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Verfahrensgang

LG Potsdam, Beschl. vom 04.10.2007 – 5 T 133/07, IPRspr 2007-91

Rechtsgebiete

Kindschaftsrecht → Adoption
Allgemeine Lehren → Ordre public

Leitsatz

Hält ein ausländisches (hier: türkisches) Gericht den im Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993 (AdoptÜ; BGBl. II 1035) vorgeschriebenen Verfahrensweg nicht ein, so kann die Adoption im Inland nicht nach dem AdoptÜ anerkannt werden. Die Anerkennung und die Wirkungen der ausländischen Adoption richten sich dann nach dem AdWirkG.

Die Anerkennung einer ausländischen (hier: türkischen) Entscheidung über die Adoption eines Jugendlichen ist ausgeschlossen, wenn die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Ein Verstoß gegen den anerkennungsrechtlichen deutschen ordre public liegt vor, wenn das ausländische Gericht weder eine Fachbehörde an dem Adoptionsverfahren beteiligt noch zu den Lebensumständen des anzunehmenden Kindes Ermittlungen anstellt.

Rechtsnormen

AdWirkG § 1; AdWirkG § 2; AdWirkG § 5
FGG § 16a; FGG § 22; FGG § 50a; FGG § 50b
HAdoptÜ Art. 2; HAdoptÜ Art. 4; HAdoptÜ Art. 5

Sachverhalt

Die Anzunehmenden sind die leiblichen Kinder der Frau A. B. und des Ehemanns der ASt.

Der leibliche Vater der Anzunehmenden lebt in der Bundesrepublik Deutschland und schloss dort die Ehe mit der ASt.

Die ASt. beantragte bei dem Grundgericht P./Türkei die Adoption der leiblichen Kinder ihres Ehemanns. Die leibliche Mutter der Kinder stimmte der Adoption zu. Der leibliche Vater erteilte ebenfalls seine Zustimmung zur Adoption. Das Grundgericht stimmte als Familiengericht der Adoption zu.

Die ASt. begehrt nunmehr die Anerkennung der Annahme der Kinder, was das zuständige AG abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich die ASt. erfolglos mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die gemäß § 5 IV 2 AdWirkG i.V.m. § 5 III 1 AdWirkG, § 22 I FGG zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

[2]Das AG hat mit Recht die Anerkennung der Entscheidung des türkischen Gerichts über die Annahme der Kinder durch die ASt. abgelehnt.

[3]Die Republik Türkei hat das AdoptÜ am 5.12.2001 gezeichnet und am 27.5.2004 ratifiziert. Es ist im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland seit dem 1.9.2004 in Kraft. Es hätte gemäß Art. 2 AdoptÜ bei der Entscheidung durch das türkische Gericht Anwendung finden müssen, weil die in der Türkei lebenden Kinder nach ihrer Adoption durch die ASt. in die Bundesrepublik gebracht werden sollen. Das AG hat mit Recht darauf verwiesen, dass das türkische Gericht den im AdoptÜ vorgeschriebenen Verfahrensweg nicht eingehalten hat und deshalb eine Anerkennung der Adoption nicht erfolgen kann, weil auch die materiellen Voraussetzungen der Art. 4, 5 AdoptÜ nicht festgestellt werden können.

[4]Für die Entscheidung über die Anerkennung und Wirkung der durch das türkische Gericht ausgesprochenen Adoption der minderjährigen S. und V. K. ist deshalb das AdWirkG vom 5.11.2001 anzuwenden. Die Zuständigkeit des AG Brandenburg ergibt sich aus § 5 I AdWirkG. Nach § 5 III 1 AdWirkG entscheidet das VormG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Nach Satz 2 dieser Vorschrift finden die §§ 50a I 1, II und III, 50b FGG entsprechend Anwendung. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 2 I AdWirkG, ob eine Annahme als Kind im Sinne des § 1 AdWirkG anzuerkennen oder wirksam und ob das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist, hat das VormG nach § 16a FGG zu prüfen, ob Versagungsgründe vorliegen. Nach § 16a Nr. 4 FGG ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.

