Die Anfechtung der Vaterschaft für ein vor dem 1.7.1998 geborenes Kind unterliegt gemäß Art. 224 § 1 II EGBGB den mit dem Kindschaftrechtsreformgesetz vom 16.12.1997 eingeführten oder geänderten Vorschriften, zu denen auch die Art. 19 und 20 EGBGB gehören.
Bei Anwendung des nach dem Wortlaut von Art. 19 I 1 EGBGB für das Abstammungsstatut maßgeblichen Rechts des aktuellen Aufenthalts kann für ein Kind, für das am Ort seines früheren Aufenthalts im Ausland (hier: Dominikanische Republik) eine Vaterschaftsanerkennung wirksam erfolgte, ein Statusverlust drohen, wenn infolge des durch die Aufenthaltsverlegung ins Inland bedingten Statutenwechsels nunmehr deutsches Recht die Anerkennung bestimmt, deren Wirksamkeit von einer – nach dem ausländischen Recht entbehrlichen – förmlichen Zustimmung der Mutter abhängt, die nicht feststellbar ist. Soweit nicht das Wohl des Kindes gemäß Art. 23 Satz 2 EGBGB die Anwendung deutschen Rechts erforderlich macht, ist zur Vermeidung eines Statusverlusts für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung stattdessen auf das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes zur Zeit der Anerkennung abzustellen.
Der Kl. ficht seine kraft Anerkennung und Legitimation durch Eheschließung bestehende Vaterschaft für den am 22.11.1996 in T./Dominikanische Republik geborenen Bekl. an. Am 17.9.1998 hat der Kl. dort die Vaterschaft anerkannt, worüber eine Bescheinigung des Standesamts von T. vorliegt, und am 19.9.1998 hat er dort die Mutter des Bekl. geheiratet. Seit 1998 befinden sich die Mutter und seit 2000 auch der Bekl. in Deutschland. Im Februar 2001 haben sich die Eheleute getrennt, im Jahre 2003 ist die Ehe geschieden worden. Der Kl. und der Bekl. haben die deutsche, die Mutter des Bekl. hat die dominikanische Staatsangehörigkeit.
Kurz vor Klageerhebung will der Kl. von einer Freundin der Mutter des Bekl. erfahren haben, dass er nicht der Vater sei. Außerdem hat er die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung in Zweifel gezogen. Der Bekl. behauptet demgegenüber, der Kl. habe zum Zeitpunkt der Anerkennung gewusst, dass er nicht der Vater sei;; er habe Mutter und Kind erst im Jahre 1998 in S./Dominikanische Republik getroffen.
Das AG hat die Klage abgewiesen, weil die nach deutschem Recht zu beurteilende Anfechtung wegen Ablaufs der Anfechtungsfrist nicht mehr zulässig sei. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Kl. hat der Senat u.a. den Bearbeiter des Länderberichts Dominikanische Republik in Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 163. Lfg. [Stand: 1.1.2005] um die Vorlage und teilweise Übersetzung von dominikanischen Gesetzestexten sowie um eine sachverständige Äußerung zu den Förmlichkeiten, insbesondere den Zustimmungserfordernissen zur Vaterschaftsanerkennung nach dominikanischen Recht gebeten. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
[1]II. ... 1. Die Anfechtung unterliegt deutschem Recht.
[2]a. Die Anfechtung der Vaterschaft für den vor dem 1.7.1998 geborenen Bekl. unterliegt gemäß Art. 224 § 1 II EGBGB den mit dem KindRG eingeführten oder geänderten Vorschriften. Dazu gehören nach offensichtlicher gesetzgeberischer Intention auch die Art. 19 und 20 EGBGB (OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 610 (IPRspr. 1998 Nr. 97); OLG Köln, FamRZ 2003, 1858 (IPRspr. 2002 Nr. 97); Staudinger-Henrich, Neub. 2002, Art. 20 Rz. 3; Andrae, Int. Familienrecht, 1999, Rz. 475; Erman-Hohloch, BGB, 11. Aufl., Art. 20 Rz. 7; Palandt-Heldrich, BGB, 63. Aufl., Art. 20 Rz. 1; Kropholler, IPR, 5. Aufl., § 48 IV; Firsching-v. Hofmann, IPR, 8. Aufl., § 8 Rz. 138; a.A. Kegel-Schurig, IPR, 9. Aufl., § 20 X 3; Dörner in Festschrift Henrich, 2000, 128 ff). Das nach Art. 20 EGBGB n.F. als Anfechtungsstatut berufene Abstammungsstatut ergibt sich aus Art. 19 EGBGB n.F. (vgl. Linke, FamRZ 2004, 899 Anm.; OLG Nürnberg, FamRZ 2002, 1722 (IPRspr. 2002 Nr. 93); Staudinger-Henrich aaO). Von den im Grundatz gleichrangigen Anknüpfungsalternativen entfällt die dritte, weil die Mutter des Bekl. bei seiner Geburt nicht verheiratet war. Die anderen Alternativen führen zu deutschem Recht als Heimatrecht des Kl. oder als Aufenthaltsrecht des Bekl. Maßgeblich ist, da Art. 19 EGBGB nur über Art. 20 EGBGB berufen ist, der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes zum Zeitpunkt der Anfechtung.
