Durch die Verpflichtung des Ehemanns zur Entrichtung einer Morgengabe im Rahmen eines notariellen Ehevertrags wird die Ehefrau nach § 1082 des iranischen Zivilgesetzbuchs bereits mit der Eheschließung Eigentümerin der vereinbarten 1 000 Goldmünzen (Bahar Azadi).
Eine spätere anderslautende Erklärung in privatschriftlicher Form berührt diese rechtliche Verpflichtung gemäß Art. 1291 des iranischem Zivilgesetzbuchs nicht, wenn der Inhalt der Urkunde nicht dem freien Willen der Ausstellerin entspricht.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung zur Entrichtung einer Morgengabe.
Die am im Iran geschlossene (zweite) Ehe der Parteien ist 2005 rechtskräftig geschieden worden. Zum Zeitpunkt der Eheschließung waren beide Parteien iranische Staatsangehörige. Im Laufe des Scheidungsverfahrens haben sie beide nacheinander die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt.
In der Heiratsurkunde vom 26.8.1994 des iranischen Heiratsnotariats Sh.-R. wurden als Brautgeld für die ASt. u.a. 1 000 Goldstücke (Bahar Azadi) vereinbart. Die ASt. unterzeichnete am 16.9.2002 eine privatschriftliche Erklärung in persischer Sprache, nach der die als Morgengabe festgesetzten 1 000 Goldmünzen dem AGg. „verschenkt worden“ seien und er von jeglicher Zahlungsverpflichtung befreit sei.
Die ASt. hat geltend gemacht, sie sei im Zusammenhang mit der Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das gemeinsame Kind A. Ar., geboren 1996, von dem AGg. zur Abgabe der Verzichtserklärung genötigt worden.
Das FamG hat die zunächst gesondert erhobene Klage auf Herausgabe der Goldmünzen mit dem Scheidungsverfahren verbunden, die Ehe der Parteien auf den Antrag der ASt. unter Anwendung deutschen Sachrechts geschieden und u.a. den Antrag auf Herausgabe von 1 000 Grundstücken abgewiesen.
Die ASt. verfolgt mit der Berufung ihren Antrag auf Herausgabe der Goldmünzen weiter.
Der Senat hat ein Rechtsgutachten beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg eingeholt.
[1]II. Die zulässige Berufung der ASt. ist begründet.
[2]Die ASt. kann die in der Heiratsurkunde vereinbarte Morgengabe von 1 000 Goldmünzen (Bahar Azadi) beanspruchen und im vorliegenden Verfahren mit Erfolg geltend machen.
[3]1. Deutsche Gerichte sind mit Rücksicht auf den dauerhaften Aufenthalt beider Parteien in Deutschland international für den Rechtsstreit zuständig (vgl. BGH, FamRZ 1996, 601 (IPRspr. 1996 Nr. 142); FamRZ 2004, 1952 (IPRspr 2004-135) für die Ehesache). Darauf ist ohne Einfluss, dass die vom FamG vorgenommene Verbindung der Klage auf die Morgengabe mit der Ehesache verfahrensfehlerhaft war; das auf Zahlung der Morgengabe gerichtete Verfahren stellt keine Folgesache im Sinne von § 623 ZPO dar und kann somit nicht in zulässiger Weise in den Scheidungsverbund einbezogen werden (vgl. BGH, FamRZ 2004, 1952, 1958 (IPRspr 2004-135); OLG Hamm, FamRZ 2004, 511).
[4]2. Die Geltendmachung des Anspruchs auf die Morgengabe von 1 000 Goldmünzen (Bahar Azadi) durch die ASt. vor iranischen Gerichten und die zwischenzeitlich dort ergangenen Entscheidungen begründen kein Verfahrenshindernis.
[5]Nach § 261 III 1 ZPO kann die Streitsache während der Dauer der Rechtshängigkeit anderweitig nicht anhängig gemacht werden. Dabei ist auch die Rechtshängigkeit der Streitsache vor einem ausländischen Gericht zu berücksichtigen (Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 261 Rz. 3 und Zöller-Geimer aaO IZPR Rz. 96).
