PDF-Version

Verfahrensgang

OLG München, Beschl. vom 28.11.2005 – 34 Sch 019/05, IPRspr 2005-190

Rechtsgebiete

Schiedsgerichtsbarkeit

Leitsatz

Ist im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen (hier: englischen) Schiedsspruchs eine Partei nicht eindeutig bezeichnet, kann der Schiedsspruch noch bei Vollstreckbarerklärung klarstellend gefasst werden, wenn sich aus den beigelegten Unterlagen ergibt, dass der Antragsgegner nicht der Geschäftsführer des Unternehmens, sondern das Unternehmen selbst sein soll.

Rechtsnormen

GZVJu-Bay § 8
UNÜ Art. IV; UNÜ Art. V; UNÜ Art. VII
ZPO § 138; ZPO § 1025; ZPO § 1059; ZPO § 1060; ZPO § 1061; ZPO § 1062; ZPO § 1064

Sachverhalt

Die AGg., ein in Bayern ansässiger Malereibetrieb in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, beauftragte die ASt., ein in Großbritannien ansässiges Bauunternehmen, Anfang September 2003, in G. M. V., Großbritannien, an Außenmauern bestimmter Gebäude Verputzarbeiten durchzuführen. Im Verlauf der Arbeiten kam es zum Streit über deren Qualität und den richtigen Aufrechnungsmaßstab. Die AGg. verweigerte die Bezahlung der abgerechneten Leistungen und machte im Gegenzug für Nachbesserungsarbeiten Ersatzansprüche geltend. Am 15.12.2003 trafen die Parteien eine schriftliche Schiedsabrede.

Am 23.1.2004 erließ der von den Parteien bestellte Einzelschiedsrichter einen Schiedsspruch, in dem er verfügte, dass die als W. W. bezeichete Partei die volle Zahlung der Rechnung der S. C. Ltd. in Höhe von 5 600 Pfund zu leisten habe.

Die ASt. hatte zunächst beim BayObLG beantragt, den Schiedsspruch gegen W. W. (Geschäftsführer der Komplementär-GmbH) für vollstreckbar zu erklären (4Z Seh 026/04). Diesen Antrag hat sie unter dem 31.3.2005 zurückgenommen.

Die ASt. beantragt nunmehr, den Schiedsspruch gegen die Firma W. W. Malereibetrieb GmbH & Co. KG für vollstreckbar zu erklären.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Für den Antrag, den Schiedsspruch vom 23.1.2004 für vollstreckbar zu erklären, ist das OLG München zuständig (§§ 1025 IV, § 1062 II und V ZPO i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004, BayGVBI. 471). Die AGg. hat ihren Sitz in R. (Oberbayern). Maßgeblich für die Anerkennung des in Großbritannien ergangenen Schiedsspruchs ist das UNÜ (vgl. § 1061 I 1 ZPO).

[2]1. Der Antrag ist zulässig (§§ 1025 IV, 1061 I 1, 1064 I 1, III ZPO). Der Schiedsspruch wurde in Urschrift vorgelegt. Die ASt. hat auch die von einem Büro in Großbritannien gefertigte deutsche Übersetzung einer ‚qualifizierten Übersetzerin’ vorgelegt. Soweit Art. IV UNÜ weitergehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UNÜ das Günstigkeitsprinzip (BGH, NJW-RR 2004, 1504) (IPRspr. 2003 Nr. 281). Das nationale Recht ist in § 1064 I i.V.m. III ZPO anerkennungsfreundlicher und geht demnach vor (Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl., Anh. § 1061 Art. IV UNÜ Rz. 1).

[3]2. Der seiner Qualität nach abschließende und endgültige Schiedsspruch ist zwischen der ASt. als Schiedsklägerin und der AGg. als Schiedsbeklagter ergangen. Zwar bezeichnet die Schiedsentscheidung die Beklagtenpartei durchgängig als \linebreak ‚W. W.’, was dazu führte, dass die ASt. zunächst ihren Antrag auf Vollstreckbarerklärung gegen die natürliche Person ‚W. W.’, den Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der AGg., richtete. Gegenstand des Schiedsspruchs ist jedoch ein unternehmensbezogenes Geschäft (siehe Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 164 Rz. 2). Der Schiedsspruch selbst bezeichnet unter Rz. 1 ‚W. W.’ als Bauunternehmen (firm of contractors). Der zugrunde liegende Bauvertrag weist als ‚client’ die AGg. aus. Ebenso verhält es sich mit der gesondert abgeschlossenen Schiedsvereinbarung vom 15.12.2003, deren ‚parties’ die ASt. und die AGg. sind. Dies bestätigend hat der verantwortliche Schiedsrichter auf Veranlassung der ASt. am 8.4.2005 noch erklärt, dass in seiner Entscheidung alle Hinweise auf ‚W. W.’ tatsächliche Hinweise auf das Unternehmen (die GmbH & Co. KG) und nicht auf eine Einzelperson mit dem Namen ‚W. W.’ seien. Die AGg. hat dies im Anerkennungsverfahren nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil lautete die in dem früheren beim BayObLG anhängig gewesenen Verfahren gegen den Geschäftsführer ihrer Komplementärin gegebene Einlassung dahin, dass Vertragspartner des Werkvertrags wie der Schiedsvereinbarung stets nur die AGg. gewesen sei; der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH habe die Vereinbarung nicht in eigenem Namen, sondern für das Unternehmen abgeschlossen. Aus den von der AGg. eingereichten Unterlagen ergibt sich weiter, dass sie selbst einen unstreitigen Teil der Forderung beglichen hat. Aus alledem schließt der Senat, dass das Schiedsverfahren tatsächlich unter den Parteien des Anerkennungsverfahrens geführt und auch der Schiedsspruch die AGg. zur Leistung verpflichtet hat, während es sich bei deren Bezeichnung im schriftlichen Schiedsspruch selbst nur um eine unvollständige und mehrdeutige Bezeichnung handelt. Der englische Schiedsspruch ist jedoch hinsichtlich der Person der AGg. unzweifelhaft und eindeutig bestimmbar; er kann vom Senat im Rahmen der Vollstreckbarerklärung klarstellend gefasst werden (vgl. dazu Musielak-Voit, ZPO, 4. Aufl., § 1058 Rz. 10; § 1060 Rz. 14; § 1063 Rz. 8; Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 28 Rz. 7).

