Die Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassung des nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen Formzusatzes trifft ausschließlich den für die Gesellschaft auftretenden Vertreter.
Dies gilt entsprechend bei Weglassung des Rechtsformzusatzes B.V. einer niederländischen „Besloten Vennootschap“, wenn der durch den für sie auftretenden Vertreter verursachte Rechtsschein in Deutschland entstanden ist und sich dort ausgewirkt hat.
Die Kl. schlossen am 17.11.2000 einen Generalunternehmervertrag über die Herstellung eines schlüsselfertigen Einfamilienhauses auf ihrem in St. A. gelegenen Grundstück. Aufseiten der Auftragnehmerin unterzeichnete die für sie bei Vertragsschluss in Vollmacht auftretende Zeugin B. die Vertragsurkunde mit dem Zusatz „i. A.“. Die Auftragnehmerin war im Rubrum des Vertrags wie folgt bezeichnet: „O. L. Zweigniederlassung Deutschland Bo. Ar. & S. J. E.“.
Die O. L. B.V. ist eine im Handelsregister der Handelskammer Süd-L. (Niederlande) eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts, die eine seit dem 14.12.1998 im Handelsregister des Amtsgerichts Be. unter der Firma „O. L. B.V. Zweigniederlassung Deutschland“ eingetragene Zweigniederlassung mit Sitz in E. unterhält; Geschäftsführer der Gesellschaft ist Bo. Ar. J. [Bekl. zu 1)], dessen Sohn S. J. [früherer Bekl. zu 2)] ist Prokurist. Nach der Abnahme des errichteten Einfamilienhauses unter „Mängelvorbehalt“ und erfolglosem Mängelbeseitigungsbegehren führten die Kl. ein selbständiges Beweisverfahren durch, in dem der Sachverständige die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten auf ca. 70 000 Euro bezifferte.
Mit der Klage machen die Kl., die bislang den in der Schlussrechnung ausgewiesenen Restvergütungsanspruch in Höhe von 93 674,40 Euro einbehalten haben, Minderungs- und Kostenvorschussansprüche in Höhe von insgesamt 84 262,80 Euro gegen die Bekl. als Gesamtschuldner geltend, weil nach ihrer Ansicht diese – mangels eines Hinweises auf eine beschränkt haftende Gesellschaft – selbst Vertragspartei geworden sind.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Vertrag sei nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts mit der O. L. B.V. zustande gekommen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kl., soweit sie gegen den Bekl. zu 2) gerichtet war, zurückgewiesen. Demgegenüber hat es der Klage gegen den Bekl. zu 1) dem Grunde nach stattgegeben und die Sache insoweit zur Durchführung des Höheverfahrens an das LG zurückverwiesen. Mit der – vom erkennenden Senat zugelassenen – Revision verfolgt der Bekl. zu 1) sein Klageabweisungsbegehren mit Erfolg weiter.
[1]Die Revision des Bekl. zu 1) ist begründet und führt in diesem Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur (vollständigen) Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils.
