Eine nach englischem Recht gegründete Limited hat nur dann einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, wenn sie entweder ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Inland hat. Ob dies zutrifft, bedarf im Einzelfall näherer Prüfung. Es kann nicht unterstellt werden, dass eine Auslandsgesellschaft, die überwiegend oder vollständig im Inland Geschäfte betreibt, automatisch ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Inland hat.
Am 26.4.2005 ging beim AG Coburg der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gegen eine als Limited bezeichnete Gesellschaft ein, die ein Geschäftslokal im Bezirk des OLG München besitzt. Die ASt. hat ihren Wohnsitz in Hessen. Gegenstand des Verfahrens ist die Rückzahlung eines Kaufpreisteils aus einem Versandgeschäft. Mit Beschluss vom 9.6.2005 erklärte sich das AG Coburg für örtlich unzuständig und gab das Verfahren an das AG Hünfeld ab. Mit Verfügung vom 6.7.2005 erklärte sich dieses Gericht für örtlich unzuständig. Als Begründung hierfür gab es an, dass wegen des fehlenden Gerichtsstands der AGg. im Inland das AG Coburg für die Bearbeitung des Mahnverfahrens zuständig sei. Das AG Hünfeld legte das Verfahren dem OLG Bamberg zur Zuständigkeitsbestimmung vor. Dieses leitete es an das BayObLG weiter.
[1]1. Das BayObLG ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst befassten bayerischen AG Coburg und dem AG Hünfeld berufen (§§ 36 I Nr. 6, II ZPO, 9 EGZPO).
[2]2. Das Verfahren nach § 36 I Nr. 6 ZPO findet auch in Mahnsachen Anwendung (BGH, NJW 1993, 2752 (IPRspr. 1993 Nr. 146); BayObLG, Rpfleger 2002, 528; Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 2, 23). Eine Zuständigkeitsbestimmung kann in solchen Fällen auch dann erfolgen, wenn keine rechtskräftigen Unzuständigkeitserklärungen vorliegen. Denn Zweck von § 36 I Nr. 6 ZPO ist es, einen Zuständigkeitsstreit möglichst schnell zu beenden (BayObLG aaO 528 f.).
[3]3. Angesichts der fehlenden Bindungswirkung des Beschlusses des AG Coburg ist das Mahngericht zu bestimmen, das tatsächlich zuständig ist (vgl. BayObLG aaO).
[4]Zuständig ist das AG Hünfeld.
[5]a) Die deutschen Gerichte sind international zuständig. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus § 16 I EuGVO.
[6]Die AGg. hat als englische Limited ihren Sitz in einem Mitgliedstaat (Vereinigtes Königreich). Für sie gilt die EuGVO.
[7] Art. 16 I EuGVO regelt in Alt. 1 die internationale und in Alt. 2 die internationale und die örtliche Zuständigkeit. Nachdem die ASt. einen Anspruch aus einem Verbrauchergeschäft geltend macht, hat sie ein Wahlrecht zwischen der Erhebung der Klage im Mitgliedstaat des Sitzes des Unternehmens oder am Wohnort des Verbrauchers. Die ASt. hat ihr Wahlrecht mit der Stellung des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids im Inland ausgeübt. Nachdem die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für ein streitiges Verfahren eröffnet ist, gilt dies auch für das Mahnverfahren (Zöller-Vollkommer aaO § 703d Rz. 1).
[8]b) § 689 II 1 ZPO bestimmt, dass für das Mahnverfahren das Gericht ausschließlich zuständig ist, bei dem der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Unstreitig wäre dies das AG Hünfeld. Hat jedoch der Antragsgegner keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, so gelten besondere Vorschriften (§ 703d I ZPO). Das ist hier der Fall.
[9]Eine nach englischem Recht gegründete Limited hat hier nur in eng umrissenen Ausnahmefällen einen allgemeinen Gerichtsstand. Nach Art. 2 I EuGVO bestimmt der Wohnsitz den allgemeinen Gerichtsstand. Gesellschaften und juristische Personen haben ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich entweder ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet (Art. 60 I lit. a–c EuGVO). Nach den vorliegenden Erkenntnissen trifft auf die in Anspruch genommene Limited keine der in Art. 60 I EuGVO beschriebenen Alternativen zu. Die Eintragung einer Haupt- oder Zweigniederlassung im Handelsregister ist nicht feststellbar. Es kann jedenfalls im Bestimmungsverfahren dafür, ob ein inländischer Gerichtsstand gegeben ist, nicht ohne nähere Prüfung unterstellt werden, dass eine Auslandsgesellschaft, die im Inland Geschäfte betreibt, automatisch ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Inland hat (a.A. offenbar Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083/1087; vgl. auch Reck, StuB 2004, 989/990). Im Übrigen dürfte es nicht selten schwierig sein festzustellen, wo im Inland sich eine solche Hauptverwaltung oder Niederlassung befindet.
[10]c) Nachdem davon auszugehen ist, dass die AGg. als englische Limited keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, gilt § 703d II ZPO. Danach ist für das Mahnverfahren das AG zuständig, das für das streitige Verfahren zuständig sein würde, wenn die AGe im ersten Rechtszug sachlich unbeschränkt zuständig wären (§ 703d II 1 ZPO). Landesrechtliche Konzentrationen der Mahnsachen bei einem Gericht sind wegen § 703d II 2 i.V.m. § 698 III ZPO zu berücksichtigen (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 703d Rz. 2). Für das streitige Verfahren zuständig ist hier nach Art. 16 I EuGVO nach Ausübung des Wahlrechts durch die ASt. ein hessisches Gericht, da sie ihren Wohnsitz in Hessen hat. Aufgrund der erfolgten Zuständigkeitskonzentration der Mahnverfahren für Hessen beim AG Hünfeld ist dieses Gericht für das Mahnverfahren zuständig.