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Verfahrensgang

BGH, Beschl. vom 05.03.2009 – IX ZB 192/07, IPRspr 2009-233

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Vermögensrechtliche Angelegenheiten

Leitsatz

Benennt der Beklagte eines ausländischen Verfahrens (hier: Schweiz) zweimal einen Zustellungsbevollmächtigten, genügt dies den Anforderungen an eine Einlassung im Sinne von Art. 27 Nr. 2 LugÜ. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

AVAG § 15
EUGVVO 44/2001 Art. 34
EuGVÜ Art. 27
LugÜ Art. 27
ZPO § 328; ZPO § 574

Sachverhalt

Die ASt. zu 1) bis 10) und 13) bis 26) sowie der AGg. und Frau K. sind Erben der am 25.12.2000 in Zürich verstorbenen H. Frau K. wurde ihrerseits beerbt von den ASt. zu 11) und 12). Im August 2005 reichten die ASt. zu 1) bis 10) und zu 13) bis 26) sowie Frau K. gegen den AGg. Klage beim Bezirksgericht Zürich ein mit dem Antrag, die Höhe des Nachlasses festzustellen sowie ferner, dass die Anteile der Kl. und des Bekl. am Nachlass festzustellen, der Nachlass zu teilen und die Erbteile zur Verteilung an die Erben zu überweisen seien. Der AGg. behauptet, ihm sei lediglich der Beschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 18.8.2005 zugestellt worden, in dem er u.a. aufgefordert wurde, einen Zustellungsempfänger in der Schweiz zu bezeichnen. In der Folgezeit benannte er einen Zustellungsempfänger, der es jedoch ablehnte, für ihn tätig zu werden. Darauf benannte er einen weiteren Zustellungsempfänger, dessen Benennung er jedoch mit Schreiben vom 21.9.2005 widerrief. Er beantrage, die Klageschrift ggf. auf dem Rechtshilfeweg zuzustellen. Mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 23.2.2006 wurde der AGg. antragsgemäß verurteilt. Die Kosten wurden ihm auferlegt. Dieses Urteil ist seit 28.3.2006 rechtskräftig. In der Folgezeit wurde der Nachlass an die Erben verteilt.

Die ASt. wollen nunmehr gegen den AGg. wegen der Prozesskosten und einer Prozessentschädigung in Deutschland vollstrecken. Entsprechend ihrem Antrag hat das LG angeordnet, dass das entsprechende Urteil des Bezirksgerichts Zürich mit der Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der AGg. seinen Antrag auf Abweisung des Begehrens der Vollstreckbarerklärung weiter.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Das gemäß §§ 15 I AVAG, 574 I 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig, denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 II ZPO) ...

[2]Die Rechtsbeschwerdebegründung hat keine Zulässigkeitsgründe in diesem Sinn aufgezeigt:

[3]1. Der geltend gemachte Zulässigkeitsgrund der Einheitlichkeitssicherung liegt nicht vor. Das Grundrecht des Beschwf. auf rechtliches Gehör wurde nicht verletzt.

[4]Der Beschwf. rügt insoweit einen Verstoß gegen Art. 27 Nr. 2 LugÜ. Nach dieser Bestimmung wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß und nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung hat das BeschwG verneint mit der Begründung, der AGg. habe sich durch die Bestellung von zwei Zustellungsbevollmächtigten für das Verfahren auf dieses Verfahren eingelassen. Dies entspricht der in Rspr. u. Lit. hierzu sowie zu den insoweit übereinstimmenden Parallelbestimmungen in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, 34 Nr. 2 EuGVO und § 328 I Nr. 2 ZPO vertretenen Auffassung.

[5]Die Vorschrift soll nach st. Rspr. sicherstellen, dass eine Entscheidung nach dieser Bestimmung weder anerkannt noch vollstreckt wird, wenn es dem Beklagten nicht möglich war, sich vor dem Gericht des Urteilsstaats zu verteidigen (EuGH, Urt. vom 14.10.2004 – Rs C-39/02, Slg. 2004, 9657, 9703; BGHZ 141, 286, 295 f. (IPRspr. 1999 Nr. 160); BGH, Beschl. vom 6.10.2005 – IX ZB 360/02, FamRZ 2006, 198 (IPRspr 2005-159); Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 34 EuGVVO, Art. 27 EuGVÜ, Art. 27 LugÜ Rz. 111).

