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Verfahrensgang

LG Berlin, Beschl. vom 22.06.2004 – 102 T 48/04, IPRspr 2004-227

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit
Freiwillige Gerichtsbarkeit → Notariats- und Urkundenwesen (bis 2019)

Leitsatz

Der Nachweis der Vertretungsbefugnis bei Handelsregistereintragungen, die eine englische Limited Company betreffen, ist über die Satzung („articles of association“) zu erbringen, die beim Companies' Registry zu hinterlegen ist. Der Vorlage dieser Dokumente – in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Form – steht es gleich, wenn der Registrar of Companies als hierfür zuständige Behörde eine Bescheinigung über den rechtlichen Inhalt dieser Dokumente ausstellt. Dem steht, soweit keine fehlerhafte Form der Dokumente erkennbar ist, eine fehlende Apostille nicht entgegen.

Rechtsnormen

BNotO § 21
CA 1985 (UK) s. 709
CA 1989 (UK) s. 126
HApostilleÜ Art. 2
HGB § 9; HGB § 12; HGB § 143; HGB § 161
ZPO § 50; ZPO § 438

Sachverhalt

Das Verfahren betrifft die Eintragung einer englischen Limited Company als Kommanditistin einer deutschen Kommanditgesellschaft.

Die Beteiligte zu 1), eine GmbH, war Komplementärin, die Beteiligten zu 2) und 3) waren Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft (KG). Am 20.12.2002 meldete der Beteiligte zu 2) beim AG Charlottenburg sowohl im eigenen Namen als auch als Geschäftsführer der Beteiligten zu 1) und als „Director“ der Beteiligten zu 4) in notariell beurkundeter Form zur Eintragung ins Handelsregister an, dass die Beteiligten zu 2) und 3) ihre Kommanditanteile mit Wirkung zum 1.7.2004 an die Beteiligte zu 4) übertragen haben und als Kommanditisten aus der KG ausgeschieden sind. In Ergänzung hierzu meldeten am 23.12.2002 der Beteiligte zu 3) im eigenen Namen sowie der Beteiligte zu 2) und eine dritte Person als „Directors“ der Beteiligten zu 4) in notariell beurkundeter Form die Übertragung der Kommanditanteile der Beteiligten zu 2) und 3) an die Beteiligte zu 4) zur Eintragung im Handelsregister an. Die Beteiligten zu 1) und 3) versicherten im Rahmen dieser beiden Anmeldungen, dass den Beteiligten zu 2) und 3) keinerlei Abfindung aus dem Gesellschaftsvermögen gewährt oder versprochen worden ist.

Den Anmeldungen waren Urkunden des Registrar of Companies, Companies House mit Sitz in Cardiff (Wales), vom 12.7.2002 und 26.3.2003 beigefügt, in denen u.a. bescheinigt wurde, dass der Beteiligte zu 3) sowie die dritte Person, die „Directors“ der Beteiligten zu 4), und der Beteiligte zu 3) der „Secretary of the company“ sind. Des Weiteren waren den Anmeldungen in Kopie und in englischer Sprache die „Articles of Association“ der Beteiligten zu 4) beigefügt.

Das AG forderte daraufhin mit mehreren Zwischenverfügungen den amtierenden Notar und Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten auf, dem Gericht gegenüber den Nachweis dafür zu erbringen, dass der Beteiligte zu 2) zur Vertretung der Beteiligten zu 4) befugt sei. Hierfür genüge nur eine mit einer Apostille verbundene Bestätigung eines englischen Notars.

Da dem AG keine weiteren Vertretungsnachweise vorgelegt wurden, hat es mit Beschluss vom 20.2.2004 den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde war erfolgreich.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die zur Zurückweisung der Anmeldung angeführten Gründe sind nicht tragfähig.

[2]Im Ausgangspunkt ist das AG allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es nach dem insoweit aufgrund der lex fori allein maßgeblichen deutschen Verfahrensrecht eine Anmeldung im Sinne des § 12 HGB in Verbindung mit §§ 161 II, 143 II, I HGB in formeller Hinsicht darauf prüfen muss, ob die ASt. rechts- und damit beteiligtenfähig sind (§ 50 ZPO analog) und ob sie, soweit es sich um juristische Personen handelt, ordnungsgemäß vertreten sind (zur Vertretungsbefugnis vgl. KG, DB 2300, 2695 (IPRspr. 2003 Nr. 215); Böttcher-Ries, Formularpraxis des Handelsregisterrechts, 2003, Rz. 68). Die insoweit erforderlichen Nachweise sind jedoch aufgrund der vorgelegten Urkunden des Registrars ot Companies vom 12.7.2003 und 26.3.2003 erbracht.

