Der in § 23 I KSchG verwendete Begriff des „Betriebs“ bezeichnet nur in Deutschland gelegene Betriebe. [LS der Redaktion]
Der Kl. war bei der Bekl. seit 1999 in H. tätig und hat als System-Consultant Software bei Kunden eingeführt, betreut und dort auch Schulungen durchgeführt. Die Bekl. ist ein Tochterunternehmen der dänischen T. A/S. Das Mutterunternehmen hat seinen Sitz in S./Dänemark. In E. besteht ein Verkaufsbüro mit einer Mitarbeiterin. Zwischen der Bekl. und dem dänischen Mutterunternehmen T. A/S in S. besteht eine enge Zusammenarbeit auf der Grundlage eines Kooperationsvertrags. Ob ein Gemeinschaftsbetrieb besteht, ist streitig. Bei der Bekl. allein wurde der Schwellenwert nach § 23 I KSchG nicht erreicht, wohl aber bei einer Hinzurechnung der in S. beschäftigten Mitarbeiter der Muttergesellschaft. Die Bekl. kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kl. ordentlich am 7.11.2005.
Der Kl. hat die Feststellung beantragt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Bekl. vom 7.11.2005 nicht aufgelöst worden ist. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen. Mit der vom LAG zugelassenen Revision verfolgt der Kl. sein Klagebegehren weiter.
[1]Die Revision ist unbegründet ...
[2]B. ... Die Kündigung ist nicht sozialwidrig im Sinne des § 1 KSchG, weil dessen Erster Abschnitt keine Anwendung findet. Die Bekl. beschäftigt in ihrem Betrieb weder mindestens mehr als fünf noch mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 I KSchG. § 23 I KSchG erfasst nur Betriebe, die in der Bundesrepublik Deutschland liegen. Die in Dänemark beschäftigten Arbeitnehmer sind den in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern auch dann nicht hinzuzurechnen, wenn, was das LAG offengelassen hat, die in Deutschland gelegenen Beschäftigungsstätten mit der in S./Dänemark gelegenen Beschäftigungsstätte einen Gemeinschaftsbetrieb bilden sollten.
[3]I. Der Senat hat mit Urteil vom 17.1.2008 (2 AZR 902/06 – AP Nr. 40 zu § 23 KSchG 1969 = EzA Nr. 31 zu § 23 KSchG) (IPRspr 2008-41) an seiner st. Rspr. festgehalten, nach der der Erste Abschnitt des KSchG nur auf in Deutschland gelegene Betriebe anzuwenden ist. Er hat dies – insoweit abweichend von früheren Entscheidungen – nicht mehr mit der Geltung des Territorialitätsprinzips, sondern damit begründet, dass der in § 23 I KSchG verwendete Begriff des ‚Betriebs’ nur in Deutschland gelegene Betriebe bezeichne. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Mit den in der Literatur vertretenen Bedenken gegen die Rechtsprechung hat sich der Senat im Urteil vom 17.1.2008 eingehend befasst und sie in seine Erwägungen einbezogen. Darauf wird Bezug genommen.
[4]1. Auch im Schrifttum ist anerkannt worden, dass die nunmehr vom Senat gegebene Begründung im Hinblick auf die Entwicklung des deutschen Kündigungsschutzrechts nachvollziehbar ist und das vom Senat gefundene Ergebnis die Rechtsanwendung erleichtert. Soweit die Entscheidung auf Kritik gestoßen ist, sind im Wesentlichen keine Gesichtspunkte vorgebracht worden, die nicht schon im Urteil vom 17.1.2008 behandelt worden wären (vgl. W. Gravenhorst, JurisPR-ArbR 31/2008; Kappelhoff, ArbRB 2008, 235; Deinert, AuR 2008, 300; B. Otto/Mückl, BB 2008, 1231; Pomberg, EWiR 2008, 667; Boemke, JuS 2008, 751).
[5]2. Im Übrigen übersieht die Kritik, dass die Auslegung des Betriebsbegriffs in § 23 I KSchG nicht abstrakt zu erfolgen hat, sondern im Hinblick darauf, dass sie darüber entscheidet, für welche Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Erste Abschnitt des KSchG gilt, und folglich die Frage gestellt werden kann, ob eine Kündigung sozialwidrig ist.
[6]a) Die Beantwortung der Frage nach der Sozialwidrigkeit erfordert nahezu immer eine Einbeziehung der betrieblichen Gegebenheiten. Aus Sicht des Arbeitgebers ist der einzelne Arbeitnehmer kein isolierter Vertragspartner wie möglicherweise ein Lieferant oder Vermieter, sondern immer auch in seinem Zusammenwirken mit anderen Mitarbeitern zu sehen. Der Rahmen dieses Zusammenwirkens ist der Betrieb, gelegentlich auch das Unternehmen. Besonders deutlich wird das, wenn bei betriebsbedingten Kündigungen die Frage der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben desselben Unternehmens oder die Frage der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten in Rede steht. Aber auch bei personen- und verhaltensbedingten Kündigungen kann etwa die Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung zu berücksichtigen sein. Auch bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses (§§ 9 f. KSchG), beim Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG, beim Massenentlassungsschutz (§§ 17 ff. KSchG) sind betriebliche Gegebenheiten und damit die Rechtsverhältnisse anderer im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer maßgeblich.