[3]b. Nach deutschem Recht kann der Kl. die Vaterschaft aber nicht mehr anfechten, weil die zweijährige Anfechtungsfrist des § 1600b I BGB bei Klageerhebung verstrichen war. Nach der Überzeugung des Gerichts wusste der Kl. seit 1998, als er von der Existenz des Kindes erfuhr, dass er nicht der leibliche Vater ist, weil er die Mutter des Bekl. vor dem Zusammentreffen in S. im Jahre 1998 nicht gekannt und ihr somit auch nicht beigewohnt hat ...
[4]2. Der Widerruf der Vaterschaftsanerkennung geht ins Leere, weil sie nach dem anzuwendenden Recht auch ohne förmliche Zustimmung der Mutter voll wirksam ist und das Kindeswohl nicht die Anwendung deutschen Rechts nach Maßgabe des Art. 23 Satz 2 EGBGB erfordert.
[5]a. Das auf die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung anzuwendende Recht ergibt sich aus Art. 19 EGBGB i.d.F. des KindRG. Die durch die Geburt des Bekl. vor dem 1.7.1998 bedingte intertemporale Frage stellt sich nicht, weil die Anerkennung erst am 17.9.1998 erfolgt ist. Art. 224 § 1 I EGBGB betrifft ausschließlich Sachverhalte, die vor dem Stichtag abgeschlossen waren, bei denen es also um die Beurteilung einer bestehenden Vaterschaft geht, die sich aus einer gesetzlichen Vermutung oder einer Anerkennung ergeben kann (vgl. BayObLG, StAZ 2000, 45 (IPRspr. 1999 Nr. 13); Staudinger-Rauscher, BGB, Neub. 2000, Art. 224 EGBGB Rz. 14; Palandt-Diederichsen aaO Art. 224 Rz. 2). Das entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers (BT-Drucks. 13/4899 S. 138). Art. 19 I EGBGB verweist alternativ auf das Heimatrecht des Vaters, also deutsches Recht, und auf das Aufenthaltsrecht des Kindes, was ebenfalls zum deutschen Recht führt, wenn man auf den gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalt des Bekl. abstellt.
[6]b. Jedoch wird verbreitet die Auffassung vertreten, dass für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung auf das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bei Vornahme der Anerkennung abgestellt werden muss, um dem Kind nicht wegen der Wandelbarkeit des Statuts den nach dem damals anzuwendenden Recht begründeten familienrechtlichen Status zu nehmen (Dörner 124 ff.,126; Looschelders, IPRax 1999, 420, 424; Andrae Rz. 461, Kropholler § 48 IV 1 c). Henrich (StAZ 1998, 1, 3) geht insoweit von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers bei der Formulierung des Art. 19 EGBGB aus.
[7]Ein solcher Statusverlust würde auch im vorliegenden Fall eintreten, wenn man der Wandelbarkeit des auf dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes beruhenden Abstammungsstatut uneingeschränkt Folge leistet. Nach deutschem Recht bedarf die Vaterschaftsanerkennung der öffentlich beurkundeten Zustimmung der Mutter und ggf. der des Kindes, §§ 1595, 1597 I BGB. Die Zustimmung des Kindes bzw. einer Vertretungsperson war entbehrlich, weil nach dem z.Z. der Vaterschaftsanerkennung maßgeblichen dominikanischen Recht die elterliche Sorge der nichtehelichen Mutter zustand (Art. 374 dominikan. ZGB, Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Dominikanische Republik, 163. Lfg. [Stand: 1.1.2005], S. 38).