[4]3. Die Vollstreckbarerklärung ist in dem Umfang, wie zuletzt beantragt, auszusprechen, weil Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen (Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UNÜ, § 1061 II ZPO), nicht vorliegen.

[5]a) Versagungsgründe nach Art. V Abs. 1 UNÜ sind nicht vorgebracht, geschweige denn nachgewiesen.

[6]b) Der Vollstreckbarerklärung steht auch Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ (ordre public) nicht entgegen. Danach ist die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen, wenn das Gericht feststellt, dass die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würde (vgl. auch § 1060 II 1 ZPO i.V.m. § 1059 II Nr. 2 lit. b ZPO).

[7]Gegen den ordre public verstößt ein Schiedsspruch dann, wenn er eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens regelt oder wenn er mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (BGHZ 39, 173/176 (IPRspr. 1962–1963 Nr. 60); 48, 327 (IPRspr. 1966–1967 Nr. 251); Schwab-Walter aaO Kap. 30 Rz. 21). Auch die grundlegenden Prinzipien des Verfahrensrechts sind Bestandteil des deutschen ordre public. Dazu gehört als besondere Ausprägung eines fairen Verfahrens der Anspruch auf rechtliches Gehör (Schwab-Walter Rz. 25; Musielak-Voit aaO § 1061 Rz. 24 und 26), dessen Gewährung nach den Grundsätzen des deutschen Rechts zu prüfen ist (vgl. auch BGHZ 96, 40/48 f. (IPRspr. 1985 Nr. 200)). Maßgeblich ist, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des ausländischen Gesetzes vom Standpunkt des deutschen ordre public zu missbilligen ist (BGHZ 48, 327/333) (IPRspr. 1966–1967 Nr. 251).

[8]Ein solcher Verstoß des Schiedsgerichts liegt nicht vor.

[9](1) Die AGg. hat nicht bewiesen, dass die fragliche E-Mail vom 14.1.2004 dem Schiedsrichter nicht vor seinem Schiedsspruch zur Kenntnis gelangt ist. Dies erscheint auch unwahrscheinlich, weil offenbar als Anlage dazu das ‚Statement’ übermittelt wurde, das im Schiedsspruch (Rz. 5) ausdrücklich Erwähnung findet.

[10](2) Auch dass sich das Schiedsgericht nicht ausdrücklich mit dem Vorbringen in der E-mail vom 14.1.2004 auseinandergesetzt, sondern das von der Schiedsklägerin mit 1 000 qm bezeichnete Aufmaß als unbestritten bestätigt hat, begründet keinen Verstoß gegen den ordre public.

[11]Zu diesen Maßangaben der Schiedsklägerin hat die AGg. dort nur erklärt, dass in dem Vertrag keine Gesamtquadratmeterzahl erwähnt war und die Fläche des ersten Bauabschnitts ca. 150 qm umfasst habe. Im Übrigen hat sich die AGg. noch dahin eingelassen, keine Möglichkeit zu besitzen, den Umfang der gesamten Arbeiten mangels Aufmaßes zutreffend einzuschätzen. Einen solchen Vortrag nicht als ein Bestreiten zu bewerten verstößt nicht gegen unverzichtbare Grundsätze des rechtlichen Gehörs. Denn schon nach deutschem Verfahrensrecht können unter bestimmten Voraussetzungen Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden angesehen werden (§ 138 III ZPO). Ob das Schiedsgericht die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten (Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 27. Aufl., § 138 Rz. 16) überspannt hat, kann auf sich beruhen. Denn ein derartiger Fehler berührt die Anerkennungsfähigkeit nicht.

[12]c) Soweit der Schiedsspruch neben dem Hauptsachebetrag auch ‚MWSt. in Übereinstimmung mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen’ zuerkennt, kann die Frage der Bestimmtheit (oder Bestimmbarkeit) auf sich beruhen. Denn die Frage, ob ein Schiedsspruch eine vollstreckungsfähige Verurteilung enthält, bleibt im Vollstreckbarerklärungsverfahren regelmäßig offen und ist erst im Verfahren auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu prüfen (BayObLG, BB 1999, 1948 m.w.N.; ebenso OLG München, Beschl. vom 7.9.2005 – 34 Seh 021/05).

[13]d) Für vollstreckbar zu erklären ist der tatsächliche Leistungsausspruch in seiner konkreten Form, wie ihn das Schiedsgericht getroffen hat. Deshalb findet eine Umrechnung einer in ihm verlautbarten ausländischen Währung in Euro nicht statt (siehe auch Senat, Beschl. vom 4.7.2005, 34 Wx 009/05).

Fundstellen

LS und Gründe

SchiedsVZ, 2006, 111

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2005-190

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
<% if Mpi.live? %> <% end %>