Dem Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO kommt im Hinblick auf ein vorgedachtes Hauptverfahren nur eine Hilfsfunktion zu, sodass eine selbständige gerichtliche Erhebung von Beweisen nach den Grundsätzen des deutschen Prozessrechts dann nicht zulässig ist, wenn ein dem Beweisverfahren nachfolgendes zivilprozessuales Streitverfahren denkbarerweise nicht stattfinden kann.
Haben die Parteien die Streitentscheidung auch in prozessualer Hinsicht ausländischem (hier: koreanischem) Recht unterstellt, so fehlt den deutschen Gerichten die internationale Zuständigkeit im selbständigen Beweisverfahren.
Eine Schiedsvereinbarung schließt gemäß § 1033 ZPO nicht aus, dass ein staatliches Gericht eine vorläufige oder sichernde Maßnahme in Bezug auf den Streitgegenstand des schiedsrichterlichen Verfahrens anordnet, zu denen auch selbständige Beweisverfahren gehören können. § 1033 ZPO setzt jedoch als Teil des deutschen Verfahrensrechts die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte voraus.
Die ASt. schloss im Jahre 2000 mit der Rechtsvorgängerin der AGg. u.a. einen Lizenz- und einen Liefervertrag über eine Anlage zur Herstellung von Schaumstoff. Der Lizenzvertrag enthält in Art 9 eine Geheimhaltungs und in Art. 16 eine Rechtsanwendungs- und Schiedsklausel. In letzterer haben die Parteien u.a. vereinbart, dass die Lizenzvereinbarung den Gesetzen der Republik Korea unterliegen solle und bei Streitigkeiten die Zuständigkeit der koreanischen Schlichtungsstelle für Handelsfragen bestimmt.
Nach Lieferung der Anlage Anfang 2001 erfuhr die ASt. im Jahre 2004, dass die AGg. eine zweite Produktionslinie für die Herstellung von Schaumstoff aufbaute. Hinsichtlich der hierfür Anfang 2005 in Betrieb genommenen zweiten Anlage entstand bei der ASt. der Verdacht, dies geschehe unter Verstoß gegen Art. 9 des Lizenzvertrags und gegen das dort geregelte Verbot eines Nachbaus der Anlage der ASt.
Auf Antrag der ASt. hat das LG einen Beweisbeschluss im selbständigen Beweisverfahren erlassen und die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über bestimmte technische Merkmale des angeblichen Nachbaus angeordnet. Das LG hat dies mit einer einstweiligen Verfügung verbunden, mit der die AGg. insbesondere verpflichtet worden ist, die Besichtigung durch den gerichtlichen Sachverständigen zu dulden. Nach Vorlage des Gutachtens und nach der erklärten Verpflichtung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt., ihrer Mandantin keine Angaben zum Inhalt des Gutachtens zu machen, hat das LG Stellungnahmen der Verfahrensbevollmächtigten der ASt. und der AGg. zu der Frage eingeholt, ob das Gutachten an die ASt. ausgehändigt werden könne. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG entschieden, dass dies nur teilweise geschehen dürfe. Hiergegen wendet sich die AGg. mit der sofortigen Beschwerde und beantragt, das Gutachten auch in dem Umfang, in dem das LG eine Herausgabe angeordnet hat, nicht an die ASt. herauszugeben.
[1]B. Die sofortige Beschwerde der AGg. ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Angefochten ist der Beschluss des LG vom 14.9.2007 insoweit, als er das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Patentanwalt C. vom 4.5.2007 zur ungeschwärzten Weitergabe an die ASt. freigibt ...
