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Verfahrensgang

BGH, Urt. vom 28.06.2007 – I ZR 49/04, IPRspr 2007-107

Rechtsgebiete

Immaterialgüterrecht und Unlauterer Wettbewerb (bis 2019)
Zuständigkeit → Besonderer Vertragsgerichtsstand

Leitsatz

Sofern eine Widerklage die Gültigkeit einer deutschen Marke zum Gegenstand hat, sind für derartige Klagen die deutschen Gerichte international nach Art. 22 Nr. 4 EuGVO auch dann ausschließlich zuständig, wenn nur der Beklagte (hier: der Widerbeklagte) seinen Sitz im Geltungsbereich der Verordnung hat.

Der inländische Schutz einfacher geographischer Herkunftsangaben gegen Irreführung und die im Inland bestehenden Rechte der University of Cambridge aus einer geschäftlichen Bezeichnung nach §§ 5, 15 MarkenG richten sich dem im Immaterialgüterrecht maßgeblichen Territorialitätsprinzip zufolge nach dem Recht des Schutzlands und damit nach deutschem Recht.

Rechtsnormen

BGB § 242
EUGVVO 44/2001 Art. 4; EUGVVO 44/2001 Art. 5; EUGVVO 44/2001 Art. 22; EUGVVO 44/2001 Art. 23; EUGVVO 44/2001 Art. 60
EuGVÜ Art. 5
LugÜ Art. 5; LugÜ Art. 54b
MarkenG § 5; MarkenG § 15; MarkenG § 127; MarkenG § 128
ZPO § 32; ZPO § 545

Sachverhalt

Der Kl., Inhaber der mit Priorität vom 21.9.2000 u.a. für „Ausbildung sowie Erteilung von Sprachunterricht, Durchführung von Sprachkursen, auch im Rahmen von Fernkursen; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern“ eingetragenen Wort-/Bildmarke Nr. ..., betreibt in M. unter der Bezeichnung „Cambridge Institut“ eine Sprachschule. Seit 1996 verwendet er für seinen Internetauftritt den Domainnamen „www.cambridgeinstitut.de“.

Die Bekl. zu 1), Inhaberin der mit Priorität vom 5.3.1998 für die Waren und Dienstleistungen „organisation et conduite de séminaires; matériel d' instruction ou d' enseignement d' origine britannique“ eingetragenen nachstehenden IR-Marke Nr. ..., deren Schutz auf Deutschland erstreckt ist (Widerklagemarke), ist eine in Liechtenstein ansässige Gesellschaft.

Die Bekl. zu 1), vertreten durch den Bekl. zu 3), schloss 1998 mit der Bekl. zu 2), einer in der Schweiz ansässigen AG, einen Partnerschafts- und Lizenzvertrag. In diesem Vertrag gestattete die Bekl. zu 1) der Bekl. zu 2) das unter der Marke „The Cambridge Institute“ vorhandene Kursangebot im Lizenzgebiet, dem Kanton Zürich, zu vermarkten. Einen entsprechenden Partnerschafts- und Lizenzvertrag schloss die Bekl. zu 1) im Jahre 2001 mit der A. GmbH in Freiburg, der sich auf das Lizenzgebiet Freiburg i.Br. bezog.

Die Bekl. zu 1) bis 3) sind Inhaber des Domainnamens „www.cambridgeinstitute.ch“. Die unter dieser Domain erreichbare Website enthielt unter der Überschrift „THE CAMBRIDGE INSTITUTE – AUCH IN IHRER NÄHE“ einen Hinweis auf die von der A. GmbH in Freiburg betriebene Einrichtung. Im Rahmen dieses Internetauftritts wurde auch die IR-Marke der Bekl. zu 1) verwandt.

Der Kl. hat geltend gemacht, für die Bezeichnung „Cambridge Institut“ seiner Sprachschule in M. stehe ihm der Schutz als Unternehmenskennzeichen im gesamten Bundesgebiet zu. Die Bekl. wendeten sich mit der unter dem Domainnamen „www.cambridgeinstitute.ch“ erreichbaren Website auch an deutsche Verkehrskreise. Diese vermuteten aufgrund des Internetauftritts Verbindungen der Bekl. zur Universität Cambridge, die tatsächlich nicht bestünden.

