Die deutschen Gerichte sind für eine Zahlungsklage aus einer Gewinnzusage eines ausländischen (hier: italienischen) Unternehmens gemäß Art. 15 I lit. c EuGVO international zuständig. In Art. 15 I lit. c EuGVO wird nämlich anders als bei Art. 13 I Nr. 3 EuGVÜ eine synallagmatische Verknüpfung von Leistungspflichten gerade nicht mehr verlangt.
Die Kl. nimmt die in Italien ansässige Bekl. aus einer Gewinnzusage in Anspruch.
Im September 2002 erhielt die Kl. ein Schreiben von der Bekl., das u.a. den Auszug eines Gewinner-Protokolls vom 6.9.2002 enthielt. Danach sollte die Kl. Gewinnerin eines Gesamtbetrags in Höhe von 25 000 Euro sein. Zur Anforderung des Gewinns sollte die Kl. eine als „eidesstattliche Versicherung“ bezeichnete Erklärung – in der das Geburtsdatum anzugeben war – unterzeichnen. Der letzte Satz dieser Erklärung lautet wie folgt: „Durch meine Unterschrift erteile ich mein Einverständnis mit den Vergabebedingungen.“ Die Vergabebedingungen waren in kleiner Schrift und an unauffälliger Stelle auf einem mit mehreren Warenangeboten versehenen Bestellschein abgedruckt.
Das LG hat der Klage – bis auf Zinsen für einen Tag – stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Bekl. mit ihrer Berufung.
[1]II. Die Berufung der Bekl. hat in der Sache keinen Erfolg.
[2]1. Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung dieses Rechtsstreits international zuständig. Die Vorschrift des § 513 II ZPO steht einer Prüfung dieser Frage in der Berufungsinstanz nicht entgegen, weil diese Regelung trotz ihres weit gefassten Wortlauts nicht die internationale Zuständigkeit betrifft (vgl. BGH, Urt. vom 28.11.2002, NJW 2003, 426, 426 f. (IPRspr. 2002 Nr. 157) m.w.N.). Im Übrigen käme die Vorschrift des § 513 II ZPO bei einer abweichenden Auslegung insoweit nicht zur Anwendung, als sie im Widerspruch zu vorrangigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen (beispielsweise aus Art. 25 f. EuGVO stehen würde.
[3]Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich vorliegend nicht nach dem \linebreak EuGVÜ, sondern nach der am 1.3.2002 in Kraft getretenen EuGVO, weil die Klageschrift vom 10.3.2003 der Bekl. am 5.11.2003 – mithin nach Inkrafttreten der EuGVO – zugestellt worden ist, Art. 66 I EuGVO. Aus diesem Grund kommt es letztlich nicht darauf an, dass im Anwendungsbereich des EuGVÜ nach dem Urteil des EuGH vom 20.1.2005 (NJW 2005, 811 ff.) die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Falle einer grenzüberschreitenden Gewinnmitteilung an einen deutschen Verbraucher entgegen der vom BGH in seinem Urteil vom 28.11.2002 (NJW 2003, 426 ff.) (IPRspr. 2002 Nr. 157) vertretenen Auffassung nicht mehr ohne weiteres daraus hergeleitet werden kann, dass entweder eine Verbrauchersache oder ein Anspruch aus unerlaubter Handlung vorliege (eingehend dazu: Leible, Luxemburg locuta, Gewinnmitteilung finita?, NJW 2005, 796 ff.). Die vorgenannte Entscheidung des EuGH steht im vorliegenden Fall der Einordnung als Verbrauchersache im Sinne von Art. 15 I lit. c EuGVO nicht entgegen, weil die nunmehr einschlägige Regelung des Art. 15 I lit. c EuGVO sich von Art. 13 Nr. 3 EuGVÜ gerade dadurch unterscheidet, dass eine synallagmatische Verknüpfung von Leistungspflichten nicht mehr vorausgesetzt wird. Denn anders als nach Art. 13 Nr. 3 EuGVÜ kommt es gemäß Art. 15 I lit. c EuGVO nicht mehr auf die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen, sondern nur noch auf das Vorliegen eines Vertrags an. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Senat kann dies feststellen, ohne die Auslegungsfrage dem EuGH vorzulegen. Denn der Senat weicht insoweit nicht von einer Entscheidung des EuGH ab, sondern befindet sich in Übereinstimmung mit der vom EuGH in seinem Urteil vom 20.1.2005 (NJW 2005, S. 511 ff.) vorgenommenen Auslegung, in welchem der EuGH ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es sich in einem derartigen Fall um einen Anspruch aus Vertrag (im Sinne von Art. 5 Nr. l EuGVÜ) handele. Soweit der EuGH diese Frage bezogen auf die EuGVO noch nicht entschieden hat, kann eine Vorlage gleichwohl unterbleiben. Denn zum einen ist die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts so offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. zur Entbehrlichkeit der Vorlage in einem solchen Fall – im Grundsatz zutreffend – BGH, Urteil vom 28.11.2002, NJW 2003, 426, 428 (IPRspr. 2002 Nr. 157) m.w.N.). Zum anderen kann die Vorlage auch deshalb unterbleiben, weil die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus weiteren Vorschriften der EuGVO abzuleiten ist.