[2]II. Die sofortige Beschwerde der AGg. hat auch in der Sache Erfolg. Das gerichtliche Gutachten ist der ASt. überhaupt nicht, auch nicht in dem vom LG bestimmten reduzierten Umfang auszuhändigen. Die Verschwiegenheitspflicht ihrer Verfahrensbevollmächtigten besteht fort. Das LG Düsseldorf ist nämlich international nicht zuständig für die Anordnung und Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens und den begleitenden Erlass der einstweiligen Verfügung. Wegen der fehlenden internationalen Zuständigkeit besteht jedenfalls dann keinerlei anerkennenswertes Interesse der ASt. an der Herausgabe des Gutachtens, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Parteien umfänglich über das Bestehen von Geheimhaltungsinteressen aufseiten der AGg. streiten. Bei nach Auffassung des Senats verfahrensmäßig ordnungsgemäßem Vorgehen hätte das Gutachten mangels internationaler Zuständigkeit des LG überhaupt nicht eingeholt werden dürfen.
[3]1. Der Prüfung der internationalen Zuständigkeit im Beschwerdeverfahren steht § 571 II 2 ZPO nicht entgegen. Danach kann die Beschwerde zwar nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Diese Regelung gilt aber nicht für die internationale Zuständigkeit. Entsprechend hat der BGH zu der gleichlautenden Bestimmung für das Revisionsverfahren in § 545 II ZPO entschieden (BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426) (IPRspr. 2002 Nr. 157). Für § 571 II 2 ZPO kann nichts anderes gelten, weil auch hier dieselben Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die für die Nichtanwendbarkeit des § 545 II ZPO sprechen. Insbesondere entscheidet auch im vorliegenden Zusammenhang die internationale Zuständigkeit – anders als die örtliche, sachliche, funktionelle und ähnliche innerstaatliche Zuständigkeit – über das Verfahrensrecht, dem der Rechtsstreit unterliegt (vgl. BGH aaO).
[4]2. Der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte steht die Schiedsabrede der Parteien entgegen. Letztere haben in Art. 16 des Lizenzvertrags vereinbart, dass die Lizenzvereinbarung ‚den Gesetzen der Republik Korea’ unterliegen solle, und bei Streitigkeiten die Zuständigkeit der koreanischen Schlichtungsstelle für Handelsfragen bestimmt.
[5]a) Trotz des nicht ganz klaren, weil in Teilen einen Zusammenhang zur Kündigung des Lizenzvertrags herstellenden Wortlauts der Vertragsbestimmung besteht Einigkeit der Parteien darüber, dass von der Schiedsabrede grundsätzlich auch Streitigkeiten der hier in Rede stehenden Art, also solche über die Einhaltung des Nachbauverbots in Art. 9 des Vertrags erfasst sein sollten. Damit ist für derartige Fälle die Zuständigkeit des koreanischen Schiedsgerichts vereinbart, das materiell nach koreanischem Recht zu entscheiden hat.
[6]b) Ob daneben auch eine Zuständigkeit der staatlichen Gerichte, bejahendenfalls welchen Landes gegeben sein sollte, ist der Vereinbarung nicht eindeutig zu entnehmen. Jedenfalls aber ist Kern der Schiedsklausel, dass Streitigkeiten durch die vereinbarte Schlichtungsstelle beigelegt werden sollen. Das schließt grundsätzlich auch die Tatsachenfeststellung und den Erlass vorläufiger Maßnahmen ein. Der einleitende Satz des Art. 16 spricht zudem wegen seiner weiten Fassung dafür, dass allenfalls eine Zuständigkeit koreanischer und nicht deutscher staatlicher Gerichte in Betracht gezogen wurde. Es ist dort nämlich in allgemeiner Form davon die Rede, dass die Lizenzvereinbarung ‚den Gesetzen der Republik Korea’ unterliege. Das wird zwar in erster Linie auf die Anwendung des materiellen Rechts abzielen, spricht wegen seiner sehr weiten und einschränkungslosen Nennung der koreanischen ‚Gesetze’ indes dafür, dass die Parteien auch in verfahrensmäßiger Hinsicht über die nachfolgende Schiedsabrede hinaus bei Streitigkeiten von einer Auseinandersetzung in Korea ausgingen.