Das LG hat eine von der Bekl. zu 1) erhobene Widerklage zurückgewiesen und den Bekl. zu 1) bis 3) durch Urteil u.a. untersagt, sich zur Bezeichnung eines auf die Durchführung von Sprachkursen und/oder Sprachprüfungen gerichteten Geschäftsbetriebs in der Bundesrepublik Deutschland der Bezeichnung „The Cambridge Institute“ zu bedienen und/oder derartige Dienstleistungen unter der Bezeichnung „The Cambridge Institute British & American English for Pleasure & Business“ durchzuführen und/oder zu bewerben.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Bekl. zurückgewiesen (OLG München, GRUR-RR 2004, 171). Dagegen richtet sich die Revision der Bekl., mit der die Bekl. zu 1) zudem ihre Widerklage weiterverfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]I. Das Berufungsgericht hat die Klageanträge nach §§ 128 I, II MarkenG, 242 BGB für begründet erachtet und den widerklagend geltend gemachten Anspruch der Bekl. zu 1) gegen den Kl. auf Einwilligung in die Löschung seiner Marke verneint. Dazu hat es ausgeführt:

[2]Auf den Rechtsstreit der Parteien sei nach dem im Immaterialgüterrecht geltenden Territorialitätsprinzip deutsches Recht anwendbar. Das begehrte Verbot könne der Kl. allerdings nicht aus seinem Unternehmenskennzeichen herleiten. Dessen Schutzbereich sei räumlich begrenzt. Sprachschulen richteten sich regelmäßig nur an Kunden im örtlichen Bereich. Fernkurse biete der Kl. nicht an. Eine überregionale Tätigkeit habe er nicht dargelegt.

[3]Der Unterlassungsanspruch ergebe sich jedoch aus § 128 I i.V.m. § 127 I MarkenG. Bei ‚Cambridge’ handele es sich um eine geographische Herkunftsangabe für die Dienstleistung der Durchführung von Sprachprüfungen. Auch wenn die Prüfungen weltweit abgenommen würden, ändere dies nichts daran, dass sie in der Universität Cambridge in Großbritannien erarbeitet worden seien. Die angegriffene Website richte sich trotz der Top-Level-Domain ‚ch’ auch an deutsche Verkehrskreise ...

[4]II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Bekl. zu 1) bis 3) hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage, soweit die Bekl. zu 2) und 3) zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie zur Leistung von Schadensersatz verurteilt worden sind. Im Übrigen (Verurteilung der Bekl. zur Unterlassung und Abweisung der Widerklage) führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung über die Klageanträge zu I. und II. und die Widerklage nicht möglich, weil das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Kl. mit Erfolg prioritätsältere Rechte der Universität Cambridge gegen die Bekl. geltend machen kann.

[5]1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 II ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, folgt für die gegen die in Liechtenstein ansässige Bekl. zu 1) gerichtete Klage aus § 32 ZPO und für die Klage gegen die in der Schweiz ansässigen Bekl. zu 2) und 3) aus Art. 5 Nr. 3, 54b II lit. a LugÜ.

[6]a) Die nationalen Zuständigkeitsvorschriften für die Klage gegen die Bekl. zu 1) werden nicht durch Zuständigkeitsbestimmungen der EuGVO verdrängt, weil die VO nach ihrem Art. 4 I nicht anwendbar ist. Weder hat die Bekl. zu 1) ihren Wohnsitz im Sinne von Art. 4, 60 I EuGVO im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, noch ist für die Klage eine Zuständigkeit nach Art. 22, 23 EuGVO begründet. Da Liechtenstein nicht dem LugÜ beigetreten ist (Staudinger-Fezer-Koos, IntWirtschR (2006) Rz. 729; Harte-Henning-Glöckner, UWG, Einl. D Rz. 5), sind dessen Vorschriften ebenfalls nicht gegenüber den nationalen Zuständigkeitsnormen vorrangig.

