: sudanesischen) Namensketten Vor- und Familiennamen, ist eine Sortier-Erklärung gemäß Art. 47 I Nr. 1 EGBGB abzugeben ist. Dabei ist der Eigenname generell zum Vornamen zu qualifizieren. Weiterhin muss ein Familienname aus der weiteren Namenskette gewählt werden. Hierbei ist der Erklärende in seiner Wahl frei, soweit es sich nicht um Mittel- oder Beinamen handelt. Die nicht zum Familiennamen bestimmten Abstammungsnamen werden zwangsläufig zu Vornamen, es sei denn dass es sich dabei um Namen anderen Geschlechts handelt. Dann können die Namen abgelegt werden. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

EGBGB Art. 47
PStG § 49

Sachverhalt

[Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde wies das OLG Dresden am 20.12.2010 als unbegründet zurück.]


Die Beteiligten zu 3) und 4) sind im Sudan geboren und schlossen dort 1999 miteinander die Ehe. Die deutsche Staatsangehörigkeit erwarben sie 1999 bzw. 2008 durch Einbürgerung. Ihre Namensführung unterlag sudanesischem Recht., wonach bei sudanesischen Moslems Namensketten bestehen, die sich aus einem geschlechtsspezifischen Eigennamen, gefolgt vom Namen des Vaters, Großvaters und evtl. Urgroßvaters, zusammensetzen. So setzt sich die Namenskette des Beteiligten zu 3) zusammen aus: „Awad“ (männlicher Eigenname) „Ah. O.“ (Vatersnamen); die der Beteiligten zu 4) aus: „Taysir“ (weiblicher Eigenname) „S. A. M. B.“ (Namen der männlichen Vorfahren der Familie). Nach Einbürgerung begehrt der Beteiligte zu 3) eine Erklärung gemäß Art. 47 I EGBGB dahingehend, dass der Name „Awad“ zum Vornamen und „O.“ zum Familiennamen bestimmt werden; der Name „Ah.“ soll abgelegt werden. Die Beteiligte zu 4) begehrt nach Einbürgerung die Abgabe einer Erklärung gemäß Art. 47 EGBGB in der Form, dass „Taysir“ als Vorname und „S.“ als Familienname beurkundet werden soll; die weiteren Namen „A. M. B.“ sollen abgelegt werden.

Der Beteiligte zu 1) fragt nun, ob die weiteren Namensbestandteile wie beantragt abgelegt werden dürfen oder nur eine behördliche Namensänderung zum Erfolg führen kann. Der Beteiligte zu 2) schließt sich der Zweifelsvorlage an.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die vom Beteiligten zu 1) [Standesamt] über den Beteiligten zu 2) [Standesamtsaufsicht] vorgelegte Zweifelsvorlage ist gemäß § 49 II PStG zulässig und aufgrund der besonderen Bedeutung der Anfrage umfassend zu begründen.

[2]Es ist im Personenstandsverfahren zu entscheiden, da eine eingebürgerte Person eine Erklärung gemäß Art. 47 EGBGB vor dem Standesbeamten abgibt, dieser wiederum eine Wirksamkeitsbescheinigung gemäß § 46 PStV ausstellen muss und in Zweifelsfällen sodann das AG anzurufen ist.

[3]Die amtsgerichtliche Erfahrung in Personenstandssachen hat gezeigt, dass in der standesamtlichen Praxis eine sehr unterschiedliche Beurkundung islamischer Namen, Namensketten und derer Bestandteile erfolgt, wobei manche Beurkundungsformen massive Probleme bei einer späteren Einbürgerung der ausländischen Mitbürger und der entspr. Angleichung der Namen in sich bergen.

[4]Soll über die Möglichkeiten der Namensangleichung nach Einbürgerung entschieden werden, muss deshalb auch über die Formen der vorangegangenen Beurkundungen referiert werden. Allerdings wäre eine (bisher versagte) klare Aussage des Gesetzgebers zu diesen Themen wünschenswert, um verschiedenste Auslegungsversuche durch eine grundlegende Rechtsprechung zu ersetzen.