[8]Jedoch fehlt es nach den vorliegenden Erkenntnissen an der förmlichen Zustimmung der Mutter, obwohl ihre tatsächliche Zustimmung nach dem beiderseitigen Vortrag außer Zweifel steht. Da die Erklärung im Ausland abgegeben worden ist, beurteilen sich die Formerfordernisse gemäß Art. 11 I EGBGB entweder nach deutschem Recht als dem Anerkennungsstatut oder nach dominikanischem Recht als dem am Vornahmeort geltenden Recht. Für die öffentliche Beurkundung des deutschen Rechts kommt es darauf an, ob eine nach dem Ortsrecht zuständige Urkundsperson oder Behörde tätig geworden ist und ob sie die Förmlichkeiten dieses Rechts beachtet hat (BayObLG, StAZ 1979, 263 (IPRspr. 1979 Nr. 111); Staudinger-Firsching, BGB, 10./11. Aufl., Art. 11 Rz. 24 ff.; Odersky, Nichtehelichengesetz, 4. Aufl. § 1600a Anm. X Rz. 38). Das hat sich trotz aller Bemühungen nicht feststellen lassen. Die von der Botschaft übermittelte Urkunde ist erst am 3.3.2004 aufgesetzt worden und gibt keinerlei Hinweise auf dort vorliegende Unterschriften. Es ist nach dem Vortrag des Kl. und der Mutter des Bekl. allenfalls möglich, dass sie vor der Standesbeamtin eine der öffentlichen Beurkundung gleichwertige Registereintragung unterzeichnet haben. Somit kann nur von einer formlosen Zustimmung der Mutter ausgegangen werden, die den Anforderungen des § 1597 I BGB nicht genügt
[9]c. Aus der Sicht des dominikanischen Rechts, das keine Rückverweisung kennt (vgl. Bergmann-Ferid-Henrich aaO S. 16), bestehen an der Wirksamkeit der Anerkennung, die urkundlich sowohl durch die von der Botschaft übersandte Urkunde als auch durch die Beischreibung auf der Geburtsurkunde belegt ist, nach der gutachterlichen Stellungnahme des [Bearbeiters des Länderberichts in Bergmann-Ferid-Henrich] und der Mitteilung der Botschaft keine Zweifel. Die Zustimmung des Kindes war danach nach dominikanischem Recht nicht erforderlich; das wäre sie auch nach dem gemäß Art. 23 Satz 2 EGBGB zum Wohle des Kindes anzuwendenden deutschen Recht nicht. Die Zustimmung der Mutter war nach dominikanischem Recht jedenfalls als Wirksamkeitsbedingungung für die Vaterschaftanerkennung nicht erforderlich.
[10]Jedoch verlangt Art. 23 Satz 2 EGBGB auch insoweit die Anwendung deutschen Rechts, wenn es zum Wohle des Kindes erforderlich ist. Das ist nach der Überzeugung des Gerichts nicht der Fall. Die Berücksichtigung von Zustimmungserfordernissen nach dem – wie im vorliegenden Fall – strengeren deutschen Recht trägt zwar der Bedeutung der Statusänderung Rechnung und ist daher grundsätzlich auch dann gerechtfertigt, wenn das nach Art. 23 Satz 1 berufene Recht mit dem Abstammungsstatut aus Art. 19 EGBGB identisch ist (Erman-Hohloch aaO Art. 23 Rz. 16; Kropholler § 49 IV 3). Sie stehen aber unter dem Vorbehalt des Kindeswohls, sollen also helfen, Nachteile für das Kind abzuwenden (Palandt-Heldrich aaO Art. 23 Rz. 6). Dem liefe die Anwendung deutschen Rechts im vorliegenden Fall zuwider. Die Zustimmung der Mutter zur Anerkennung liegt vor, es fehlt nur die öffentliche Beurkundung. Die Anerkennung diente der Statusverbesserung und der Familiengründung. Die weitere Entwicklung ist kein Grund, den Status des Kindes wieder aufzuheben.
[11]d. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass nur bei Anwendung dominikanischen Rechts das formale Defizit bei der Zustimmung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung folgenlos bleibt. Der Senat schließt sich daher der oben (II. 2. b.) dargelegten Auffassung an, dass in einem Fall drohenden Statusverlusts von dem nach dem Wortlaut des Art. 19 I 1 EGBGB mit dem Aufenthaltswechsel des Kindes verbundenen Statutswechsel abgesehen werden muss bzw. der Statutswechsel den einmal erworbenen Status unberührt lässt (so Dörner S. 126).