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Verfahrensgang

OLG München, Urt. vom 26.07.2005 – 4 UF 433/04, IPRspr 2005-46

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Güterrecht

Leitsatz

Die güterrechtlichen Ausgleichsansprüche zwischen der bei der Eheschließung ausländischen (hier: ägyptischen) Ehefrau und ihrem deutschen Ehemann richten sich gemäß Art. 14 I Nr. 2 in Verbindung mit Art. 15 I EGBGB nach deutschem Recht, da beide Parteien im Zeitpunkt der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten.

Der Anwendbarkeit deutschen Rechts steht mithin keine Rechtswahl der Parteien gemäß Art. 15 II EGBGB entgegen. Mit der Vereinbarung einer Morgengabe bei einer islamischen Trauung wird nämlich nur einer im Islam verbreiteten Vorstellung Rechnung getragen, ohne dass damit zugleich eine ausschließliche Unterstellung gerade unter das Recht des Staats der Eheschließung (hier: Ägypten) verbunden ist. Sie hat insbesondere symbolische Bedeutung, um den islamischen Gepflogenheiten zu entsprechen.

Der Übertritt des Ehemanns zum islamischen Glauben rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl ägyptischen Güterrechts.

Rechtsnormen

25/1929 PStG (Ägypten) Art. 11; 25/1929 PStG (Ägypten) Art. 12; 25/1929 PStG (Ägypten) Art. 17
BGB § 119; BGB § 125; BGB § 313; BGB § 1378; BGB § 1408; BGB § 1410
EGBGB Art. 14; EGBGB Art. 15; EGBGB Art. 220
ZPO § 621

Sachverhalt

Der Rechtsstreit betrifft die güterrechtliche Auseinandersetzung der Parteien.

Die Parteien haben am 8.1.1986 vor dem Standesamt in Kairo/Ägypten die Ehe geschlossen. Die Kl. war bei Schließung der Ehe ägyptische, der Bekl. deutscher Staatsangehöriger. Die Parteien sind rechtskräftig geschieden.

Am 10.11.1998 haben die Parteien einen notariellen Ehevertrag geschlossen.

Mit Endurteil vom 26.10.2004 hat das AG den Bekl. verurteilt, an die Kl. 515 100,91 Euro zzgl. 5% Zinsen über den Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage (Klageantrag 519 092 Euro) abgewiesen. Mit Berufung beantragt der Bekl., das Urteil des AG Landsberg a.L. vom 26.10.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen, allerdings ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Das AG hat den Bekl. zu Recht verurteilt, an die Kl. 515 100,91 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsvorbringen des Bekl. verhilft ihm nicht zum Erfolg. Die Kl. hat einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns (§ 1378 I BGB). Dieser Ausgleichsanspruch der Kl. ist durch den von den Parteien geschlossenen notariellen Ehevertrag vom 10.11.1998 hinsichtlich des Stichtags zur Berechnung der Ausgleichsforderung (10.11.1998) und zur Höhe der Ausgleichsforderung näher geregelt.

[2]1. Der Bekl. rügt zu Unrecht die Unzuständigkeit des FamG.

[3]a) Die internationale Zuständigkeit des AG – Familiengericht – Landsberg am Lech ist gegeben, weil der Bekl. seinen Gerichtssitz im Zuständigkeitsbereich dieses AG hat (BGH, FamRZ 1987, 463) (IPRspr. 1987 Nr. 48). Sie wird vom Bekl. auch nicht in Frage gestellt.

[4]b) Ungeachtet dessen, dass die Kl. einen Anspruch auf Zugewinnausgleich sowie aus der von den Parteien selbst mit ‚Ehevertrag’ überschriebenen Vereinbarung geltend macht (§ 621 l Nr. 8 ZPO), ist dem Berufungsgericht die Prüfung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts untersagt (§ 513 II ZPO; Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 513 Rz. 3).

[5]2. Das AG hat die güterrechtlichen Wirkungen der von den Parteien in Kairo geschlossenen Ehe zu Recht nach deutschem Recht beurteilt. Denn die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe unterliegen dem bei Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgeblichen Recht (Art. 15 l, 220 III 5 EGBGB, Palandt-Heldrich, BGB, 64. Aufl., Art. 15 EGBGB Rz. 15). Dies ist das deutsche Recht.

[6]a) Beide Parteien hatten im Zeitpunkt der Eheschließung unbestritten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (Art. 14 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 EGBGB). Die Parteien sind nur zum Zwecke der Eheschließung nach Kairo gereist, in der Absicht, in Deutschland zu leben. Beide Parteien hatten schon vor der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und sind nach der Eheschließung nach Deutschland gezogen. Die Parteien haben dies im notariellen Ehevertrag vom 10.11.1998 (III/I) klargestellt.

[7]b) Die Parteien haben entgegen der Auffassung des Bekl. bei ihrer Eheschließung keine Rechtswahl für die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe beschlossen (Art. 15 II EGBGB).

