Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für ein selbständiges Sorgerechtsverfahren ergibt sich aufgrund des Ausschlusstatbestands des Art. 1 I lit. b nicht aus der EheGVO, so dass es bei der durch Art. 1 MSA begründeten ausschließlichen Zuständigkeit des Staats verbleibt, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Zieht der Elternteil, dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht (hier: im Wege der einstweiligen Anordnung) übertragen worden ist, mit dem Kind in einen anderen Vertragsstaat des Minderjährigenschutzabkommen (hier: die Niederlande), hat das Kind nach sechs Monaten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Art. 1 MSA nunmehr in diesem Vertragsstaat begründet.
§ 261 III Nr. 2 ZPO ist im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit weder direkt noch entsprechend anwendbar. Daher kann aus dem Umstand, dass sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bei der Einleitung des Sorgerechtsverfahrens in Deutschland befunden hat, keine Fortsetzung der Zuständigkeit nach Wechsel des Aufenthaltsorts hergeleitet werden.
Aus der Ehe der Parteien sind drei am 3.11.1992, am 16.9.1995, und am 19.7.1998 geborene Kinder hervorgegangen. Die Parteien leben seit März 2003 getrennt. Mit Schreiben vom 18.7.2003 hat die ASt. beantragt, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zu übertragen. Im Termin am 30.7.2003 begehrten die Parteien wechselseitig sowohl in der Hauptsache als auch im Wege einer einstweiligen Anordnung die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder. Mit Beschluss vom 4.8.2003 übertrug das AG Bad Schwalbach im Wege der einstweiligen Anordnung der ASt. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder. Anfang September 2003 verzog die ASt. mit den Kindern in die Niederlande. In der Folgezeit wurde in den Niederlanden ein Scheidungsverfahren anhängig gemacht. Mit Beschluss vom 19.7.2004 hat das AG Bad Schwalbach das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder auf die ASt. übertragen und damit auch den Antrag des AGg., ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat der AGg. Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde hat nur insoweit Erfolg, soweit der AGg. die Aufhebung des Beschlusses vom 19.7.2004 begehrt. Soweit der AGg. die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sich begehrt, ist die Beschwerde erfolglos.
[1]Am 19.7.2004 fehlte es an der internationalen Zuständigkeit. Diese ist auch noch in der Beschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 24. Aufl., Einl. Rz. 94), so dass der Senat nicht darüber entscheiden konnte, auf wen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder zu übertragen ist.
[2]Nach Art. 1 MSA war bereits am 19.7.2004 für die begehrte Sorgerechtsentscheidung die internationalen Zuständigkeit der Gerichte in den Niederlanden begründet. Nach Art. 1 MSA sind die Gerichte oder Verwaltungsbehörden des Staats dafür zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens eines Minderjährigen zu treffen, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die gemeinsamen Kinder der Parteien haben spätestens seit März 2004 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden. Im September 2003 zog die ASt. mit den Kindern in die Niederlande, und nach sechs Monaten ist davon auszugehen, dass die Kinder ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt in den Niederlanden begründet haben. Der Aufenthaltswechsel erfolgte auch nicht rechtswidrig. Der ASt. wurde mit Beschluss des AG Bad Schwalbach vom 4.8.2003 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder im Wege der einstweiligen Anordnung übertragen. Dieser Beschluss wurde vom AGg. auch nie angefochten. Nach Art. 5 I MSA gilt diese Übertragung auch solange, bis die nunmehr zuständigen Gerichte in den Niederlanden eine anderweitige Entscheidung treffen. Da eine solche nicht bekannt ist, ist die ASt. nach wie vor berechtigt, den Aufenthalt der Kinder allein zu bestimmen.
[3]Die Entscheidung über den hier im Streit stehenden Teil der elterlichen Sorge gehört auch zu den Schutzmaßnahmen im Sinne des Art. 1 MSA (vgl. BGH, FamRZ 2002, 1182 (IPRspr. 2002 Nr. 100)).
[4]Entgegen den Ausführungen des AG Bad Schwalbach im Beschluss vom 19.7.2004 ergibt sich eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gericht nicht aus der EheGVO. Nach Art. 1 I lit. b gilt diese Verordnung nur für Sorgerechtsverfahren, die gemeinsam mit einer Ehesache betrieben werden. Für selbstständige Sorgerechtsverfahren – wie den vorliegenden – gilt die Verordnung nicht, so dass es bei der durch Art. 1 MSA begründeten ausschließlichen Zuständigkeit des Staats verbleibt, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
[5]Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die ASt. mit den Kindern bei Einleitung des Sorgerechtsverfahrens im Juli 2003 noch in Deutschland lebte. § 261 III Nr. 2 ZPO ist auf die internationale Zuständigkeit für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit weder direkt noch entsprechend anwendbar (vgl. BGH aaO).
[6]Eine Verweisung des Verfahrens kam auch nicht in Betracht, da dies zumindest zur Zeit nur innerhalb von Deutschland möglich ist.
[7]Da es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte fehlt, war der Antrag des AGg. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unzulässig zurückzuweisen.
[8]Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 13a I Satz 2 FGG, 131 III KostO. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 12 II Satz 3, 14 GKG, 8 III BRAGO.
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