[2]I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
[3]Der Bauvertrag vom 17.11.2000 sei zwar nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts zwischen den Kl. und der O. L. B.V. zustande gekommen. Jedoch habe neben der Gesellschaft auch der Bekl. zu 1) als deren Geschäftsführer aus dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung – die auch auf Vertreter von Gesellschaften ausländischen Rechts mit beschränkter Haftung anwendbar sei – wegen Weglassens des analog § 4 GmbHG (früher: § 4 II GmbHG a.F.) vorgeschriebenen Firmenzusatzes B.V. im Zusammenhang mit dem schriftlichen Vertragsabschluss durch die Zeugin B. für die Erfüllung der von den Kl. erhobenen Gewährleistungsansprüche einzustehen. Der Bekl. habe zwar nicht selbst unmittelbar beim Abschluss des Generalunternehmervertrags mit den Kl. mitgewirkt; jedoch hafte er nach der insoweit einschlägigen älteren Senatsrechtsprechung (BGHZ 71, 354, 358) auch dafür, dass er – unter Verletzung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Instruktions- und Überwachungspflichten – nicht durch geeignete Vorkehrungen sichergestellt habe, dass die bevollmächtigte Zeugin B. bei Abschluss des schriftlichen Vertrags für die vorgeschriebene Firmierung der O. mit dem haftungsbeschränkenden B.V.-Zusatz gesorgt und dadurch bei den Kl. das Vertrauen in eine unbeschränkte Haftung ihres Vertragspartners erweckt habe. Die abweichende neuere Senatsentscheidung vom 8.7.1996 (II ZR 258/95, NJW 1996, 2645), nach der die Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassung des nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen Formzusatzes ausschließlich den für die Gesellschaft auftretenden Vertreter treffe, sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da sie nur die Bevollmächtigung eines Angestellten durch den Prokuristen, nicht jedoch – wie hier – durch den Geschäftsführer einer GmbH betreffe.
[4]II. Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[5]1. Noch zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass für die Frage der von ihm angenommenen Rechtsscheinhaftung des Bekl. zu 1) als Geschäftsführer der O. B.V., einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts, das deutsche materielle Recht anwendbar ist.
[6]Bei der Haftung wegen fehlenden Firmenzusatzes handelt es sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung um eine Rechtsscheinhaftung entsprechend § 179 BGB (Senatsurt. vom 8.7.1996 aaO; Senatsurt. vom 24.6.1991, II ZR 293/90, ZIP 1991, 1004 f. – jeweils m.w.N.). Maßgeblich für die internationalprivatrechtliche Anknüpfung ist bei der Rechtsscheinhaftung der Ort, an dem der Rechtsschein entstanden ist und sich ausgewirkt hat (BGHZ 43, 21, 27 – Anscheinsvollmacht; h.M.: vgl. nur MünchKomm-Kindler, 4. Aufl., IntGesR Rz. 630; Eidenmüller-Rehberg, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, § 5 Rz. 102 ff.; Eidenmüller aaO § 4 Rz. 29 ff.; Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 164 Rz. 3 – jeweils m.w.N.).
[7]Die durch Verletzung der Pflicht zur Führung des Firmenzusatzes begründete Rechtsscheinhaftung knüpft nicht an die Verletzung spezifischer Organpflichten an und untersteht schon aus diesem Grund nicht dem Gesellschaftsstatut; daher ist auch die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG insoweit nicht berührt (zutr. Kindler aaO Rz. 630, 413 ff.).
[8]Die Niederlassungsfreiheit wird aber auch nicht etwa dadurch unzulässig tangiert, dass eine bei Weglassung des Firmenzusatzes drohende Rechtsscheinhaftung die O. L. B.V. indirekt zur Beachtung deutschen Firmenrechts zwingen könnte; denn ein dem deutschen Recht entsprechender, auf die Haftungsbeschränkung hinweisender Firmenzusatz (GmbH) ist – in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Art. 4 der Publizitätsrichtlinie [Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 II des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten vom 9.3.1968 (ABl. Nr. L 65/8), zuletzt geändert durch Beitrittsvertrag vom 16.4.2003 (ABl. Nr. L 236/33)] – auch nach niederländischem Recht gemäß Art. 2:177 BW für das Handeln der Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung (Besloten Vennootschap) im Rechtsverkehr in vergleichbarer Form (B.V.) zwingend vorgeschrieben (vgl. auch Art. 2:186 BW).
