Genügte das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat im Hinblick auf Zustellung und Unterrichtung nicht den in den Art. 13 bis 17 EuVTVO festgelegten verfahrensrechtlichen Erfordernissen, so ist nach Art. 18 I EuVTVO eine Heilung dieser Verfahrensmängel und eine Bestätigung der Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel dennoch möglich.
Voraussetzung einer Heilung ist nicht nur die Zustellung der Entscheidung (Art. 18 I lit. a EuVTVO), sondern auch eine Rechtsmittelbelehrung (Art. 18 I lit. b) sowie die Versäumung der Rechtsmitteleinlegung (Art. 18 I lit. c).
Zur Bestätigung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel nach einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren.
Die ASt. erwirkte aufgrund des rechtskräftigen Anerkenntnisurteils des LG Ravensburg im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen Unterlassung von Wettbewerbsmaßnahmen und aufgrund des Zurückweisungsbeschlusses des OLG Stuttgart auf die sofortige Beschwerde der AGg. gegen den Kostenausspruch einen Kostenfestsetzungsbeschluss über einen Betrag von 4 044,40 €.
Die ASt. beantragte dessen Bestätigung als Europäischen Vollstreckungstitel, dem entsprochen wurde.
Hierauf begehrte die AGg. mit Erfolg den Widerruf der ihrer Auffassung nach zu Unrecht erteilten Bestätigung.
Gegen den Widerrufsbeschluss legte der Antragstellervertreter sofortige Beschwerde ein.
[1]2. Die sofortige Beschwerde der ASt. gegen den Widerrufsbeschluss der Rechtspflegerin vom 31.3.2008 ist zulässig (§§ 1081 III, 319 III, 567 I Nr. 1, 569 ZPO, 11 I RPflG; Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 1081 Rz. 8 und § 319 Rz. 26).
[2]Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
[3]Die Rechtspflegerin hat mit zutreffender Begründung die Bestätigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel widerrufen, weil die Mindestvorschriften der Art. 12 ff. EuVTVO nicht eingehalten wurden.
[4]Die Kostenfestsetzungsanträge vom 24.7. und 18.9.2007 wurden als verfahrenseinleitende Schriftstücke des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht unter Beachtung der Art. 13 bis 17 EuVTVO der AGg. vor Erlass des Beschlusses vom 25.9.2007 zugestellt. Eine Heilung der Nichteinhaltung dieser Mindestvorschriften konnte gemäß Art. 18 EuVTVO nicht eintreten.
[5]Zwar ermöglicht Art. 18 I EuVTVO eine Heilung sämtlicher Verfahrensmängel im Hinblick auf Zustellung und Unterrichtung (Art. 13 bis 17 EuVTVO). Voraussetzung hierfür wäre aber nicht nur die Zustellung der Entscheidung (Art. 18 I lit. a EuVTVO), sondern auch eine Rechtsmittelbelehrung (Art. 18 I lit. b EuVTVO) und die Versäumung der Rechtsmitteleinlegung (Art. 18 I lit. c EuVTVO).
[6]Nachdem in der ZPO eine Rechtsmittelbelehrung nur bei einem Versäumnisurteil (§ 338 ZPO) vorgesehen ist und dementsprechend dem Kostenfestsetzungsbeschluss nicht beigefügt war, käme hier allenfalls eine Heilung nach Art. 18 II EuVTVO in Betracht (Thomas-Putzo-Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., Art. 18 EuVTVO Rz. 2; Musielak-Lackmann, ZPO, 5. Aufl., Art. 18 EG-Verordnung Nr. 805/2004 – EuVTVO – Rz. 1 und 2; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 18 EuVTVO Rz. 1–10; MünchKommZPO-Adolphsen, 3. Aufl., Bd. 3, § 1080 Rz. 46–51; je m.w.N.). Danach können nur Zustellungsmängel (Art. 13 und 14 EuVTVO) geheilt werden, nicht aber Unterrichtungsmängel (Art. 16 und 17 EuVTVO).
[7]Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde zwar zusammen mit den verfahrenseinleitenden Anträgen ordnungsgemäß am 28.9.2007 dem Verfahrensbevollmächtigten der AGg. (§ 81 ZPO; Zöller-Vollkommer aaO § 81 Rz. 8 m.w.N.) zugestellt gegen Empfangsbekenntnis und damit durch postalische Zustellung, bei der der Schuldner/Vertreter/Bevollmächtigte die Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet und zurückgeschickt hat entsprechend Art. 13 I lit. c und 15 EuVTVO (nicht dagegen für das Bestätigungsverfahren anwendbar: § 174 ZPO; vgl. unten). Diese Schriftstücke enthalten auch die erforderlichen Angaben nach Art. 16 EuVTVO, nicht aber die in Art. 17 EuVTVO vorgeschriebene Unterrichtung. Eine Heilung von Unterrichtungsmängeln ist jedoch in Art. 18 II EuVTVO nicht vorgesehen.
[8]Von der Einhaltung der Unterrichtungsvorschriften konnte auch nicht deshalb abgesehen werden, weil die AGg. anwaltlich vertreten ist. Denn Art. 15 EuVTVO erlaubt zwar die Zustellung an den Vertreter (oder Bevollmächtigten) des Schuldners in der Form der Art. 13 oder 14 EuVTVO. Dabei beurteilt sich die Zulässigkeit der Zustellung für das Bestätigungsverfahren allein nach der EuVTVO. Ein Rückgriff auf nationales Recht ist dagegen nach Art. 15 EuVTVO nicht zugelassen (Kropholler aaO Art. 15 EuVTVO Rz. 1 und 2; MünchKommZPO-Adolphsen aaO Rz. 31; je m.w.N.). Ebenso ist in Art. 18 EuVTVO nicht die Möglichkeit einer Abstandnahme von den Unterrichtungsvorschriften der Art. 16 und 17 EuVTVO im Hinblick auf die nationalen Rechtskenntnisse des Bevollmächtigten vorgesehen.
[9]Im Übrigen verlangt die Heilungsnorm des Art. 18 II EuVTVO ein ‚Verhalten des Schuldners im gerichtlichen Verfahren’, reine Passivität – wie vorliegend – ist nicht ausreichend (Kropholler aaO Art. 18 Rz. 10; MünchKommZPO-Adolphsen aaO Rz. 51; je m.w.N.).
[10]Eine Heilung gemäß Art. 18 EuVTVO ist danach nicht eingetreten.
[11]Einer Entscheidung der weiteren Streitfrage der Parteien, ob das Bestreiten der Kostenschuld im Erkenntnisverfahren, in dem die Kostengrundentscheidung getroffen wird, ausreicht, um von einer nicht unbestrittenen Forderung im Sinne des Art. 3 EuVTVO auszugehen, bedarf es im Hinblick auf die obigen Ausführungen vorliegend nicht. Insoweit sei lediglich auf die Erörterung dieser Problematik bei MünchKommZPO-Adolphsen aaO Vor §§ 1079 ff. Rz. 28 m.w.N. hingewiesen.
[12]Damit hat die Rechtspflegerin zu Recht den Widerruf der Bestätigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 25.9.2007 als Europäischer Vollstreckungstitel ausgesprochen.
[13]Die sofortige Beschwerde der ASt. gegen den Beschluss vom 31.3.2008 war damit als unbegründet zurückzuweisen.
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