Dem deutschen Scheidungsverfahren steht der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit gemäß § 261 III Nr. 1 ZPO, der auch im internationalen Verfahrensrecht anzuwenden ist, entgegen, wenn das im ausländischen Verfahren ergehende Scheidungsurteil im Inland voraussichtlich anzuerkennen sein wird.
Ob und wann Rechtshängigkeit im Ausland eingetreten ist, richtet sich nach der lex fori des ausländischen Gerichts.
Zwischen den Parteien ist beim AG München seit dem 1.10.2008 durch Zustellung an die (Schweizer) AGg. ein Scheidungsverbundverfahren rechtshängig aufgrund eines seit dem 7.8.2008 anhängigen Scheidungsantrags des ASt. Die AGg. hatte ihrerseits am 24.4.2008 bei dem zuständigen Schweizer Gericht einen Scheidungsantrag gestellt. Wann dieser Antrag dem hiesigen ASt. zugestellt worden ist, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Am 13.6.2008 fand entsprechend dem Schweizer Recht ein Termin zu einem Versöhnungsversuch statt, bei dem die Parteien erklärten, auf einen solchen zu verzichten. Der Präsident des Bezirksgerichts Greyerz bestätigte am 2.10.2008, dass das mit dem Scheidungsantrag vom 24.4.2008 angestrengte Verfahren noch vor dem Schweizer Gericht anhängig sei. Ein Scheidungsurteil ist im dortigen Verfahren noch nicht ergangen. Im vorliegenden Verbundverfahren ist zugleich über die Durchführung des Versorgungsausgleichs von Amts wegen zu entscheiden. Die AGg. hat trotz Aufforderung keine vollständigen Auskünfte über ihre inländischen und ausländischen Anwartschaften erteilt.
Das AG München hat deshalb mit Beschluss vom 19.6.2009 gegen die AGg. ein Zwangsgeld festgesetzt. Gegen den ihr am 25.6.2009 zugestellten Beschluss hat die AGg. am 29.6.2009 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben. Das AG München hat mit Beschluss vom 2.7.2009 der Beschwerde nicht abgeholfen.
[1]II. Die gemäß § 19 FGG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der AGg. ist begründet, sodass der angefochtene Beschluss aufzuheben ist.
[2]1. Voraussetzung für eine Zwangsgeldfestsetzung gemäß § 33 FGG ist, dass von der AGg. zu Recht eine Auskunft zum Versorgungsausgleich verlangt werden durfte. Dies setzt wiederum voraus, dass der Scheidungsantrag des ASt. zulässig ist. Nur dann besteht eine Auskunftspflicht.
[3]Hieran fehlt es. Dem deutschen Scheidungsverfahren steht der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit gemäß § 261 III Nr. 1 ZPO, der auch im internationalen Verfahrensrecht anzuwenden ist (Zöller-Greger, ZPO, 27. Aufl., § 261 Rz. 3), entgegen. Art. 21 LugÜ ist nicht anzuwenden, weil der Anwendungsbereich des LugÜ durch Art. 1 II lit. a LugÜ ausgeschlossen ist; denn die vorliegende Ehesache betrifft den Personenstand (h.M.; vgl. hierzu zum gleichlautenden Art. 1 EuGVO Thomas-Putzo-Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., Art. 1 EuGVVO Rz. 4; BGH, FamRZ 1992, 1058 (IPRspr. 1992 Nr. 211) zum gleichlautenden Art. 1 II EuGVÜ).
[4]Die Voraussetzungen einer doppelten ausländischen Rechtshängigkeit liegen vor.
[5]a. Beide Verfahren betreffen denselben Streitgegenstand, da es um die Auflösung des Ehebandes geht. Ausweislich des vorlegten Schriftsatzes vom 24.4.2008 stützt die hiesige AGg. ihr Vorbringen auf Art. 115 Schweizer ZGB und begehrt unter XII. die Scheidung der Ehe. Dass nach Schweizer Recht dem eigentlichen Scheidungsverfahren ein Versöhnungsverfahren vorgeschaltet ist, steht der Identität des Streitgegenstands nicht entgegen, da nach Art. 116 Schweizer ZGB, falls ein Ehegatte die Scheidung nach Getrenntleben oder wegen Unzumutbarkeit nach Art. 115 ZGB verlangt und der andere Ehegatte – wie hier – ausdrücklich zustimmt, die Bestimmungen über die Scheidung auf gemeinsames Begehren sinngemäß anwendbar sind.