[7]b) Stets ist also bei Prüfung der Sozialwidrigkeit vorausgesetzt, dass gegenüber allen etwa angesprochenen Arbeitnehmern und gegenüber dem Arbeitgeber dasselbe, nämlich deutsches Arbeitsrecht und insbesondere das Recht des KSchG angewendet und auch durchgesetzt werden kann. Diese Voraussetzung sicherzustellen, ist ein elementares Anliegen bei der Auslegung des Begriffs ‚Betrieb’ im Sinne des § 23 I KSchG, weil anderenfalls die Kohärenzen und Korrespondenzen des Kündigungsschutzrechts zerrissen würden.
[8]c) Die Auffassung des Senats steht im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben (BVerfG, 12.3.2009 – 1 BvR 1250/08). Die im Senatsurteil vom 17.1.2008 angesprochenen Ausnahmekonstellationen liegen ersichtlich nicht vor.
[9]II. Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der Schwellenwert hier nicht erreicht. Die Bekl. unterhält zwar eine Beschäftigungsstätte in Deutschland. Selbst wenn diese als Betrieb anzusehen sein sollte, findet jedoch der Erste Abschnitt des KSchG deshalb keine Anwendung, weil – wie unstreitig – die Schwellenwerte des § 23 I KSchG im Inland nicht erreicht sind. Bei der Ermittlung des Schwellenwerts nach § 23 I 2 und 3 KSchG hat keine Zusammenrechnung der in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern mit den Mitarbeitern der T. A/S in Dänemark zu erfolgen.
[10]1. Es kann dahinstehen, ob eine solche Zusammenrechnung erwägenswert wäre bezogen auf die regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland und andere Arbeitnehmer der Bekl., deren Arbeitsverhältnisse ebenfalls deutschem Arbeitsrecht unterfallen.
[11]2. Eine Zusammenrechnung der in Dänemark beschäftigten Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse mangels anderweitiger Anhaltspunkte bzw. fehlender abweichender Feststellungen des LAG dänischem Recht unterfallen, mit den in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse deutschem Recht unterfallen, ist jedenfalls nicht möglich. Die Arbeitsverhältnisse dieser beiden Personengruppen unterstehen unterschiedlichen Rechtsordnungen und können nicht zum Zwecke der Eröffnung des Anwendungsbereichs einzelner Gesetze des jeweils anderen Rechts zusammengerechnet werden (vgl. 17.1.2008 aaO). Die deutschem Recht unterstehenden Arbeitsverhältnisse richten sich insgesamt und damit auch hinsichtlich ihrer Beendigung nach deutschem Recht, während die anderen Arbeitsverhältnisse dänischem Recht und damit einer anderen Rechtsordnung unterstehen.
[12]3. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die deutsche Beschäftigungsstätte der Bekl. mit der Zentrale des Mutterunternehmens in S./Dänemark einen Gemeinschaftsbetrieb bilden sollte. Die Folge der kündigungsrechtlichen Zusammenrechnung der von zwei Unternehmen gemeinsam unterhaltenen Beschäftigungsstätte zu einem gemeinschaftlichen Betrieb ist die Anwendung des Kündigungsschutzrechts im gesamten Betrieb. Die mehreren Beschäftigungsstätten werden kündigungsrechtlich als ein Betrieb im Sinne des § 23 I KSchG angesehen. Ist aber, wie vom Senat mit Urteil vom 17.1.2008 (aaO) angenommen, eine Zusammenrechnung selbst dann ausgeschlossen, wenn es nur eine Betriebsstätte eines Unternehmens gibt, kann sich daran nichts ändern, wenn ein Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen besteht. Jedenfalls solche im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nicht dem deutschen Recht unterliegen, zählen auch dann bei der Berechnung des Schwellenwerts nicht mit, wenn die ausländische Arbeitsstätte mit einer deutschen einen Gemeinschaftsbetrieb bildet (vgl. MünchKomm-Hergenröder, 4. Aufl., § 23 KSchG Rz. 9; ErfK-Kiel, 9. Aufl., § 23 KSchG Rz. 2; Ascheid-Preis-Schmidt-Moll, KSchG, 3. Aufl. § 23 Rz. 37; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl., § 23 Rz. 29, 31; Fiebig-Gallner-Näegele-Pfeiffer, Kündigungsschutzrecht Handkommentar, 3. Aufl., § 23 Rz. 4; Löwisch-Spinner, Kommentar KSchG, 9. Aufl., Vorb. zu § 1 Rz. 33; a.A. Kittner-Däubler-Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 7. Aufl., § 23 KSchG Rz. 20 ff.). Der Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen kann nicht anders behandelt werden als ein gleich organisierter Betrieb eines Unternehmens.