Bei einer Klage auf Zahlung der vereinbarten Preise für die Lieferung von Prototypen an einen vom beklagten Abnehmer benannten Automobilhersteller liegt der Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO am Sitz des klagenden Produzenten (hier: in Italien), da das Dienstleistungselement in dem Vertrag zwischen den Parteien, der auch kaufrechtliche Anteile enthält, im Vordergrund steht. Die Entwicklung und Herstellung der Prototypen stellt insofern die vertragscharakteristische Leistung dar.
Die Kl., eine italienische S.p.A. mit Sitz in Italien, lieferte auf Bestellung der Bekl., einer spanischen Gesellschaft mit Sitz in Spanien, 195 Prototypen eines neuen für das Modell G F entwickelten Fensterhebers an einen Zulieferbetrieb der Bekl. in Köln. Mit der vorliegenden Klage nimmt sie die Bekl. auf Zahlung der vereinbarten Preise in Anspruch.
Das LG hat seine internationale Zuständigkeit verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kl. ohne Erfolg.
[1]II. Die Feststellung des LG, es sei international nicht zuständig, ist im Ergebnis zutreffend (§ 513 ZPO). Auch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen keine andere Entscheidung. Das LG hat zutreffend ausgeführt, dass sich die internationale Zuständigkeit vorliegend nach der EuGVO richtet.
[2]Nach deren Vorschriften lässt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt herleiten. Die deutsche internationale Zuständigkeit ergibt sich nicht aus Art. 5 Nr. 1 litt. a, b, 23 EuGVO. Köln kann nicht als Erfüllungsort der Verpflichtung der Kl. angesehen werden.
[3]Aufgrund der autonomen Bestimmung des Erfüllungsorts in Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist beim Verkauf von Waren und bei der Erbringung von Dienstleistungen der für die internationale Gerichtszuständigkeit maßgebliche Erfüllungsort nicht mehr, wie zur Zeit der Geltung des EuGVÜ, nach dem IPR des Gerichtsstaats zu bestimmen. Maßgebend ist jetzt allein der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem die Waren vertragsgemäß geliefert worden sind oder hätten geliefert werden können bzw. der Ort, an dem die Dienstleistungen vertragsgemäß erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Abgestellt wird nunmehr ohne kollisionsrechtliche Verweisung einheitlich für Leistung und Gegenleistung auf den Ort der Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung, jedenfalls dann, wenn der hiernach ermittelte Erfüllungsort innerhalb des geographischen Anwendungsbereichs der EuGVO liegt (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR 2004, 208 ff. (IPRspr 2004-103); Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 5 Rz. 88).
[4]Vorliegend ist Inhalt der Verträge mit der Bekl. die Lieferung von Prototypen der von der Kl. für das neue Modell des G F entwickelten Fensterheber. Es handelt sich um die Lieferung von vor der Serienproduktion gefertigter Probemodelle. Diese Verträge enthalten sowohl Elemente eines Kaufvertrags – Pflicht zur Lieferung und Übereignung der Waren – als auch Elemente eines Dienstleistungs- und Werkvertrags, soweit es um die Entwicklung und Herstellung der Fensterheber geht. Auch der Begriff der Dienstleistung ist gemeinschaftsrechtlich autonom zu bestimmen, um eine einheitliche Anwendung der Verordnung zu gewährleisten (vgl. OLG Düsseldorf aaO; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rz. 35). Dabei ist der Begriff der Dienstleistung weit auszulegen. Im Kern geht es um Dienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, um Werk- und Werklieferungsverträge und Geschäftsbesorgungsverhältnisse, wobei gemeinsames Merkmal ist, dass eine tätigkeitsbezogene Leistung erbracht wird (vgl. BGH, NJW 1994, 262, 263 (IPRspr. 1993 Nr. 37)). In diesem Sinne waren auch die von der Kl. mit der Bekl. geschlossenen Verträge auf die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet. Bei gemischten Verträgen kommt es für die Einordnung als Dienstleistungs- oder Kaufvertrag darauf an, welche Leistung im Vordergrund steht und deshalb als vertragscharakteristisch anzusehen ist (vgl. Geimer-Schütze aaO Rz. 88; Kropholler aaO Rz. 33, 37). Nach Auffassung des Senats überwiegen vorliegend die Dienstleistungen der Kl. und geben dem Vertragsverhältnis der Parteien das Gepräge, so dass sie als vertragscharakteristische Leistungen den Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO bestimmen. Im Hinblick darauf, dass vorliegend die von der Kl. entwickelten Fensterheber noch nicht in Serie produziert worden waren und Gegenstand der Verträge mit der Bekl. zunächst nur die Lieferung von Probemodellen war, überwiegt die Entwicklung und Herstellung der Produkte als Dienstleistungsanteil und lässt die Lieferung der Waren und die Eigentumsverschaffung hieran in den Hintergrund treten. Die Lieferung der von der Bekl. bestellten Prototypen erfolgte, damit diese einem Test unterzogen werden konnten, dessen positiver Ausgang Grundlage dafür war, dass die Kl. gemäß dem mit der britischen Schwestergesellschaft der Bekl. abgeschlossenen Vorvertrag vom 21.11.2000 und der Absichtserklärung vom 12.12.2000 den Auftrag für die Entwicklung und Lieferung der Fensterheber erhielt und diese in Serie produziert werden konnten. In diesem ‚Endstadium der Entwicklungsphase’ ist die Entwicklung und Herstellung der Fensterheber als der wesentliche und deshalb vertragscharakteristische Teil der Leistungen der Kl. anzusehen. Der Lieferort Köln scheidet deshalb als Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVO aus, weil in Köln keinerlei Dienstleistungen der Kl. erfolgt sind und allein die Anlieferung der bestellten Ware in Köln als untergeordnete Leistung der Kl. für die Bestimmung des Erfüllungsorts nicht maßgeblich ist.
[5]Die internationale Zuständigkeit des LG Köln kann auch nicht aus einer gegenüber der Regelung des Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO vorrangigen Vereinbarung der Parteien über den Gerichtsstand und/oder den Erfüllungsort hergeleitet werden. Denn eine solche Vereinbarung kommt nur im Hinblick auf die Regelung in Nr. 15 der auf der Rückseite der jeweiligen Bestellungen der Bekl. abgedruckten AGB in Betracht, nach der sowohl die Zuständigkeit der Gerichte von Valencia vorgesehen, als auch die Stadt Valencia als Erfüllungsort der Arbeiten, Lieferungen und Zahlungen für beide Parteien bestimmt ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Parteien – wie das LG angenommen hat – eine den formellen und materiellen Anforderungen des Art. 23 EuGVO genügende Gerichtstandsvereinbarung unter Einbeziehung der AGB der Bekl. getroffen haben und/oder sie sich auf Valencia als Erfüllungsort geeinigt haben. Denn in keinem Fall war Gegenstand einer Einigung der Parteien die Zuständigkeit der Gerichte in Köln oder Köln als Erfüllungsort. Die Verpflichtungen zwischen den Parteien richten sich ausschließlich nach den zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen, welche in den Bestellschreiben vom 17.9.2001 und vom 24.9.2001 schriftlich fixiert sind. Welche Vereinbarungen die Kl. mit der britischen Schwestergesellschaft der Bekl. in den vorangehenden Verhandlungen getroffen hat, ist unerheblich, da diese nicht Gegenstand der zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits getroffenen Vereinbarungen geworden sind.