[5]Rechtliche Beurteilung – Zu den Vorfragen: Je nach Land und spezifischem Heimatrecht führen islamische Personen entweder Eigenname (ism = Vorname), sehr häufig Vaters- (ism al-ab) und Großvatersname (ism al-jadd) und Familienname (lagab = meist der Stammes- oder Sippenname) oder aber eine Namenskette, die sich, wie in diesem Fall, aus einem Eigennamen sowie weiteren Namen der männlichen Vorfahren (Vater-, Großvater-, Urgroßvatername) zusammensetzt. Z.B. im irakischen Rechtsbereich können beide Namensvarianten aufgrund des im Irak häufig geänderten Namensrechts existieren.

[6]Es sind immer die vollständigen Namen (ism al-kamil) zu führen.

[7]Eine exakte Aufnahme der Namensformen ist bei einer Beurkundung (ohne Erlangung des deutschen Namensstatuts immer nach jeweiligem Heimatrecht) in ein deutsches Personenstandsregister unumgänglich, um einerseits die Identifikation des Beteiligten zu ermöglichen, andererseits exakt das jeweilige Namensheimatrecht wiederzugeben, aber auch bei einem eventuellen späteren Statutenwechsel eine Namensangleichung korrekt zu ermöglichen.

[8]Die meisten Beurkundungsunterschiede werden bei der Behandlung der Namen der männlichen Vorfahren erreicht, insbesondere, wenn kein Reisepass des jeweiligen Heimatlands (z.B. bei Flüchtlingsstatus) vorgelegt werden kann und die Beurkundung auf anderweitigen Inlandsdokumenten beruht.

[9]So qualifizieren manche Standesämter von vornherein diese Namensbestandteile zu ‚Vornamen’, manche kennzeichnen diese Namen als ‚Zwischennamen’, andere wieder als ‚Vaters­ und Großvatersnamen’, ‚Mittelnamen’ oder ‚Beinamen’. Häufig wird nicht geprüft, ob ggf. ein Sippenname existiert, der zum Familiennamen qualifiziert ist.

[10]Dies führt zu einer Beurkundungsunsicherheit mit der Folge, dass bei einer möglichen Einbürgerung, aber auch [bei] Eheschließungen oder Beurkundungen von in Deutschland geborenen Kindern unterschiedliche Namenserklärungen abgegeben werden müssten und eine Rechtsunsicherheit entsteht.

[11]Im Fall der Einbürgerung ändert sich u.a. das Namensstatut des Eingebürgerten. Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des Art. 47 EGBGB (in Kraft seit 24.5.2007) ein kollisionsrechtliches Instrument geschaffen, um eine Namensangleichung an das deutsche Namensstatut unter Beachtung des IPR zu ermöglichen.

[12]Eine Person, welche einen ausländischen Namen je nach anwendbarem Heimatrecht erworben hat, untersteht nunmehr dem deutschen Namensrecht. Nach diesem kann die eingebürgerte Person einen Vor- und Familiennamen tragen.

[13]Grundsätzlich ist bei der Abgabe einer Angleichungserklärung aber sicherzustellen, dass auch das jeweilige Namensrecht, welches zum Erwerb des Namens führte, nicht generell unterlaufen wird. So muss eine Identifikationssicherheit der Person gegeben sein, auch eine Namenskontinuität, die eine mögliche Vorprägung der geführten Namen sichert (siehe auch Hepting, StAZ 2008, 161 ff.)

[14]In den Fällen, in denen nach islamischem Heimatrecht bereits ein spezieller Eigenname (Vorname) und Familienname (Stammes- oder Sippenname) existiert, sind diese aus o.g. Gründen der Identifikationssicherheit und Namenskontinuität beizubehalten. Geprüft werden muss nur, inwieweit der dazwischen liegende Vaters- und Großvatersname nach Heimatrecht ein ‚echter’ Vorname ist und somit als solcher beibehalten werden müsste oder lediglich ein ergänzendes Namenselement zur sichereren Identifikation darstellt und dann gemäß Art. 47 I Nr. 3 EGBGB abgelegt werden kann. Letzteres ist eher zutreffend, da bereits durch die Beibehaltung des erworbenen Vor- und Familiennamens die Identifikation gesichert und Namenskontinuität gegeben ist. Auch kennt das deutsche Recht nicht das Rechtsinstitut eines Vaters­ und Großvatersnamens. Mit dieser Angleichung würde auch das Anliegen des Art. 47 EGBGB gestärkt, nämlich eine bessere Integration der eingebürgerten Person zu ermöglichen und sein neues Statut im täglichen Leben unter Umgang mit dem angeglichenen Namen zu festigen.