[7]Die internationale Zuständigkeit für die Klage gegen die Bekl. zu 1) ergibt sich danach mittelbar aus den Bestimmungen für die örtliche Zuständigkeit (BGH, Urt. vom 9.10.1986 – I ZR 138/84, GRUR 1987, 172, 173 = WRP 1987, 446 [Unternehmensberatungsgesellschaft I] (IPRspr. 1986 Nr. 116), insoweit in BGHZ 98, 330 nicht abgedr.). Diese richtet sich für die Klage gegen die Bekl. zu 1) nach § 32 ZPO. Tatort ist danach auch der Ort, an dem die behauptete Verletzung des geschützten Rechtsguts eingetreten ist (BGH, Urt. vom 20.12.1963 – Ib ZR 104/62, GRUR 1964, 316, 318 [Stahlexport] (IPRspr. 1962–1963 Nr. 161); BGHZ 124, 237, 245 (IPRspr. 1993 Nr. 180)). Dieser Ort ist im Inland belegen, weil sich die beanstandeten Bezeichnungen nach Behauptung des Kl. an inländische Verkehrskreise richten (zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: BGH, Urt. vom 13.10.2004 – I ZR 163/02, GRUR 2005, 431, 432 = WRP 2005, 493 [HOTEL MARITIME] (IPRspr 2004-126)).

[8]b) Die internationale Zuständigkeit für die gegen die in der Schweiz ansässigen Bekl. zu 2) und 3) gerichtete Klage beurteilt sich nach dem LugÜ (vgl. Art. 54b II lit. a LugÜ; hierzu BGH, Urt. vom 22.2.2001 – IX ZR 19/00, NJW 2001, 1731 (IPRspr. 2001 Nr. 133)). Im Streitfall bestimmt sie sich nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ, der mit Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und Art. 5 Nr. 3 EuGVO wortgleich ist. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt danach ebenso wie bei der gegen die Bekl. zu 1) gerichteten Klage daraus, dass die behauptete Verletzung des geschützten Rechtsguts im Inland eingetreten ist.

[9]c) Für die Widerklage ist eine ausschließliche internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte durch Art. 22 Nr. 4 EuGVO begründet (zur Zuständigkeit nach Art. 22 Nr. 4 EuGVO bei Schutzentziehung einer IR-Marke: BGH, Urt. vom 30.3. 2006 – I ZR 96/03, GRUR 2006, 941 Tz. 11 = WRP 2006, 1235 [TOSCA BLU] (IPRspr 2006-113)). Die Widerklage hat die Gültigkeit einer deutschen Marke zum Gegenstand. Für derartige Klagen sind die deutschen Gerichte international nach der EuGVO auch dann ausschließlich zuständig, wenn nur der Bekl. (hier der Widerbeklagte) seinen Sitz im Geltungsbereich der Verordnung hat (Staudinger-Fezer-Koos aaO Rz. 1082).

[10]2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Streitfall deutsches Recht zur Anwendung kommt. Nach dem im Immaterialgüterrecht maßgeblichen Territorialitätsprinzip richtet sich der Schutz der inländischen Kennzeichen des Kl. nach dem Recht des Schutzlands und damit nach deutschem Recht (BGH, Urt. vom 2.5.2002 – I ZR 300/99, GRUR 2002, 972, 973 = WRP 2002, 1156 [FROMMIA] (IPRspr. 2002 Nr. 122); BGH, GRUR 2005, 431, 432 [HOTEL MARITIME] (IPRspr 2004-126)). Entsprechendes gilt für den inländischen Schutz einfacher geographischer Herkunftsangaben gegen Irreführung (vgl. BGH, Urt. vom 25.1.2001 – I ZR 120/98, GRUR 2001, 420 = WRP 2001, 546 [SPA]) und für im Inland bestehende Rechte der University of Cambridge aus einer geschäftlichen Bezeichnung nach §§ 5, 15 MarkenG.

Fundstellen

LS und Gründe

BGHZ, 173, 57
CR, 2007, 655
GRUR, 2007, 884
WRP, 2007, 1200
GRUR Int., 2008, 347
IPRax, 2008, 344
NJW-RR, 2008, 57
RIW, 2008, 316

nur Leitsatz

MMR, 2007, 748

Aufsatz

Reichardt, IPRax, 2008, 330 A

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2007-107

Lizenz

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