Die Anerkennung eines Schiedspruchs der chinesischen International Chamber of Commerce ist zu versagen, wenn ein chinesisches Gericht bereits durch ein Urteil, das für die deutschen Gerichte gemäß § 328 ZPO verbindlich ist, die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung festgestellt hat, weil das chinesische Recht anders als das deutsche die Bestimmung des zuständigen Schiedsgerichts schon in der Schiedsklausel verlangt.
Die ASt. begehrt die Vollstreckbarerklärung des durch den Einzelschiedsrichter in Schanghai am 30.3.2004 erlassenen Schlussschiedsspruchs (final award) bzw. Schlussurteils (sentence finale) des International Court of Arbitration der ICC, nach dem die AGg. der ASt. 4 578 597 Renminbi und 55 000 US-Dollar zu zahlen hat.
Die Schiedsklausel in der zugrunde liegenden im Dezember 2000 geschlossenen Vereinbarung über den Bau einer Fabrik in ... (China) lautet im tabellarischen Anhang: „Arbitration 15.3 IIC Rules Shanghai shall apply“ (sinngemäß: Schiedsverfahren 15.3 Schanghai soll zuständig sein). Die Bezeichnung 15.3 nimmt dabei auf eine in den allgemeinen Bedingungen (general conditions) genannte Standardschiedsklausel (FIDIC Green Book) Bezug, nach der Streitigkeiten endgültig durch einen Einzelschiedsrichter gemäß den im Anhang spezifizierten Regeln entschieden werden sollen. Bei Fehlen einer Vereinbarung soll der Schiedsrichter durch die im Anhang genannte Behörde/Stelle ernannt werden. Wegen der Verhandlungssprache und des Verhandlungsorts wird ebenfalls auf den Appendix verwiesen.
Das Volksgericht W. hat am 2.9.2004 die auf Feststellung der Wirksamkeit der Schiedsklausel gerichtete Klage der ASt. abgewiesen und die Schiedsklausel für unwirksam erklärt, weil sie mangels Benennung der Schiedsinstitution bzw. des Schiedsgerichts nach chinesischem Recht unwirksam sei.
Die ASt. hat ferner einen Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung am 17.8.2004 gestellt, den das Volksgericht W. am 1.9.2004 angenommen hat. Eine Entscheidung ist in dem Verfahren nicht getroffen worden.
Die ASt. beantragt, die Anerkennung des Schiedsspruchs des internationalen Schiedsgerichtshofs der ICC vom 30.3.2004.
[1]II. Der Antrag der ASt. war gemäß §§ 1061 ff. ZPO i.V.m. Art. I ff. UNÜ zulässig (1.), jedoch in der Sache unbegründet (2.), so dass die Anerkennung des Schiedsspruchs im Inland zu versagen war (§ 1061 II ZPO).
[2]1. Soweit der Senat in der mündlichen Verhandlung noch Bedenken hinsichtlich seiner Zuständigkeit erörtert hat, sind diese zwar nicht zur sog. Hilfszuständigkeit des § 1062 II ZPO, aber zur originären örtlichen Zuständigkeit durch den der ASt. nachgelassenen Schriftsatz ausgeräumt worden.
[3]Soll in gegen Drittschuldner des Vollstreckungsschuldners gerichtete Forderungen vollstreckt werden, ist für die Belegenheit dieses Vermögens des Vollstreckungsschuldners gemäß § 23 Satz 1 und 2 ZPO für Gesellschaften als Drittschuldner deren Sitz nach § 17 ZPO maßgeblich (vgl. zu § 23 ZPO: Zöller-Vollkommer, ZPO, 25, Aufl., § 23 Rz. 10; Musielak-Schmid, ZPO, 3. Aufl., § 23 Rz. 9). Das gilt entsprechend auch im Rahmen des § 1062 II ZPO. Die ASt. hat nunmehr ausgeführt, dass auch in Berlin mögliche Drittschuldner nicht nur über Niederlassungen verfügen, sondern sich auch der Gesellschaftssitz befinde ..., so dass die ASt. das KG als eines der zuständigen Gerichte anrufen konnte. Da der Umstand, dass die X-AG entsprechend der Nennung auf der Homepage der AGg. deren Kundin ist, bereits zuvor bekannt war, und diese ihren Sitz – wie nun ausdrücklich vorgetragen ist – auch in Berlin hat, war eine weitere Stellungnahme der AGg. zu dieser offenkundigen Tatsache entbehrlich, zumal die Möglichkeit, dass sich nach der Stellungnahme die Zuständigkeit des Senats ergeben könnte, entsprechend erörtert worden ist. Die Sachentscheidung (2.) benachteiligt die AGg. schließlich auch nicht.
[4]2. Die Schiedsklausel in dem Schiedsvertrag ist jedoch unwirksam, so dass gemäß § 1061 I und II ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ die Anerkennung zu versagen war.