[6]Vor Eintritt der Rechtshängigkeit des Verfahrens am 25.5.2000 durch Zustellung der Klageschrift vom 28.9.1999 ... bestand keine anderweitige Rechtshängigkeit zum Herausgabeanspruch der ASt. bei einem Gericht in Iran. In erster Instanz hat sich der AGg. lediglich auf ein von ihm eingeleitetes Scheidungsverfahren beim Familiengericht Teheran berufen. Nach den vorgelegten Unterlagen ist die Klageschrift am 17.7.2000, mithin nach der hier eingetretenen Rechtshängigkeit, eingereicht worden. Die im Laufe des Berufungsverfahrens vom AGg. vorgelegten Übersetzungen zu Bescheinigungen der Justizbehörden Teheran geben zu einer anderen Beurteilung keine Veranlassung. Danach sind ab dem Jahr 2004 mehrfach Urteile des Familiengerichts und des Revisionsgerichts auch betreffend das Verlangen auf die Morgengabe ergangen. Eine vor dem 25.5.2000 eingetretene Rechtshängigkeit der dortigen Verfahren lässt sich hieraus nicht ableiten. Eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde, aus der sich die streitige Verpflichtung ergibt, wurde dem AGg. nach eigenem Vortrag erstmals am 20.7.2003 zugestellt. Für seine Inanspruchnahme im Iran vor diesem Zeitpunkt sind Anhaltspunkte nicht gegeben. Erst später eingeleitete Gerichtsverfahren im Iran machen das vorliegende Verfahren nicht unzulässig.
[7]Im Hinblick auf die nach Behauptung des AGg. zwischenzeitlich ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen des Teheraner Revisionsgerichts ... ist eine Aussetzung des Verfahrens nicht erforderlich; die gesonderte Entscheidungszuständigkeit für die Anerkennung ausländischer Urteile betrifft nach Art. 7 § 1 FamRÄndG nur Ehesachen.
[8]Die vorgenannten Entscheidungen führen nicht zu einem Prozesshindernis im vorliegenden Verfahren (vgl. zu dieser mögl. Folge allgemein Zöller-Greger aaO § 261 Rz. 11 a.E.), weil ihnen nach § 328 Nr. 5 ZPO die Anerkennungsfähigkeit fehlt. Danach ist die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ausgeschlossen, wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Die Gegenseitigkeit wird für Entscheidungen iranischer Gerichte ganz überwiegend nicht als gegeben angesehen (vgl. Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Zweiter Teil: Nationale Rechte, E. 1 Rz. 173; Zöller-Geimer aaO Anh. IV [Iran]; Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe- und Kinschaftsrecht, [Stand: Oktober 2003], Iran S. 28). Soweit dem entgegen vertreten wird, es sei bereits zur Anerkennung ausländischer Urteile im Iran gekommen (Bericht des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht über die Tagung vom 4./5.7.2003 zu Anwendung iranischen Familien- und Eherechts durch deutsche Gerichte, vgl. http://www.mpipriv-hh.mpg.de) führt dies zu keiner davon abweichenden Beurteilung; insbesondere eine Bezugnahme auf eine Anerkennung von Urteilen deutscher Gerichte fehlt dort.
[9]3. Die Anspruchsvoraussetzungen sind ebenso wie die Frage, ob der Anspruch auf die Morgengabe bestehen blieb, unter Anwendung iranischen Rechts zu beurteilen.
[10]Nach Art. 8 III des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929 (RGBl. 1930 II 1002, 1006), der weiterhin anwendbar ist und dem deutschen Kollisionsrecht nach Art. 3 II EGBGB vorgeht (BGH, FamRZ 2004, 1952, 1953) (IPRspr 2004-135), bleiben die Angehörigen jedes der vertragsschließenden Staaten im Gebiet des anderen Staats in Bezug auf das Familienrecht den Vorschriften ihrer heimischen Gesetze unterworfen.