[5]Das AG hat mit zutreffender Begründung, der die Kammer nach eigener Prüfung folgt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, der Entscheidung des türkischen Grundgerichts P. (Zivilgericht als Familiengericht) vom 27.12.2005 die Anerkennung versagt.

[6]Das Beschwerdevorbringen rechtfertig nicht die Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Das AG hat zutreffend festgestellt, dass die Anerkennung der Entscheidung ausgeschlossen ist, weil diese zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das Gericht hat weder eine inländische Fachbehörde an dem Adoptionsverfahren beteiligt noch hat es zu den Lebensumständen der ASt. und der Anzunehmenden Ermittlungen angestellt. Soweit die ASt. mit der Beschwerde angeregt hat, bei dem Amt für Soziale Dienste und Kinderschutz als zentraler Fachbehörde im Wege der Amtsermittlung Auskünfte einzuholen, obliegt dies weder dem für die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zuständigen Gericht noch dem BeschwG. Dies würde dazu führen, dass von dem Gericht, das ausschließlich über die Anerkennung der ausländischen Adoptionsentscheidung zu entscheiden hat, eine neue und eigene Adoptionsentscheidung zu treffen wäre.

[7]Die ASt. und die Anzunehmenden sind von dem türkischen Grundgericht P. vor seiner Entscheidung nicht persönlich angehört worden. Ein Adoptionsbedürfnis der Anzunehmenden ist deshalb nicht festgestellt worden. Die jetzt 17 und 15 1/2 Jahre alten Anzunehmenden leben mindestens seit 2002 (Einreise ihres Vaters in die Bundesrepublik) auf sich allein gestellt in der Türkei. Es ist nicht geprüft, ob ein Wechsel der beiden Kinder in einen anderen Kulturkreis ihrem Bedürfnis und Wohl entspricht. Dies ergibt sich auch nicht aus den erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom 12.3.2007. Diesen ist zu entnehmen, dass sie der unmittelbaren Betreuung ihres Vaters bedürfen. Daraus folgt jedoch nicht, dass ihre Adoption durch die ASt. notwendig ist.

[8]Dem türkischen Gericht in P. lag für seine Entscheidung nur der Vortrag der Prozessbevollmächtigten der ASt. vor, es konnte keine eigenen Erkenntnisse über die Lebensumstände der ASt. und ihre Elterneignung erlangen. Der anzuerkennenden Entscheidung ist auch nicht zu entnehmen, dass das Gericht zuvor die Kinder angehört und deren Zustimmung zur Adoption eingeholt hätte.

[9]Das AG hat mit Recht darauf verwiesen, dass gegenwärtig nicht das Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen der ASt. und den Anzunehmenden festgestellt werden könne. Die ASt. hat die Anzunehmenden erst fast zwei Monate nach der Entscheidung des türkischen Grundgerichts persönlich kennen gelernt. Der zweiwöchige Urlaubsaufenthalt genügt für das Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses nicht, weil dieser Zeitraum für ein gegenseitiges Kennenlernen zu kurz bemessen ist. Auch die regelmäßigen Telefonate der ASt. mit den Anzunehmenden, die jeweils die Sprache des anderen erst erlernen, rechtfertigt nicht die Annahme, dass zwischen den Anzunehmenden und der ASt. ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Da die ASt. die Anzunehmenden aus finanziellen Gründen nicht in der Türkei besuchen kann, bestehen erhebliche Zweifel daran, dass sich unter diesen Umständen ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen ihnen entwickeln kann. Dass das Zusammenleben der ASt., ihres Ehmanns und der Anzunehmenden in der Bundesrepublik aufgrund von visarechtlichen Problemen nicht möglich ist und die Adoption dazu dienen soll, den Anzunehmenden eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen, rechtfertigt nicht die Anerkennung der Adoption, da das Adoptionsverfahren nicht der Umgehung ausländerrechtlicher Vorschriften dient. Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2008, 1108

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2007-91

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