[7]Gleichwohl kann einiges dafür sprechen, in bestimmten Situationen deutsche Gerichte für Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes als zuständig anzusehen, wenn anders ein effektiver Rechtsschutz nicht gewährleistet werden kann. Das hat etwa das OLG Köln in einer von den Parteien erörterten Entscheidung (GRUR-RR 2002, 309 = OLGR Köln 2002, 392) (IPRspr. 2002 Nr. 209) angenommen und seine Zuständigkeit für Eilmaßnahmen trotz an sich anders lautender Schiedsklausel bejaht. Das OLG Nürnberg räumt dagegen dem Parteiwillen einen größeren Stellenwert ein (IPRax 2006, 468) (IPRspr 2004-196b) und hat eine derogierende Wirkung einer Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts für möglich gehalten.
[8]In allgemeiner Form bedarf diese Frage im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Auch wenn man mit dem OLG Köln auf den Grundgedanken des vorläufigen Rechtsschutzes und seine ihm immanente Eilbedürftigkeit der zu treffenden Maßnahme abstellt, begründet dies unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht die Zuständigkeit der deutschen Gerichte neben derjenigen koreanischer Stellen. Dabei spielt die Art der hier in Rede stehenden sichernden Maßnahme eine maßgebliche Rolle. Es geht – anders als im Fall des OLG Köln – nicht um den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Unterbindung von Markenverletzungen, sondern um die Einleitung und Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, verbunden mit einer gleichzeitig erlassenen einstweilige Verfügung mit dem Zweck, die Durchführung der Begutachtung sicherzustellen.
[9]Das selbständige Beweisverfahren der §§ 485 ff. ZPO dient der Sicherung des Beweises durch eine gerichtliche Beweisanordnung mit Blick auf einen künftigen Rechtsstreit, in dem das Beweisergebnis dann gemäß § 493 ZPO verwendet werden kann. Die Beweissicherung hat daher lediglich Hilfsfunktion für ein vorgedachtes Hauptverfahren (OLG Celle, NJW-RR 2000, 1100). Die selbständige gerichtliche Erhebung von Beweisen ist demzufolge nach den Grundsätzen des deutschen Prozessrechts dann nicht zulässig, wenn sie in dem funktional mit ihr verbundenen Hauptsacheverfahren nicht benutzbar werden kann und deshalb funktionslos durchgeführt würde, weil ein zivilprozessuales Streitverfahren denkbarerweise nicht mehr stattfindet (OLG Celle aaO). Demgemäß kann im deutschen Prozessrecht ein rechtliches Interesse an der Beweissicherung dann verneint werden, wenn ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich ist (BGH, NJW 2004, 3488; Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl., § 485 Rz. 7a).
[10]Der vorliegende Fall ist zwar nicht unter den Begriff des ‚rechtlichen Interesses’ im Sinne des § 485 II ZPO zu subsumieren, sondern [es ist] die vorgelagerte Frage zu beantworten, ob die deutschen Gerichte für die Durchführung dieses Verfahrens international zuständig sind. Gleichwohl zeigen die aufgeführten Gesichtspunkte, dass das selbständige Beweisverfahren im vorliegenden Fall seine ihm vom deutschen Prozessrecht zugedachte Funktion nicht erfüllen kann. Die Verwendung des Gutachtens nach Maßgabe des § 493 ZPO in einem nachfolgenden Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht scheidet wegen der Schiedsabrede und der Vereinbarung koreanischen Rechts, dortiger Zuständigkeiten und dortiger Rechtsgrundsätze aus. Es ist nicht ersichtlich, dass das Gutachten in dem anschließenden koreanischen Verfahren einen anderen Stellenwert als ein von der Partei selbst eingeholtes Gutachten haben könnte. Vor diesem Hintergrund spricht nichts dafür, dass die Parteien von ihrer Vereinbarung Sicherungsverfahren der vorliegenden Art ausnehmen wollten. Auch sind wegen der Nichterreichbarkeit des gesetzlichen Ziels eines gerichtlichen Beweisverfahrens keine übergeordneten Gesichtspunkte für die Gewährung effektiven Rechtsschutzes, wie sie das OLG Köln in anderem Zusammenhang anführt, erkennbar.