[15]Bei der Beurteilung ist es daher wie o.a. hilfreich, wenn bereits bei einer Vorbeurkundung der Person in einem deutschen Personenstandsregister eine konkrete Namensdarstellung erfolgte. So wäre es korrekt, bei Vorhandensein des Vaters- und Großvatersnamens diese Namensbestandteile nicht als Zwischen-, Mittel-, Bei- oder gar Vornamen zu beurkunden, sondern konkret als ‚Vaters- bzw. Großvatersname’.

[16]Schwieriger ist die Beurteilung der Namensangleichung bei bestehenden echten Namensketten, welche explizit keinen speziellen Vornamen bzw. Familiennamen aufweisen. So im vorliegenden Rechtsfall. Im Sudan existiert kein kodifiziertes Namensrecht; dieses beruht weitestgehend auf der Tradition der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Eine die Namensführung regelnde Kollisionsnorm besteht nicht (vgl. auch Brandhuber-Zeyringer-Heussler, Standesamt und Ausländer [26. Lfg.] Sudan S. 4).

[17]Namensketten islamischen Ursprungs setzen sich, wie bereits erwähnt, aus einem Eigennamen und mehreren Vornamen der männlichen Vorfahren (Vaters-, Großvaters-, Urgroßvatersnamen) zusammen. Ein Familien- bzw. Stammes- oder Sippenname fehlt.

[18]Bei einer Namensangleichung nach Statutenwechsel gemäß Art. 47 EGBGB hat eine Person nach deutschem Namensrecht Vor- und Familiennamen zu führen. Bei Namensketten fehlen jedoch Vor- und Familiennamen, sodass eine Sortier-Erklärung gemäß Art. 47 I Nr. 1 EGBGB abzugeben ist.

[19]Dabei ist der Eigenname (ism) nach amtsgerichtlicher Auffassung generell zum Vornamen zu qualifizieren, da er geeignet ist, die Individualität und Identifikation eines Familienmitglieds (bei z.B. gleichlautenden Namensbestandteilen weiterer Familienmitglieder in Form der Vaters-, Großvatersnamen) eindeutig aufzuzeigen, auch ist er geeignet, das Geschlecht der Person anzuzeigen.

[20]Weiterhin muss ein Familienname aus der weiteren Namenskette gewählt werden. Hierbei ist der Erklärende in seiner Wahl frei, soweit es sich nicht um Mittel- oder Beinamen handelt. Diese sind im sudanesischen Recht jedoch nicht gebräuchlich, sodass die Wahl eines Familiennamens aus einem der weiteren Namen der Namenskette erfolgt.

[21]Die nicht zum Familiennamen bestimmten Abstammungsnamen werden zwangsläufig zu Vornamen (siehe auch Hepting aaO 171; Palandt-Thorn, BGB, 69. Aufl., Art. 47 EGBGB Rz. 6).

[22]Der Beteiligte zu 3) führt laut amtlichem Auszug aus dem allgemeinen Geburtenregister der Demokratischen Republik Sudan die Namenskette bestehend aus: Eigenname (Vorname): Awad, Eigenname des Vaters: Ah. und dessen weiterem Namen: O.

[23]Der Eigenname Awad soll antragsgemäß als Vorname bestehen bleiben. Aus der weiteren Namenskette wünscht der Beteiligte den Namen O. als künftigen Familiennamen. Der weitere Name Ah. wird daher bei entsprechender, gemäß Art. 47 I Nr. 1 EGBGB abzugebender Sortier-Erklärung zum Vornamen qualifiziert und kann nicht abgelegt werden. Daraus ergibt sich die künftige Namensführung: Awad Ah. (Vornamen) O. (Familienname).