[6]b. Das Schweizer Verfahren ist vor dem deutschen Verfahren rechtshängig geworden. Ob und wann Rechtshängigkeit im Ausland eingetreten ist, richtet sich nach der lex fori des ausländischen Gerichts (BGH aaO), hier also nach Art. 136 II Schweizer ZGB, der bestimmt, dass die Rechtshängigkeit der Klage eines Ehegatten auf Scheidung mit der Klageanhebung eintritt. Hierunter ist die erstmalige Anrufung eines Gerichts zur Durchsetzung eines Anspruchs zu verstehen; anders als nach § 261 I ZPO tritt damit Rechtshängigkeit bereits mit Einreichung der Klageschrift bei einem Schweizer Gericht ein.
[7]c. Eine doppelte ausländische Rechtshängigkeit kann zwar nur dann gemäß § 261 III Nr. 1 ZPO berücksichtigt werden, wenn das im ausländischen Verfahren ergehende Urteil hier voraussichtlich anzuerkennen sein wird. Dies beurteilt sich nach Art. 3 des Abkommens zwischen dem deutschen Reich und der Schweizer Eidgenossenschaft über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2.11.1929 (RGBl. II 1930, 1066), das weiterhin anzuwenden ist. Gegen die Anerkennung der im Schweizer Verfahren ergehenden Entscheidung bestehen – jedenfalls aufgrund einer vorausschauenden Betrachtung – keine durchgreifenden Bedenken (vgl. hierzu MünchKommZPO-Gottwald, 2. Aufl., Art. 3 dt-schw. Abk. Rz. 1). Danach liegt ein Anerkennungshindernis nicht vor: Bei ‚spiegelbildlicher’ Anwendung des § 606a I Nr. 1 ZPO sind die Schweizer Gerichte international zuständig, da die hiesige AGg. Schweizerin ist. Eine ausschließliche internationale Zuständigkeit für das Scheidungsverfahren nimmt die Bundesrepublik Deutschland nicht in Anspruch (§ 606a I 2 ZPO). Dass dem hiesigen ASt. das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig zugeleitet worden ist, dass er sich verteidigen konnte (Art. 4 III des Abkommens), wird von ihm nicht behauptet. Die Anerkennung würde voraussichtlich auch nicht zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (Art. 4 I des Abkommens). Auf eine Verbürgung der Gegenseitigkeit im Sinne von § 328 I Nr. 5 ZPO kommt es in Ehesachen nicht an (Art. 7 § 1 I 2 FamRÄndG). Wenn dass Schweizer Urteil rechtskräftig wird, besteht somit kein Anerkennungshindernis. Dass das Schweizer Urteil in Deutschland erst Wirkungen entfaltet, wenn es in einem Verfahren nach Art. 7 § 1 FamRÄndG bzw. ab 1.9.2009 im Verfahren nach § 107 FamFG anerkannt worden ist, steht dem Einwand der doppelten Rechtshängigkeit nach § 261 III Nr. 1 ZPO nicht entgegen, weil das Feststellungsverfahren noch nicht eingeleitet werden kann (MünchKommZPO-Gottwald aaO § 328 Rz. 185). Einer Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO bedarf es bei einer klaren Anerkennungsprognose nicht.
[8]2. Der Scheidungsantrag des ASt. ist somit als unzulässig abzuweisen. Wird der Scheidungsantrag als unzulässig abgewiesen, so werden gemäß § 629 III 1 ZPO die Folgesachen gegenstandslos. Zwar kann gemäß § 629 III 2 ZPO in dem antragsabweisenden Urteil auf Antrag einer Partei vorbehalten werden, eine Folgesache als selbständige Familiensache fortzusetzen, ein solcher Antrag ist bisher aber weder gestellt worden, noch wäre er zulässig, weil bisher in der Schweiz noch kein Scheidungsurteil, das in Deutschland im Verfahren nach Art. 7 § 1 FamRÄndG anerkannt worden ist, ergangen ist und ein vorzeitiger Versorgungsausgleich nicht gestattet ist (Zöller-Philippi aaO § 626 Rz. 8c).
[9]Mangels eines zulässigen inländischen Scheidungsverfahrens ist die AGg. auch nicht verpflichtet, Auskunft im Versorgungsausgleichverfahren zu erteilen, sodass für die Festsetzung eines Zwangsgelds wegen der verweigerten Auskunft kein Raum ist.