[11]Dabei sind Beweisschwierigkeiten der ASt. nicht zu verkennen, weil es um den Zustand einer Anlage geht, die sich hier in Deutschland befindet, während die ASt. ihren Sitz in Korea hat. Dies ist indes ein Gesichtspunkt, der für die Tatsachenfeststellung in jedem Verfahren, sei es eines Schiedsgerichts, sei es eines staatlichen Gerichts gleichermaßen gilt. Dies musste den Parteien von vornherein bewusst sein, gerade auch angesichts des Umstands, dass die Anlage nach Deutschland geliefert werden sollte und sich Verstöße gegen das vertragliche Nachbauverbot hier auswirken würden. Gleichwohl haben die Parteien in der Lizenzvereinbarung sich der Entscheidung koreanischer Stellen und der Anwendung koreanischen Rechts unterworfen. Das ist zu respektieren und führt zur Unzuständigkeit deutscher Gerichte. Die ASt. kann jetzt nicht hiervon abweichen und Einzelteile aus einem im Übrigen für die Tatsachenfeststellung nicht maßgeblichen deutschen Verfahrensrecht für sich in Anspruch nehmen, weil ihr das nunmehr günstiger zu sein scheint.
[12]Entgegen der Auffassung des LG lässt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht unter Rückgriff auf § 1033 ZPO begründen. Die Vorschrift setzt als Teil des deutschen Verfahrensrechts die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte voraus. Zwar schließt gemäß § 1033 ZPO in der Tat eine Schiedsvereinbarung nicht aus, dass ein staatliches Gericht eine vorläufige oder sichernde Maßnahme in Bezug auf den Streitgegenstand des schiedsrichterlichen Verfahrens anordnet, zu denen auch selbständige Beweisverfahren gehören mögen. Sind aber die deutschen Gerichte wegen der anders lautenden Abrede international überhaupt nicht zuständig, besteht für eine Anwendung des § 1033 ZPO keine Grundlage.
[13]Schließlich steht der Prüfung der internationalen Zuständigkeit im Beschwerdeverfahren auch nicht § 490 II 2 ZPO entgegen. Zwar kann danach die Beweisanordnung grundsätzlich im Beschwerdeverfahren nicht, auch nicht hinsichtlich der Annahme einer Zuständigkeit des LG überprüft werden. Die internationale Zuständigkeit des LG ist indes Grundlage des gesamten Verfahrens und bestimmt die Entscheidungsbefugnis in sämtlichen Verfahrensabschnitten. Betroffen ist damit jedenfalls auch die hier anstehende Entscheidung über die Herausgabe des Gutachtens, die als solche – wie dargelegt – von § 490 II 2 ZPO nicht erfasst wird.
[14]III. Soweit sich die angefochtene Entscheidung auf die Freigabe der Anlage B 1 zum Schriftsatz der AGg. vom 18.6.2007 bezieht, muss es bei dieser Anordnung verbleiben, nachdem die AGg. ihren Antrag auf Nichtaushändigung dieser Anlage zurückgenommen hat. Auch der Antrag in der Beschwerdebegründung bezieht sich nicht auf diese Anlage.
[15]IV. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Zum einen ist deren Statthaftigkeit ohnehin gemäß § 574 I 2 i.V.m. § 542 II 1 ZPO insoweit nicht gegeben, als die Entscheidung die einstweilige Verfügung betrifft. Das gilt auch für die hier in Rede stehende Herausgabeentscheidung, weil sie den gesetzlich zwar nicht vorgesehenen, in Fällen der vorliegenden Art gleichwohl notwendigen Ausgleich zu der ohne Gewährung rechtlichen Gehörs getroffenen Duldungsverfügung darstellt. Jedenfalls ist die Sache ohne grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung maßgeblich auf einer Auslegung der Schiedsklausel im Einzelfall beruht.