[9]2. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht ebenfalls noch zutreffend eine vertragliche Gewährleistungshaftung des Bekl. zu 1) gegenüber den Kl. verneint, weil deren Vertragspartner aufgrund des von der Zeugin B. als Vertreterin der ‚O. L. Niederlassung Deutschland’ ohne den entsprechend § 4 GmbHG erforderlichen B.V.-Zusatz unterzeichneten Vertrags nicht der Bekl. zu 1), sondern – nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Vertreterhandelns (st. Rspr.: vgl. Senatsurt. vom 8.7.1996 aaO 1512; Senatsurt. vom 24.6.1991 aaO 1005; Senatsurt. vom 15.1.1990 – II ZR 311/88, NJW 1990, 2678) – die O. L. B.V. geworden ist.
[10]3. Unzutreffend ist jedoch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, es hafte der Bekl. zu 1) den Kl. – obwohl persönlich diesen gegenüber beim Vertragsschluss nicht aufgetreten – aus dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung, weil er wegen Verletzung ihm obliegender Instruktions- und Überwachungspflichten für die Fortlassung des nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen Formzusatzes B.V. durch die Zeugin B. und den dadurch erzeugten Anschein einer persönlichen Haftung des ‚Inhabers’ des Unternehmens mitverantwortlich sei.
[11]Nach gefestigter Senatsrechtsprechung haftet der für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Geschäftsverkehr Auftretende – gleichgültig, ob dies der Geschäftsführer selbst oder ein anderer Vertreter ist – wegen Verstoßes gegen § 4 GmbHG aus dem Gesichtspunkt einer Rechtsscheinhaftung analog § 179 BGB dann, wenn er durch sein Zeichnen der Firma ohne Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat (Senatsurt. vom 8.7.1996 aaO; Senatsurt. vom 24.6.1991 aaO – jeweils m.w.N.). Diese Rechtsscheinhaftung wegen Fortlassung des nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen Formzusatzes trifft – wie der Senat in dem Urteil vom 8.7.1996 (nochmals) ausdrücklich und, anders als das Berufungsgericht meint, allgemeingültig klargestellt hat – ‚ausschließlich’ den für die Gesellschaft auftretenden Vertreter selbst.
[12]Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war dies im vorliegenden Fall – wie die Revision zutreffend geltend macht – nicht der Bekl. zu 1), sondern allein die von diesem wirksam bevollmächtigte Zeugin B., die den schriftlichen Generalunternehmervertrag mit den Kl. namens der ‚O. L.’ abgeschlossen und dabei durch Weglassung des B.V.-Zusatzes den Anschein erweckt hat, deren Inhaber (wer immer dies sei) hafte den Kl. unbeschränkt.
[13]Die Beschränkung der Rechtsscheinhaftung auf den ‚zeichnenden’ Vertreter gilt – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – unabhängig von der Person des Handelnden und seiner rechtlichen Qualifikation und unabhängig auch von der Person des etwaigen Vollmachtgebers (Senatsurt. vom 24.6.1991 aaO). Eine (Mit-)Haftung des nicht unmittelbar handelnden, gleichsam im Hintergrund bleibenden Gesellschaftsorgans wegen einer bloßen Mitverursachung des von dem unmittelbar Handelnden gesetzten Rechtsscheins durch Verletzung sonstiger Handlungs-, Überwachungs- oder Instruktionspflichten kommt nicht in Betracht.
[14]Wie der Senat mehrfach betont hat, beruht die Haftung des (zeichnenden) Vertreters auf einer entsprechenden Heranziehung des Rechtsgedankens des § 179 BGB (Senatsurt. vom 24.6.1991 aaO 2628; so schon Senatsurt. vom 1.6.1981 – II ZR 1/81, ZIP 1981, 983, 984). § 179 BGB begründet insoweit keine allgemeine, verhaltenspflichtenorientierte Rechtsscheinhaftung, sondern eine schuldunabhängige Garantiehaftung, die allein auf dem Umstand basiert, dass die unmittelbar auftretende Person durch die dem Vertragspartner gegenüber abgegebene sachlich unzutreffende Erklärung den Vertrauenstatbestand geschaffen hat, ihm hafte zumindest eine (natürliche) Person unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen; dieses spezielle Vertrauen kann der irregeleitete Vertragspartner gegenüber einem im Hintergrund bleibenden ‚Dritten’ (Vollmachtgeber) nicht beanspruchen, so dass die Haftung wegen des fehlenden Firmenzusatzes auf den im konkreten Fall für die Gesellschaft auftretenden Vertreter zu beschränken ist, der die falsche Erklärung abgegeben hat.