[8]aa) Der Bekl.meint zu Unrecht, die Vereinbarung einer Morgengabe bzw. eines Brautgelds von 5000 250 ägyptischen Pfund, wovon 250 im Voraus bezahlt worden sind und 5 000 bei Ehescheidung oder Tod fällig sind (vgl. Heiratsurkunde vom 8.1.1986), führe zu einer Rechtswahl nach Art. 15 II Nr. 1 EGBGB. Durch die Vereinbarung einer Brautgabe haben die Parteien das Güterrecht nicht dem Heimatrecht der Kl. unterstellt (BGH, FamRZ 1987, 463 (IPRspr. 1987 Nr. 48); OLG Frankfurt, FamRZ 1996, 1478 (IPRspr. 1996 Nr. 69); OLG Hamburg, FamRZ 2004, 459 (IPRspr. 2003 Nr. 67); OLG Hamm, FamRZ 1981, 875 (IPRspr. 1981 Nr. 60)). Mit der Vereinbarung einer Morgengabe bei einer islamischen Trauung wird nämlich nur einer allgemein, d.h. länderübergreifend, im Islam verbreiteten Vorstellung Rechnung getragen, ohne dass damit zugleich eine ausschließliche Unterstellung gerade unter das Recht des Staats der Eheschließung, also Ägypten, verbunden ist. Die Vereinbarung einer Morgengabe bzw. eines Brautgelds hat, wenn man ihr überhaupt güterrechtlichen Charakter beimisst, v.a. eherechtliche, unterhaltsrechtliche oder erbrechtliche Bedeutung. Sie hat insbesondere symbolische Bedeutung, um den islamischen Gepflogenheiten zu entsprechen (OLG Hamm aaO). Die Eheschließung nach ägyptischen Recht gibt der Kl. das Recht auf die übliche Morgengabe (Art. 11, 12 II, 17 ägyptisches Gesetzbuch über das Personenrecht und die Erbfolge nach dem hanifitischen Ritus – ägyptisches Gesetz). Die Vereinbarung einer Morgengabe ist keine güterrechtliche Regelung (7. Kap. ägyptisches Gesetz). Vermögensrechte werden durch die Eheschließung nicht berührt (Bergmann-Ferid-Henrich, Das Internationale Ehe- und Kindschaftsrecht, Ägypten S. 43).

[9]bb) Der Übertritt des Bekl. zum Islam in Verbindung mit der Eheschließung in Ägypten rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch wenn eine güterrechtliche Rechtswahl nach ägyptischem Recht keiner Formvorschrift unterliegt und somit auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden kann, setzt eine güterrechtliche Rechtswahl nach Art. 15 II EGBGB voraus, dass die Parteien bei Eheschließung das Güterrecht bewusst ... dem ägyptischen Recht unterstellen wollten und dem Verhalten der Parteien der eindeutige Wille (BGH, WM 1982, 1249 (IPRspr. 1982 Nr. 1); NJW-RR 1988, 76) auf die bestimmte Rechtsfolgenwahl des ägyptischen Güterrechts zu entnehmen ist. Hierfür fehlen zureichende Anhaltspunkte. Weder der erklärte Wille der Parteien, noch das Verhalten der Parteien bei Eheschließung lässt erkennen, dass die Parteien bei Eheschließung sich dem ägyptischen Güterrecht unterwerfen wollten. Der Heiratsurkunde lassen sich über die Vereinbarung eines Brautgelds hinaus keine Hinweise für eine güterrechtliche Regelung der Parteien entnehmen. Die Kl. trägt vor, dass der Bekl. aus Respekt vor der Religion der Kl. zum Islam übergetreten sei. Gegen eine bewusst vorgenommene Wahl des ägyptischen Güterrechts spricht, dass die Parteien von Anfang der Ehe an nicht in Ägypten, sondern in Deutschland leben wollten. Der Übertritt zum Islam bedeutet angesichts der vielfältigen staatlichen Rechtsordnungen der islamischen Welt nicht die Wahl gerade des ägyptischen Rechts. Nach Lage des Falls sind die Parteien bei ihrer Eheschließung allenfalls schlüssig von der Anwendung des deutschen Rechts ausgegangen. Der Bekl. war bei Eheschließung deutscher Staatsangehöriger. Die Parteien haben ihren Willen, in Deutschland zu leben, umgesetzt. Sie haben ihre Rechtsbeziehungen ersichtlich dem deutschen Recht unterstellen wollen. Bezeichnenderweise haben die Parteien noch 1998 einen notariellen Ehevertrag nach deutschem Recht geschlossen und sind dabei trotz Belehrung des Notars von einer Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht ausgegangen. Auch das Prozessverhalten des Bekl. bestätigt, dass er von der Geltung des deutschen Güterrechts ausgegangen ist. In seinen Schriftsätzen vom 3.12.2002, vom 5.2.2003 und vom 18.3.2003 bezweifelt er die Anwendung des deutschen Güterrechts nicht, sondern weist ausdrücklich darauf hin, dass ein wirksamer Ehevertrag abgeschlossen worden sei. Im Termin vom 4.4.2003 vor dem AG hat der Bekl. erklärt, dass seine Konvertierung vom Protestantismus zum sunnitisch-islamischen Glaubensbekenntnis nicht wirksam sei, weil er keinen Islamunterricht gehabt habe und bereits einmal verheiratet gewesen und geschieden sei und dies gegenüber dem Standesbeamten verschwiegen habe.