[6]Der Begriff Einlassung ist autonom zu bestimmen und im Hinblick auf den genannten Normzweck weit auszulegen. Die Anerkennung ist immer dann möglich, wenn der Beklagte von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren rechtzeitig Kenntnis erlangt hat und die Möglichkeit der Verteidigung hatte. Einlassung ist danach jede Handlung, durch welche der Beklagte sich gegen den Angriff der Klage verteidigt, aber auch jede über die bloße Passivität hinausgehende Reaktion des Beklagten, aus der sich ergibt, dass er von der gegen ihn erhobenen Klage Kenntnis erlangt hat. Eine Einlassung liegt nach einem Teil der Auffassungen nur dann nicht vor, wenn der Beklagte im erststaatlichen Verfahren lediglich die bloße Zuständigkeitsrüge erhebt oder die nach dem Recht des Erststaats mangelhafte Zustellung beanstandet (OLG Hamm, NJW-RR 1995, 189, 190 (IPRspr. 1993 Nr. 182); OLG Düsseldorf, RIW 1996, 1043 (IPRspr. 1996 Nr. 181); OLG Stuttgart, IPRspr 1983 Nr. 173 [449]; OLG Köln, IPRax 1991, 114 (IPRspr. 1989 Nr. 218); Zöller-Geimer, ZPO, 27. Aufl., § 328 Rz. 176, Art. 34 EuGVVO Rz. 34; Musielak-Stadler, ZPO, 6. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rz. 6; Geimer-Schütze aaO Rz. 112; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 34 – 36 EuGVVO Rz. 20; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 34 Rz. 27; Rauscher-Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 34 Brüssel I-VO Rz. 37; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 67. Aufl., Art. 34 EuGVVO Rz. 3; Stein-Jonas-Roth, ZPO, 22. Aufl., § 328 Rz. 90). Hat sich der Beklagte auf ein dem ordentlichen Klageverfahren vorgeschaltetes Verfahren eingelassen, so gilt diese Einlassung auch für das Hauptverfahren (Geimer-Schütze aaO Rz. 114).

[7]Das BeschwG hat die zweimalige Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten in diesem Sinne zutreffend als Einlassung auf das Verfahren gewertet. Der AGg. konnte seine Entscheidung, ob er sich auf das Verfahren einlassen wollte, sachgerecht treffen. Er wusste, dass es sich um die Erbteilungsklage handelte, die ihm bereits angedroht worden war und zu der er sich bereits im Schreiben vom 4.2.2005 geäußert hatte. Auf die Frage, ob die Klageschrift ordnungsgemäß zugestellt wurde, kommt es danach nicht an.

[8]Für den weiteren Verfahrensablauf wird die Gewährung rechtlichen Gehörs durch Art. 27 Nr. 1 LugÜ mittelbar sichergestellt (vgl. BGHZ 141 aaO 296; BGH, Beschl. vom 18.9.2001 – IX ZB 104/00, NJW-RR 2002, 1151 (IPRspr. 2001 Nr. 185)). Ein Verstoß gegen diese Vorschrift wird vom AGg. nicht geltend gemacht.

[9]2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Der AGg. legt in der Beschwerdebegründung schon nicht dar, welche klärungsbedürftige Rechtsfrage im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sein soll. Er legt auch nicht dar, ob diese Frage, in welchem Umfang und von welcher Seite umstritten ist (vgl. BGHZ 154, 288, 291). Soweit zur Frage der Einlassung im Sinne des Art. 27 Nr. 2 LugÜ unterschiedliche Meinungen vertreten werden, sind diese Unterschiede jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil – wie bereits ausgeführt – eine Einlassung auch bei Zugrundelegung der hierzu vertretenen engen Auffassungen anzunehmen ist.

Fundstellen

LS und Gründe

Europ. Leg. Forum, 2009, II-94
NJW-RR, 2009, 1292
IPRax, 2010, 246

Aufsatz

Geimer, IPRax, 2010, 224 A

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2009-233

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