[15]Das vom Berufungsgericht zur Rechtfertigung seiner gegenteiligen Ansicht herangezogene Senatsurteil vom 8.5.1978 (II ZR 97/77, BGHZ 71, 354, 358) betraf den Sonderfall der Umwandlung einer Zweimann-OHG in eine GmbH & Co. KG, in dem das Unternehmen von den beiden Gesellschaftern – nunmehr als Kommanditisten und Geschäftsführern der Komplementär-GmbH – unter der bisherigen Firma weitergeführt wurde und in dem der zugrunde liegende Auftrag die maschinenschriftliche Unterschrift beider Gesellschafter, verbunden mit dem handschriftlichen Namenszug nur des einen Beklagten, trug. Soweit der Senat in jenem Urteil auch den ‚nichthandelnden’ Gesellschafter-Geschäftsführer im Hinblick auf die Unterlassung der Anmeldung der Eintragung des neuen Rechtsformzusatzes zum Handelsregister und die gemeinsame Weiterführung des Unternehmens unter der irreführenden alten Firma der früheren OHG einer Rechtsscheinhaftung unterworfen hat, weil er ‚deshalb den Abschluss von Verträgen unter dieser Firma mit zu verantworten’ habe, handelt es sich um eine – nicht verallgemeinerungsfähige – Einzelfallentscheidung; sie trug den Besonderheiten der konkreten Situation Rechnung, dass beide Gesellschafter-Geschäftsführer ständig bei Vertragsabschlüssen durch die maschinengeschriebenen Unterschriften den Eindruck einer persönlichen Haftung als Gesellschafter einer OHG erweckten, während die handschriftliche Beifügung des Namenszugs nur eines von ihnen mehr oder minder zufällig war und daher bei der Erzeugung des konkreten Rechtsscheins für den irregeführten Geschäftspartner nicht im Vordergrund stand. Wollte man der Entscheidung gleichwohl eine weitergehende Bedeutung beimessen, so wäre sie – zumal sie in der weiteren Senatsrechtsprechung insoweit nicht bestätigt worden ist – durch das Senatsurteil vom 8.7.1996 (aaO 1512) als überholt anzusehen.
[16]Soweit im Schrifttum abweichend von der Senatsrechtsprechung die Meinung vertreten wird, eine Rechtsscheinhaftung sei auch auf den im Hintergrund bleibenden mittelbaren Veranlasser wegen Verletzung sonstiger Verhaltenspflichten zu erstrecken oder gar ausschließlich auf diesen zu beschränken (vgl. nur Roth-Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., § 35 Rz. 30), vermag der Senat dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen; ob etwa in einem extremen Ausnahmefall – z.B. bei planmäßigem Vorschieben eines indolosen Bevollmächtigten durch einen Geschäftsführer zur Vermeidung einer Eigenhaftung – in Anwendung des insoweit allein in Betracht kommenden Deliktsrechts im Ergebnis etwas anderes gelten könnte, ist hier nicht zu entscheiden, da ersichtlich ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt.
[17]III. Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers unterliegt das Berufungsurteil im Hinblick auf die Verurteilung des Bekl. zu 1) der Aufhebung (§ 562 ZPO). Da weitere rechtlich erhebliche tatrichterliche Feststellungen nicht in Betracht kommen und damit der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst durch Wiederherstellung des die Klage auch in Bezug auf den Bekl. zu 1) abweisenden landgerichtlichen Urteils zu entscheiden (§ 563 III ZPO).