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Verfahrensgang

OLG Hamburg, Urt. vom 19.04.2007 – 1 Kart-U 5/06, IPRspr 2007-137

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Besonderer Vertragsgerichtsstand
Immaterialgüterrecht und Unlauterer Wettbewerb (bis 2019)

Leitsatz

Für eine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit zwischen einer spanischen Reiseveranstalterin, die von ihrer Konkurrentin Unterlassung der Verwendung vertraglicher Exklusivitätsklauseln gegenüber Hoteliers auf Mallorca begehrt, sind deutsche Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVO international zuständig, wenn die mit der Liefersperre bezweckte wettbewerbliche Behinderung zumindest auch in der Bundesrepublik Deutschland eintritt.

Ebenso kommt auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gemäß Art. 40 I 2 EGBGB deutsches Recht zur Anwendung, weil der Erfolgsort jedenfalls auch in der Bundesrepublik Deutschland liegt.

Rechtsnormen

BGB § 823; BGB § 826
EGBGB Art. 40
EUGVVO 44/2001 Art. 5
GWB § 21; GWB § 33; GWB § 130
UWG § 3; UWG § 4; UWG § 14
ZPO § 32; ZPO § 253

Sachverhalt

Die ASt., eine spanische S. A, nimmt die AGg. aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung der Verwendung einer vertraglichen Exklusivitätsklausel, welche die Belieferung der ASt. mit Hotelkapazitäten auf Mallorca (Spanien) ausschließt, in Anspruch.

Die Parteien sind Reiseveranstalter, die in größerem Umfang Hotelleistungen einkaufen, die sie dann u.a. deutschen Reisekunden in Kombination mit weiteren Leistungen anbieten. Die ASt. bietet deutschen Kunden seit April 2005 Pauschalreisen und Einzelreiseleistungen auf Mallorca an. Sie bewirbt die Reiseleistungen bundesweit u.a. mit Katalogen und vertreibt ihre Leistungen auch über das Internet.

Die ASt. hat die AGg. zunächst abgemahnt, um zu erreichen, dass die AGg. gegenüber den Hoteliers auf Mallorca künftig keine vertraglichen Exklusivitätsklauseln mehr verwendet.

In der Folgezeit erwirkte die ASt. eine entsprechende einstweilige Verfügung des LG Hamburg, welche nach Widerspruch der AGg. durch das LG mit Urteil vom 22.6.2006 bestätigt wurde.

Hiergegen wendet sich die AGg. nun mit ihrer Berufung.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die Berufung der AGg. ist zulässig, aber unbegründet.

[2]1. Der Verfügungsantrag ist zulässig.

[3]a) Die Hamburger Gerichte sind gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVO international zuständig.

[4]Danach ist international auch das Gericht zuständig, in dessen Bereich das schädigende Ereignis eintritt oder einzutreten droht. Als Ort des schädigenden Ereignisses kommt neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort in Betracht.

[5]Der Handlungsort des streitgegenständlichen Verhaltens liegt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit allein in Spanien, denn nur dort ist die streitgegenständliche Exklusivitätsklausel den ansässigen Hoteliers vorgelegt worden. Soweit die ASt. davon ausgeht, dass die entsprechende Maßnahme in Deutschland konzipiert und autorisiert worden sei, bewegt sie sich im Bereich bloßer Vermutungen. Gleiches gilt für die Behauptung, dass die auf der ‚Zusatzvereinbarung’ befindliche Unterschrift in Deutschland von dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der AGg., Herrn V., geleistet worden sei.

[6]Erfolgsort des streitgegenständlichen Verhaltens ist jedoch zumindest auch die Bundesrepublik Deutschland. Zwar trifft es zu, dass die Liefersperre, zu der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der AGg., vertreten durch ihre örtliche Agentur, aufgefordert worden ist, zunächst nur den Bezug von Hotelkontingenten auf Mallorca (Spanien) behindern sollte. Darin erschöpft sich der Erfolg der streitgegenständlichen Handlung jedoch nicht. Maßgebliches Ziel des Handelns ist vielmehr die Verknappung von Hotelkontingenten zulasten der ASt., damit diese gegenüber ihren deutschen Reisekunden, und damit auf dem deutschen Markt, nur noch mit einem reduzierten Angebot auftreten kann. Die damit bezweckte wettbewerbliche Behinderung der ASt., und damit der Erfolg des streitgegenständlichen Verhaltens, treten maßgeblich in der Bundesrepublik Deutschland ein. Damit ist hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs der Weg zu den deutschen Gerichten eröffnet (BGH, NJW 1980, 1224, 1225 (IPRspr. 1979 Nr. 170); Immenga-Emmerich-Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 130 Rz. 204, 207 f., 252). Entscheidend ist der gemeinsame Absatzmarkt der Parteien, der u.a. in Deutschland liegt. Hier wenden sich beide Parteien mit ihrem jeweiligen Angebot an Endkunden.

[7]Gemäß §§ 32 ZPO, 14 UWG, 130 II GWB besteht auch die örtliche Zuständigkeit des LG Hamburg. Die ASt. wendet sich mit ihrem Angebot auch an Reisekunden in Hamburg, sei es durch Reisebüros, sei es durch ihr Internetangebot. Auch insoweit ist als Erfolgsort der Bezirk des LG Hamburg anzusehen.

[8]b) Der geltend gemachte Unterlassungsantrag ist auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 II Nrn. 1 und 2 ZPO.

[9]aa) ASt. des vorliegenden Rechtsstreits ist die spanische Fa. H. S. A. Dies ergibt sich unmissverständlich aus der Antragsschrift und steht auch im Einklang mit der vorgerichtlichen Abmahnung. Aus den Reisebedingungen der ASt. ergibt sich zudem,dass sie selbst als Veranstalterin und damit als Anbieterin auf dem deutschen Markt auftritt. Den Anforderungen des § 253 II Nr. 1 ZPO ist somit Genüge getan.

[10]bb) ... 2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist gemäß §§ 21, 33 GWB begründet.

[11]a) Gemäß Art. 40 I 2 EGBGB ist deutsches Recht anwendbar, weil der Erfolgsort jedenfalls auch in der Bundesrepublik Deutschland liegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorstehenden Ausführungen zu II. 1. a) verwiesen.

[12]b) Gegenstand des Unterlassungsanspruchs ist das Verbot, touristische Leistungserbringer (Hotelbetreiber, Fluggesellschaften, Mietwagenunternehmen) zur Nichtbelieferung der ASt. aufzufordern oder auffordern zu lassen, insbesondere diesen gegenüber die Klausel ‚Es wird Exklusivität gegenüber H. vereinbart’ zu verwenden oder verwenden zu lassen.

[13]c) ... d) Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Vertrieb der Reiseleistungen der ASt. in Deutschland durch die Fa. H. GmbH erfolgt ...

[14]Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist somit gemäß §§ 21, 33 GWB begründet. Die Berufung war daher wie tenoriert zurückzuweisen.

[15]Ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch darüber hinaus auch gemäß §§ 3, 4 Nrn. 10, 8 Abs. 1 UWG oder §§ 823 I, 826 BGB begründet ist, kann daher offen bleiben.

Fundstellen

LS und Gründe

Europ. Leg. Forum, 2007, I-211, II-133

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2007-137

Lizenz

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