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Verfahrensgang

OLG Stuttgart, Beschl. vom 04.08.2005 – 17 WF 116/05, IPRspr 2005-58

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Scheidung, Trennung

Leitsatz

Bei einem Scheidungsantrag der Ehefrau ist gemäß Art. 17 I 2 EGBGB deutsches Recht nur dann anwendbar, wenn nach dem an sich gemäß Art. 17 I 1, 14 I Nr. 2 EGBGB berufenen ausländischen (hier: griechischen) Recht die Ehe überhaupt nicht oder nicht in absehbarer Zeit geschieden werden kann. Dafür reicht es jedoch nicht aus, dass eine Scheidung nach griechischem Recht aufgrund einer längeren einzuhaltenden Trennungfrist von vier Jahren derzeit nicht möglich ist.

Rechtsnormen

BGB § 1566
EGBGB Art. 14; EGBGB Art. 17

Sachverhalt

Die ASt. ist Deutsche und begehrt die Ehescheidung von ihrem griechischen Ehegatten, mit dem sie zunächst gemeinsam in Griechenland lebte.

Die Vorinstanz hatte unter Anwendung griechischen Rechts eine Ehscheidung mangels Einhaltung der vierjährigen Trennungsfrist mit Beschluss vom 6.7.2005 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Gegenvostellung der ASt. ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Entgegen der Auffassung der ASt. kommt eine (regelwidrige) Anwendung deutschen Scheidungsrechts nach Art. 17 I 2 EGBGB nicht in Betracht. Dies setzt voraus, dass nach dem gemäß Art. 17 I 1 i.V.m. Art. 14 EGBGB zur Anwendung berufenen ausländischen Scheidungsrecht die Ehe nicht geschieden werden könnte und die ASt. Deutsche ist oder bei der Eheschließung war. Letzteres ist zwar gegeben, die erste Voraussetzung aber nicht. Denn auch bei Anwendung griechischen Rechts, dem die Scheidung nach Art. 17 I 1, 14 I Nr. 2 EGBGB unterliegt, könnte die Ehe geschieden werden, wenn auch unter Voraussetzungen, die jetzt nicht vorliegen.

[2]Der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung, dass deutsches Recht nach Art. 17 I 2 EGBGB [nicht nur bereits] dann zur Anwendung kommt, wenn die Ehe andernfalls überhaupt nicht bzw. in absehbarer Zeit nicht geschieden werden könnte, sondern bereits dann, wenn eine Scheidung derzeit nicht möglich ist, schließt sich der Senat nicht an (vgl. ebenso OLG Hamm, Urt. vom 20.11.2003, FamRZ 2004, 954 (IPRspr. 2003 Nr. 74)). Sie lässt sich schon mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbaren. Es ist nicht erkennbar, dass die Regelung den deutschen Ehepartner vor jedweder vom deutschen Scheidungsrecht abweichenden ausländischen Regelung schützen soll. Sie ist nach Auffassung des Senats vielmehr dahin zu verstehen, dass der Anwendung ausländischen Scheidungsrechts dort Schranken gesetzt werden sollen, wo dieses dem deutschen Staatsbürger nach den Prinzipien unserer Rechtsordnung unter Beachtung der Grundrechte unzumutbare Einschränkungen auferlegt. Soweit das ausländische Recht die Scheidung demnach nicht an Voraussetzungen knüpft, die eine Scheidung für den jeweiligen Antragsteller unmöglich machen (vgl. OLG Köln, Beschl. vom 9.11.1995, FamRZ 1996, 946 (IPRspr. 1995 Nr. 77)) oder inhaltlich für ein erfolgreiches Scheidungsbegehren weitaus strenger sind als das deutsche Recht oder Trennungsfristen fordert, die einem faktischen Ausschluss der Scheidung gleichkommen, ist das ausländische Recht daher grundsätzlich zu respektieren.

[3]Erschwernisse solchen Gewichts sind hier nicht gegeben. Zwar ist die erforderliche Trennungsfrist nach griechischem Recht mit vier Jahren länger als die Trennungsfristen nach deutschem Recht, das längstens Trennungsfristen von bis zu drei Jahren (§ 1566 II BGB) vorsieht. Darin liegt aber nach Auffassung des Senats derzeit keine Einschränkung, die von der ASt. – auch unter Beachtung ihres Persönlichkeitsrechts – nicht mehr hinzunehmen wäre.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2006, 43

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2005-58

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