[5]a) Es steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Volksgerichts W. vom 9.9.2004 für den Senat bindend fest, dass die vereinbarte Schiedsklausel unwirksam war. Dieses Urteil ist gemäß § 328 ZPO anzuerkennen. Die Versagungsgründe des § 328 I Nrn. 1 ff. ZPO liegen ersichtlich nicht vor und bedürfen keiner näheren Erörterung. Es ist ferner nicht davon auszugehen, dass die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist (§ 328 I Nr. 5 ZPO). Mangels internationaler Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen ist die tatsächliche Handhabung maßgeblich. Da in solchen Fällen eine Seite mit der Anerkennung beginnen müsste, bevor die andere nachziehen könnte, würde das die gegenseitige Anerkennung faktisch ausschließen, was so vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Deshalb ist, um die Entwicklung gegenseitiger Anerkennung ohne Abschluss internationaler Verträge nicht zu blockieren, darauf abzustellen, ob zu erwarten ist, dass die andere Seite nachziehen wird. Davon ist im Verhältnis zu China auszugehen. Die Gegenmeinung weist zwar insoweit auf fehlende Erfahrungen hin. Das spricht aber tatsächlich dafür, dass Ablehnungen der Anerkennung ebenso wenig bekannt geworden sind. Um der gegenseitigen Blockierung vorzubeugen, muss deshalb die Prognose genügen, dass die Anerkennung von Urteilen chinesischer Gerichte durch deutsche Gerichte auch die Anerkennung deutscher Urteile in China zur Folge hat (vgl. dazu näher Geimer-Schütze-Bülow-Böckstiegel, Der internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, V, 1027 4 – 6 [Stand: 1989]; Zöller-Geimer aaO § 328 Rz. 177 i.V.m. Anh. IV China (Volksrep); Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 63. Aufl., Anh. § 328 Rz. 3 China; a.A. Stein-Jonas-Roth, ZPO, 21. Aufl., § 328 Rz. 164). Substanzielles wird sonst nirgends ausgeführt, und es ist nicht anzunehmen, dass die einschlägigen Publikationen ablehnende chinesische Urteile übergangen haben sollten. Der Ordre-public-Vorbehalt im chinesischen Recht entspricht § 328 I (insb. Nr. 4) ZPO, so dass auch danach Zweifel an der Gegenseitigkeit nicht begründet erscheinen (vgl. Geimer-Schütze-Bülow-Böckstiegel aaO 1027 4–5).
[6]b) Aber auch unabhängig von der Bindung der rechtskräftigen Entscheidung des Volksgerichts W. vom 2.9.2004 ist davon auszugehen, dass die Schiedsklausel nach dem maßgeblichen chinesischen Recht unwirksam ist. Hierzu bedürfte es nicht der Einholung eines Gutachtens, denn es liegt bereits eine Entscheidung eines chinesischen Gerichts vor, die der Vorgabe des höchsten chinesischen Gerichts in der konkreten Sache entspricht, so dass keinerlei Veranlassung besteht, anzunehmen, chinesisches Recht sei nicht zutreffend angewandt worden. Soweit die ASt. auf einen Entwurf des Obersten Volksgerichtshofs vom 31.12.2003 verweist, ist nicht vorgetragen, dass diesem Entwurf, der zudem ohnehin keine Rückwirkung vorgesehen hätte, eine verbindliche Fassung gefolgt wäre. Dagegen spricht jedenfalls die Antwort des Obersten Volksgerichtshofs in der konkreten Streitsache vom 8.6.2004, der das Volksgericht W. gefolgt ist. Diese Rechtsauslegung erscheint keineswegs – wie die ASt. meint – offenkundig falsch, sondern ist eine gut vertretbare Möglichkeit. Nach chinesischem Recht muss – unstreitig und anders als nach deutschem Recht – auch das Schiedsgericht bereits bestimmt sein. Es lässt sich daher durchaus vertreten, dass in der Klausel selbst das Schiedsgericht, einschließlich seiner Zusammensetzung, schon bestimmt sein muss. Vorliegend ist die Entscheidung durch einen Einzelschiedsrichter vereinbart gewesen, der mangels Vereinbarung von der genannten Behörde ernannt werden sollte. Es ist aber keine Behörde im Anhang vereinbart, sondern nur mittelbar über die Erwähnung der Vorschriften der ICC die Zuständigkeit des internationalen Schiedsgerichts mit Benennung des (vereinbarten) Einzelschiedsrichters durch dieses.
[7]c) Soweit die ASt. – insoweit schon nicht dem Zweck der eingeräumten Frist entsprechend und damit an sich unbeachtlich – die Aussetzung beantragt hat, war diesem Antrag nicht stattzugeben. Die Entscheidung über den Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs vor dem Volksgericht W. vermag die Aussetzung nicht zu rechtfertigen. Der maßgebliche Art. VI UNÜ sieht deswegen eine Aussetzung nicht vor, was sich daraus erklärt, dass eine solche Entscheidung im Rahmen des Art. V UNÜ unerheblich ist. Jedenfalls wird dieses Verfahren nicht fortgeführt. Die ASt., der es offensichtlich schwerfällt, sich mit der rechtskräftigen Entscheidung abzufinden, hat schon nicht vorgetragen, dass nach Annahme des Antrags einen Tag vor Verkündung des hier maßgeblichen Urteils des Volksgerichts W. das Verfahren nun überhaupt weiter betrieben wird. Andernfalls hätte sie dann nämlich vortragen können müssen, wie sich das Volksgericht W. zur Bindung seines Urteils vom 2.9.2004 erklärt hätte.