[11]An die Einbürgerung beider Parteien schließt sich zwar betreffend die allgemeinen Ehewirkungen nach Art. 14 EGBGB ein Statutenwechsel an (Staudinger-Mankowski, BGB, 2003, Art. 14 EGBGB Rz. 103). Entscheidend dafür ist der Zeitpunkt der letzten Einbürgerung (Staudinger-Mankowski aaO Rz. 110). Die Einbürgerung des AGg. wurde am 16.1.2002, die der ASt. am 15.1.2003 wirksam. Da für abgeschlossene Tatbestände ein Statutenwechsel nicht mehr wirksam wird (Staudinger-Mankowski aaO Rz. 109), bleibt für die Beurteilung der Erklärung vom 16.9.2002 iranisches Sachrecht anwendbar. Die Vereinbarung einer Morgengabe ist nach zutreffender Auffassung den allgemeinen Ehewirkungen (so MünchKomm-Henrich, 4. Aufl., Art. 14 EGBGB Rz. 6; Rahm-Künkel-Breuer, Hdb. des Familiengerichtsverfahrens, Bd. 3 [Stand: Januar 2002] VIII Rz. 198; OLG Nürnberg, FamRZ 2001, 1613 (IPRspr. 2001 Nr. 56) zum türk. Recht) zuzurechnen und nicht güterrechtlich oder unterhaltsrechtlich zu qualifizieren (vgl. dazu auch Staudinger-Mankowski aaO Art. 13 EGBGB Rz. 383 f.). Bei einer güterrechtlichen Einordnung oder Zuordnung zum Scheidungsstatut wäre nach dem deutschen IPR ein Statutenwechsel vorliegend durch die Einbürgerung nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags ohnehin ausgeschlossen (vgl. Art. 15 I, 17 I EGBGB; geg. Unwandelbarkeit des Scheidungsstatuts in Einbürgerungsfällen aber MünchKomm-Winkler v. Mohrenfels, 3. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 34; für Zuordnung der Morgengabe zu Art. 18 IV EGBGB i.V.m. Art. 17 EGBGB etwa OLG Celle, FamRZ 1998, 374 (IPRspr. 1997 Nr. 82) und OLG Düsseldorf, FamRZ 1998, 623; zur Streitfrage vgl. außerdem Palandt-Heldrich, BGB, 66. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 17 und OLG Hamburg, FamRZ 2004, 459 (IPRspr. 2003 Nr. 67)).
[12]Auch eine zu beachtende Rückverweisung des IPR des Iran führt zu keinem anderen Ergebnis. Iranisches Heimatrecht ist auch bei ausländischem Wohnsitz anzuwenden (Bergmann-Ferid-Henrich aaO S. 22). Die Einbürgerungen beider Parteien waren nach ihren Angaben im Senatstermin nicht mit einer Aufgabe der iranischen Staatsangehörigkeit verbunden.
[13]Die Anknüpfung des anwendbaren Rechts nach Art. 28 EGBGB, wie vom FamG angenommen, überzeugt nicht, weil für die Aufhebung einer vertraglich begründeten Verpflichtung gemäß Art. 32 I Nr. 4 EGBGB auf das Recht abzustellen ist, das auf den Vertrag selbst anwendbar ist. Die Vereinbarung über die Morgengabe in dem notariellen Heiratsvertrag weist nach Art. 28 I EGBGB ohne weiteres auf iranisches Recht (Vertragsschluss im Iran von iranischen Staatsangehörigen); im Übrigen kann die Vereinbarung nicht losgelöst von dem Heiratsvertrag beurteilt werden.
[14]4. Die Begründung der Verpflichtung des AGg. zur Herausgabe von 1 000 Goldmünzen (Bahar Azadi) durch den notariellen Ehevertrag vom 26.8.1994 ist zwischen den Parteien nicht umstritten und rechtlich unzweifelhaft. Die Forderung ist auf Verlangen der ASt. jederzeit fällig zu stellen und spätestens bei Scheidung der Ehe zu leisten (vgl. etwa Yassari, FamRZ 2002, 1088, 1093). Nach Art. 1082 iran. ZGB wird mit der Eheschließung die Frau bereits Eigentümerin der vereinbarten Morgengabe.
[15]5. Durch schriftliche Erklärung der ASt. vom 16.9.2002 wird diese rechtliche Verpflichtung des AGg. nicht berührt; die Erklärung ist ohne rechtliche Wirkung.
