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Verfahrensgang

OLG Hamm, Beschl. vom 26.04.2005 – 29 W 18/04, IPRspr 2005-167

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Unterhaltssachen
Anerkennung und Vollstreckung → Vermögensrechtliche Angelegenheiten

Leitsatz

Die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen (hier: polnischen) Versäumnisurteils über die Feststellung der Vaterschaft und die Zahlung von Unterhalt scheidet aufgrund eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public gemäß § 328 I Nr. 4 ZPO aus, weil die Statusfeststellung auf unzureichender sachlicher Grundlage getroffen worden ist (hier: Mitteilung in der Klageschrift, dass die Vaterschaft bestritten werde, und Nichterscheinen der Kindesmutter zu Gerichtsterminen) und dem Antragsgegner nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt wurde.

Rechtsnormen

AVAG § 8
HUntÜ 2007 Art. 5
LugÜ Art. 27
ZPO § 328

Sachverhalt

Der AGg. wehrt sich gegen die Vollstreckbarerklärung eines Versäumnisurteils eines polnischen Gerichts, mit dem seine Vaterschaft festgestellt und er zur Zahlung von Unterhalt für die ASt. verurteilt worden ist.

Dem polnischen Urteil liegt eine Klage namens der Mutter der ASt. vom 30.6.2000 zugrunde, in dem sie die Vaterschaft des AGg. behauptet, zugleich aber angegeben hat, dass dieser die Vaterschaft bestreitet. Diese Klage wurde dem AGg. am 17.8.2000 zugestellt. Am 7.12.2000 fand vor dem Amtsgericht Kwidzyn eine mündliche Verhandlung statt, zu der niemand erschien, so dass das Verfahren vorläufig eingestellt wurde. Mit Beschluss des Amtsgerichts Kwidzyn vom 11.1.2001 wurde für die ASt. Frau T. als gesetzliche Vertreterin bestellt. Im Jahre 2002 wurde das Verfahren wieder aufgenommen; am 12.11.2002 fand eine mündliche Verhandlung statt, zu der der AGg. durch Niederlegung zur Gerichtsakte geladen wurde und zu der nur Frau T. erschien. Das AG hat daraufhin das vorliegende Versäumnisurteil erlassen, dessen Vollstreckbarerklärung im Ausspruch zum Unterhalt die gesetzliche Vertreterin des Kindes mit Unterstützung des Bundesverwaltungsamts begehrt.

Das LG hat dem Antrag stattgegeben. Dagegen richtet sich die erfolgreiche Beschwerde des AGg.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die Entscheidung des LG ist schon deshalb fehlerhaft, weil sie die Frage der Anerkennung des Urteils im Ausspruch zur Vaterschaftsfeststellung ungeprüft gelassen hat (vgl. Senat, FamRZ 2004, 719 (IPRspr. 2003 Nr. 190); Geimer, IPRax 2004, 419). Dazu bestand schon deshalb Anlass, weil die Vaterschaft im Wege des Versäumnisurteils ergangen ist. Die Anerkennung dieses Urteils ist nach § 328 I Nr. 4 ZPO ausgeschlossen, weil sie mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Die Mutter des Kindes hatte in der Klageschrift selbst angegeben, dass die Vaterschaft seitens des AGg. bestritten wird. Weitere Erkenntnisse zur Frage der Abstammung hatte das polnische Gericht nicht, da die Kindesmutter zu keinem Gerichtstermin erschienen ist. Eine Statusfeststellung auf einer solchen unzureichenden sachlichen Grundlage ist mit den Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public) unvereinbar. Hinzu kommt, dass dem AGg. kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Nachdem das Verfahren zunächst vorläufig eingestellt worden war, hätte er von der Wiederaufnahme, die offenbar keiner der zunächst am Verfahren Beteiligten veranlasst hat, in einer Weise informiert werden müssen, die zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme und zur Beteiligung am Verfahren bot. Das war angesichts der Niederlegung der Ladung zur Akte offensichtlich nicht der Fall. Damit steht der Anerkennung des Urteils auch im Ausspruch zum Unterhalt der Versagungsgrund des Art. 5 Nr. 1 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (BGBl. 1986 II 826) bzw. des Art. 27 Nr. 1 des ebenfalls anwendbaren LugÜ, im Verhältnis zu Polen in Kraft seit dem 1.2.2000, entgegen.

[2]III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 8 II AVAG.

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2006, 968
NJW-RR, 2006, 293

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2005-167

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