[10]cc) Entgegen der Auffassung des Bekl. ist es ohne Belang, ob die Kl. im Verlauf der Ehe die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, ohne ihre ägyptische Staatsangehörigkeit abzugeben. Zum Zeitpunkt der Eheschließung, also dem Zeitpunkt der vom Bekl. behaupteten Rechtswahl, ist die Staatsangehörigkeit der Parteien unstrittig.

[11]dd) Eine abweichende Beurteilung folgt auch nicht aus dem Vortrag des Bekl., der Ehevertrag sei zur Sicherung des Familienvermögens geschlossen worden, um den Zugriff möglicher Gläubiger des Bekl. auf dessen Vermögen zu verhindern. Dieser Zweck setzt eine wirksame Vereinbarung der Parteien gerade voraus.

[12]ee) Der vom Bekl. unter Bezugnahme auf Stellungnahmen von Prof. Dr. Dilger vom 17.6.2003 bzw. vom 21.10./6.11.2003 beantragten Erholung eines Sachverständigengutachtens zur Anwendung des ausländischen Güterrechts bedarf es nicht. Die Vereinbarung einer Morgengabe reicht auch nach dieser Stellungnahme nicht aus, um von einer Rechtswahl nach Art. 15 II EGBGB ausgehen zu können (vgl. aa] m.w.N.). Der Bekl. meint zu Unrecht, er habe sich mit seiner Konversion zum Islam dem islamischen Güterrecht unterworfen. Allein der Übertritt zum Islam rechtfertigt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht die Annahme einer güterrechtlichen Rechtswahl. Auch im vom BGH entschiedenen Fall (FamRZ 1987, 463) (IPRspr. 1987 Nr. 48) war die Kl. Muslimin und der Bekl. ein deutscher Staatsangehöriger, der vor der Trauung nach islamischen Ritus zum Islam übergetreten war. Eine Rechtswahl nach Art. 15 II EGBGB aufgrund schlüssigen Verhaltens kann nicht festgestellt werden [vgl. bb)]. Gegen eine Rechtswahl spricht auch, dass sich der Bekl. darauf berufen hat, nicht wirksam zum Islam übergetreten zu sein.

[13]3. Der notarielle Ehevertrag vom 10.11.1998 ist wirksam (§§ 1408, 1410 BGB).

[14]a) Der Bekl. meint zu Unrecht, es läge ein gemeinschaftlicher Irrtum vor, weil beide Parteien bei Abschluss des Ehevertrags irrtümlich davon ausgegangen seien, ihre güterrechtlichen Beziehungen seien nach deutschem Recht zu beurteilen. Der Bekl. kann sich jedoch nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen (§ 313 II BGB), weil die Parteien dem Ehevertrag zutreffend deutsches Güterrecht zugrunde gelegt haben (vgl. 2.) und im Ehevertrag vom 10.11.1998 ausdrücklich davon ausgegangen sind, dass für ihre Ehe der Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht gilt. Ausdrücklich haben die Parteien trotz Belehrung des Notars zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts [darauf] verzichtet, ein Sachverständigengutachten zu erholen (III. Abs. 2 des Ehevertrags). Die Parteien haben durch diese Vereinbarung eventuelle Unklarheiten über das anzuwendende Recht beseitigen wollen und damit zum Ausdruck gebracht, dass der Kl. die ihr im Vertrag eingeräumten Rechte zustehen sollen, ohne dass die Geltung des deutschen Güterrechts in Frage gestellt werden kann.

[15]b) Der Bekl. kann den Ehevertrag nicht wegen Irrtums anfechten (§ 119 BGB), weil der Bekl. bei Abschluss des Ehevertrags keinem Irrtum erlegen ist. Die Frage des auf das Güterrecht der Parteien anzuwendende Recht war ausdrücklicher Gegenstand der Belehrung des Notars (III. Abs. 2 des Ehevertrags). Im Übrigen haben die Parteien der Rechtslage entsprechend dem Ehevertrag deutsches Recht zugrunde gelegt (vgl. 2.).

[16]c) Der Bekl. meint zu Unrecht, der Ehevertrag sei nicht wirksam. Grundlage des Ehevertrags sei gewesen, dass die Ehe der Parteien nach Abschluss des Ehevertrags noch 15 Jahre andauere. Diese vom Bekl. behauptete Grundlage des Ehevertrags findet im Ehevertrag selbst keinen Anhalt. Als behauptete Nebenabrede zu einem Ehevertrag genügt sie nicht den Formerfordernissen (§§ 125, 1410 BGB; Palandt-Brudermüller aaO § 1410 Rz. 3).

[17]4. Der Kl. stehen zum Stichtag (10.11.1998) aus dem Ehevertrag ein Anspruch auf Zugewinnausgleich in Höhe von zumindest 383 468,91 Euro (750 000 DM) sowie eine weitere Ausgleichsforderung in Höhe von 138 048,81 Euro (= 270 000 DM) zu.

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