[24]Die Beteiligte zu 4) führt laut amtlichem Auszug aus dem allgemeinen Geburtenregister der Demokratischen Republik Sudan die Namenskette bestehend aus: Eigenname: Taysir, Vatersnamen: S. A. M. B.

[25]Der Eigenname Taysir soll antragsgemäß zum Vornamen gewählt werden. Aus der Namenskette wünscht sich die Beteiligte zu 4) den Namen S. als künftigen Familiennamen.

[26]Formal würden sodann die weiteren Namen der Namenskette zu Vornamen qualifiziert und es ergäbe sich die Namensführung Taysir A. M. B. (Vornamen) S. (Familienname).

[27]Die Beteiligte zu 4) beantragt weitergehend, die männlichen Vornamen A. M. B, ablegen zu dürfen.

[28]In Auslegung des Art. 47 I Nr. 3 EGBGB können diese Namen abgelegt werden. Wenngleich sie zu gleichwertigen Vornamen qualifiziert worden sind, ist dem deutschen Recht fremd, dass Frauen männliche Vornamen tragen.

[29]Dem Ansinnen der Regelung des Art. 47 EGBGB, nämlich Mitbürgern ausländischer Herkunft nach Statutenwechsel die Integration zu erleichtern und ihnen auch in ihrer Namensgebung die Möglichkeit zu geben, sich der neuen Heimat anzugleichen, widerspräche es, dass Frauen keine Möglichkeit zur Ablegung ihrer männlichen Vornamen hätten.

[30]Die Namenswahl ist nach deutschem Recht auf das Wohl der namensführenden Person gerichtet, der Vorname soll eindeutig das Geschlecht der Person erkennen lassen, um Diskriminierung, Hänseleien und Verwechslungen auszuschließen. Dies wird aus den Regelungen im PStG und den weiteren Nebengesetzen deutlich und ist fest in der st. Rspr. verankert. Selbst im Transsexuellenbereich muss ein gesondertes Gerichtsverfahren geführt werden, um z.B. eine Vornamensangleichung an das neu erlangte Geschlecht bzw. eine Zugehörigkeit an das andere Geschlecht mit Außenwirkung zu erreichen.

[31]Insofern muss in Auslegung des Art. 47 I Nr. 3 EGBGB festgestellt werden, dass ... Vornamen, die dem anderen Geschlecht zugeordnet sind, nicht dem deutschen Namensrecht entsprechen und daher abgelegt werden dürfen.

[32]Die amtsgerichtliche Prüfung zu den Namen der Beteiligten zu 4) hat ergeben, dass die Vornamen A. M. B. eindeutig dem männlichen Geschlecht zugeordnet sind; der Vorname Taysir wird nach Auskunft der Namensberatungsstelle der Universität Leipzig im islamischen Raum zwar männlichen und weiblichen Personen zugeordnet, im sudanesischen Rechtsbereich aber auch häufig als Frauenname verwendet. Insofern steht nichts entgegen, diesen Namen als auch dem weiblichen Geschlecht zugehörigen Namen zuzulassen.

[33]Mit der Entscheidung für die Möglichkeit einer Ablegeerklärung gemäß Art. 47 I Nr. 3 EGBGB ist trotzdem Namenskontinuität gegeben, da die Hauptbestandteile des bisherigen Namens auch weiterhin getragen werden und der bisherige Eigenname auch die Identität der Person nicht verschleiert. Auf das Abstammungsnamensrecht wird auch durch die Wahl des Familiennamens aus der Namenskette deutlichen Bezug genommen und erhält die erforderliche Beachtung.

[34]Im Ergebnis ergibt sich die künftige Namensführung der Beteiligten zu 4) wie folgt: Taysir (Vorname) S. (Familienname).

Fundstellen

LS und Gründe

StAZ, 2011, 215

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2010-16

Lizenz

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