[16]Nach Eintragung der Verpflichtung aus der Heiratsurkunde in das amtliche Eheschließungsregister kann sich die ASt. für ihren Anspruch auf eine öffentliche Urkunde im Sinne von Art. 1287 iran. ZGB berufen. Der im Gegensatz dazu stehenden privatschriftlichen Erklärung über den Verzicht der ASt. auf die vereinbarte Brautgabe von 1 000 Goldstücken kommt nach Art. 1291 iran. ZGB nur dann Rechtswirkungen gegen die öffentliche Urkunde zu, wenn der Aussteller die Echtheit der Urkunde einräumt und der Inhalt der Urkunde dem freien Willen des Ausstellers entspricht (Bericht über die Beratungen des Plenums des iranischen Obersten Gerichts Nr. 2 vom 11.5.1999 zum Urt. vom 5.11.1998, abgedr. in: Beratungen und Urteile des Plenums des OGH Jg. 1378/1999, 75–90).
[17]Die ASt. hat zwar eingeräumt, die Erklärung vom 16.9.2002 geschrieben und unterschrieben zu haben. Der AGg. vermochte es indes nicht, ausreichenden Beweis dafür zu erbringen, dass sie von der ASt. freiwillig abgegeben wurde. Nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien im Senatstermin vom 27.3.2007 ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass der AGg., unter dessen elterlicher Gewalt (Art. 1180 iran. ZGB) der gemeinsame Sohn A. Ar. (geb. 1996) stand, die ASt. zur Abgabe dieser Erklärung veranlasste, indem er in Aussicht stellte, den damals seit einigen Monaten bei dieser lebenden Sohn wieder zu sich zurückzuholen und seine Erklärungen für die angebahnte Einigung im anhängigen Sorgerechtsverfahren (4 F 70/99 AG Kaiserslautern) fallen zu lassen. Die Angaben der ASt. hierzu sind in sich nachvollziehbar und widerspruchsfrei und lassen sich durchaus mit dem Verfahrensgang im Sorgerechtsverfahren vereinbaren. Eine privatschriftliche Einigung der Parteien über die Ausübung des Sorgerechts und den Aufenthalt des Kindes bei der ASt. datiert vom 24.9.2003. Nachdem vom AGg. der Anfang eines Beweises für die freiwillige Abgabe der Erklärung vom 16.9.2002 nicht erbracht werden konnte, war kein Raum für eine Parteivernehmung von Amts wegen (§ 448 ZPO).
[18]6. Der AGg. beruft sich erstmals in der Berufungsverhandlung vom 27.3.2007 darauf, den Anspruch auf die Morgengabe durch Zahlung von 58 000 Euro an die ASt. erfüllt zu haben. Er hat damit keinen Erfolg.
[19]Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der AGg. seine Verteidigung lediglich darauf gestützt, über den Anspruch auf die Morgengabe sei bereits durch iranische Gerichte rechtskräftig entschieden und der Antrag der ASt. abgewiesen worden. In diesem Zusammenhang hat er auf eine Bestätigung des Notariats Teheran Bezug genommen, wonach er die Morgengabe geleistet habe und der ASt. nichts mehr schuldig sei. Dem Einwand der ASt., eine in den beim Familiengericht Teheran geführten Verfahren vorgelegte Quittung über 58 000 Euro sei gefälscht, ist der AGg. nicht entgegengetreten. Unabhängig davon, dass der Vortrag über – in den Jahren 2000 bis 2002 – angeblich geleistete Teilzahlungen nicht substantiiert ist und [nicht] unter Beweis gestellt wurde und [dass] für die Geltendmachung des Erfüllungseinwands erstmals in der Berufungsinstanz keine die darin liegende prozessuale Nachlässigkeit ausräumende Gründe (§ 531 II Nr. 3 ZPO) vorgetragen wurden, lässt sich die Behauptung des AGg. nicht vereinbaren mit der – unstreitig von ihm erbetenen – Erklärung über den Verzicht auf die Morgengabe. Der damit verfolgte Zweck, einer möglichen Verhaftung im Iran wegen des Anspruchs auf die Morgengabe zu entgehen, wäre auch mit einer Quittung der ASt. zu erreichen gewesen.