[4]Die deutschen Gerichte sind hier nämlich auch nach Art. 5 Nr. 5 EuGVO international zuständig. Der Begriff der Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung im Sinne von Art. 5 Nr. 5 EuGVO ist vertragsautonom auszulegen, wobei auf die Rechtsprechung des EuGH zur inhaltsgleichen Vorschrift aus Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ zurückgegriffen werden kann. Der EuGH hat in seinem insoweit grundlegenden Urteil vom 9.12.1987 (NJW 1988, 625) diesen Begriff dahingehend definiert, dass ‚ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gemeint ist, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese, obgleich sie wissen, dass möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Außenstelle ist’ (aaO 625 Rz. 10 der Entscheidungsgründe).
[5]Insoweit ist von entscheidender Bedeutung, dass die Bekl. ausweislich des von der Kl. als Anlage vorgelegten Orginial-Rückumschlags unter einer deutschen Postanschrift wie folgt in Erscheinung getreten ist: SVD S. & G., z. Hd. C. M., Direktion, 68..., K. Zwar war eine Zustellung der Klage unter dieser Anschrift aus Gründen, die dem Senat nicht bekannt sind, nicht möglich. Es bedarf allerdings keiner Entscheidung, aus welchen Gründen eine Zustellung der Klage unter dieser Anschrift nicht erfolgen konnte. Denn auch wenn die Bekl. keine Niederlassung an diesem Ort unterhalten haben sollte, hat sie durch die Verwendung des vorgenannten Rückumschlags einen entsprechenden Rechtsschein zurechenbar hervorgerufen (vgl. dazu EuGH, Urt. vom 9.12.1987 aaO 625 Rz. 15 der Entscheidungsgründe). Insbesondere aufgrund der verwendeten Zusatzes ‚Direktion’ kann es nach Auffassung des Senats nicht zweifelhaft sein, dass der Empfänger vom Bestehen einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung im Sinne von Art. 5 Nr. 5 EuGVO ausgehen konnte (vgl. auch Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Rz. 305, 314 zu Art. 5 EuGVVO). Da der EuGH die insoweit maßgeblichen Fragen bereits entschieden hat, bedarf es auch hierzu nicht der Vorlage einer Auslegungsfrage an den EuGH.
[6]Ergänzend weist der Senat daraufhin, dass selbst wenn die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht schon aus Art. 15 I lit. c bzw. aus Art. 5 Nr. 5 EuGVO folgen würde, sie sich letztlich aus der – subsidiären – Vorschrift des Art. 24 EuGVO ergäbe. Denn diese Vorschrift setzt lediglich voraus, dass der Bekl. sich auf das Verfahren einlässt, ohne die internationale Unzuständigkeit zu rügen und dass kein Fall einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 22 EuGVO vorliegt. Dabei kann die Rüge der internationalen Unzuständigkeit jedenfalls nicht mehr nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben werden, die nach innerstaatlichem Prozessrecht als erstes Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist (vgl. Geimer-Schütze aaO Art. 24 Rz. 7). Eine derartige Rüge hat die Bekl. – die sich durch ihre Klageerwiderung auf das Verfahren eingelassen hat – erstinstanzlich zu keinem Zeitpunkt erhoben; auch liegen die Voraussetzungen des Art. 22 EuGVO nicht vor. Aus welchem Grund die Bekl. eine entsprechende Rüge erstinstanzlich unterlassen hat, ist unerheblich, weil es allein auf den objektiven Tatbestand der Nichtrüge ankommt (Geimer-Schütze Rz. 4). Insbesondere bedarf es auch keines gerichtlichen Hinweises auf die Rügemöglichkeit (Geimer-Schütze Rz. 16 f.). Da die Bekl. die Rüge der internationalen Unzuständigkeit erstinstanzlich nicht erhoben hat, ist sie zweitinstanzlich damit erst recht ausgeschlossen (Geimer-Schütze Rz. 49 ff.).
[7]2. In der Sache trifft die Entscheidung des LG zu. Der Senat kann zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf seinen Hinweis nach § 522 II ZPO Bezug nehmen, zu dem die Bekl. in ihrem Schriftsatz vom 30.3.2005 Einwendungen nur hinsichtlich der Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte erhoben hat.