[3]a) Die Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 4) beurteilt sich, weil diese als Gesellschaft englischen Rechts gegründet worden ist, nach den nunmehr auch in der deutschen Rechtsprechung anerkannten Gründungstheorie (vgl. KG aaO 2696 m.w.N.) allein nach englischem Recht. Insoweit hat das AG unberücksichtigt gelassen, dass nach englischem Recht der Registrar of Companies aufgrund der eingereichten Unterlagen eine Gründungsurkunde (sogennante ‚certificate of incorporation’) für eine Limited Company ausstellt (vgl. Ebert/Levedag, GmbHR 2003, 1357, 1358) und die Gesellschaft durch die Gründungsbescheinigung zu dem in ihr ausgewiesenem Datum Rechtsfähigkeit erlangt (BayObLG, DB 1985, 2670 (IPRspr. 1985 Nr. 214)). Diese Gründungsurkunde erbringt daher im englischen Rechtskreis den vollen Beweis dafür, dass die Gesellschaft als juristische Person entstanden ist (BayObLG, GmbHR 1986, 305, 307 (IPRspr. 1986 Nr. 20)). Daher ist auch im deutschen Rechtsverkehr die Vorlage dieser Gründungsurkunde als ausreichender Nachweis für die Rechtsfähigkeit einer Limited Company angesehen worden, z.B, beim Eintritt einer Limited Company als Komplementärin in eine Kommanditgesellschaft (BayObLG aaO). Für den Nachweis der Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 4) war daher die Vorlage der Bescheinigung des Registrar of Companies vom 26.3.2003 ausreichend. Zwar handelt es sich bei dieser Bescheinigung nicht um die Gründungsurkunde selbst, jedoch hat eine Bescheinigung derselben Behörde darüber, dass die Gesellschaft zu einem früheren Zeitpunkt gegründet worden ist, dieselbe Beweiskraft wie die Gründungsurkunde,

[4]b) Nach den vorgelegten Urkunden bestehen auch keine Zweifel daran, dass die Beteiligte zu 4) wirksam vertreten worden ist.

[5]Hinsichtlich deutscher Handelsgesellschaften wie einer GmbH genügt im Rahmen einer Eintragung im Sinne des § 12 HGB für den Nachweis der Vertretungsbefugnis des handelnden Organs eine beglaubigte Abschrift des Handelsregisterauszuges nach § 9 II HGB.

[6]Bei einer ausländischen Gesellschaft kann der erforderliche Nachweis in der Regel nur mittels einer ausländischen Urkunde erbracht werden. Diese genügt den sich aus dem deutschen Verfahrensrecht ergebende Nachweisanforderungen, wenn sie der gesetzlich geforderten deutschen Beurkundung gleichwertig ist und die Echtheit der ausländischen Urkunde nachgewiesen ist. Dies ist vorliegend der Fall.

[7]aa) Als gleichwertige englische Urkunde kommt zunächst die Bestätigung eines englischen Notars in Betracht, die zum Gegenstand hat, von wem eine englische Gesellschaft wirksam vertreten wird (vgl. Ebenroth-Boujong-Joost-Schaub, HGB, Anh. zu § 12, Rz. 68). Einen derartigen Vertretungsnachweis, vergleichbar demjenigen entsprechend § 21 I 1 BNotO, haben die Beteiligten allerdings nicht vorgelegt.

[8]bb) Als gleichwertig ist jedoch auch eine gesonderte Bescheinigung des Registrar of Companies anzuerkennen, in der infolge einer Prüfung der hinterlegten Gesellschaftsdokumente, insbesondere der Satzung, die vertretungsbefugten Personen bezeichnet werden. Zwar genügt ein Auszug aus dem vom Registrar of Companies geführten Handelsregister nicht, um einen Vertretungsnachweis zu erbringen, weil das englische Handelsregister – anders als kontinentaleuropäische Handelsregister – selbst keinerlei Angaben über die Vertretungsbefugnis enthält (vgl. Schaub, NZG 2000, 953, 959). Einen solchen allgemeinen Handelsregisterauszug im vorgenannten Sinne stellen die von den Beteiligten eingereichten Urkunden des Registrar of Companies jedoch gerade nicht dar, weil die darin enthaltenen Erklärungen ausweislich des Wortlauts auf einer gesonderten rechtlichen Prüfung der hinterlegten Gesellschaftsdokumente, insbesondere der Satzung, beruhen. Eine derartige gesonderte Bescheinigung ist einem beglaubigten deutschen Handelsregisterauszug im Sinne des § 9 II HGB vergleichbar, weil der Vertretungsnachweis im englischen Rechtsverkehr bei registrierten Gesellschaften wie der Limited Company normalerweise über die Satzung (‚articles of association’) erbracht wird, die beim Companies' Registry zu hinterlegen ist (Ebert/Levedag, aaO 1338; Ebenroth-Boujong-Joost-Schaub Rz. 67). Dementsprechend geht auch das KG (aaO 2896) davon aus, dass durch Vorlage der Satzung oder des entsprechenden, die Satzungsregelung abändernden Gesellschafterbeschlusses der Nachweis der Vertretungsbefugnis erbracht werden kann. Da jedoch sämtliche dieser Dokumente beim Registrar of Companies zu hinterlegen sind (so auch KG aaO), muss es der Vorlage dieser Dokumente – in Urschrift oder öffentlich beglaubigter Form – gleichstehen, wenn der Registrar of Companies als hierfür zuständige Behörde eine Bescheinigung über den rechtlichen Inhalt dieser Dokumente ausstellt, zumal eine solche Bescheinigung nach s. 709 (3) Companies Act 1985 i.d.F. des s. 126 (2) Companies Act 1989 im englischen Verfahrensrecht als Beweismittel der Vorlage des Originaldokuments gleichsteht. Inhaltlich entspricht diese Bescheinigung im Übrigen damit auch im Wesentlichen der vom Registergericht geforderten Erklärung eines englischen Notars, da auch dieser zunächst die beim Registrar of Companies hinterlegten Gesellschaftsunterlagen hätte einsehen müssen, um eine Bescheinigung über die vertretungsbefugten Personen ausstellen zu können,

[9]cc) Der Gleichwertigkeit der vorgelegten Bescheinigungen des Registrar of Companies steht zumindest für den hier zu entscheidenden Fall auch nicht entgegen, dass sich aus diesen – anders als bei einer Bescheinigung eines englischen Notars (vgl. dazu das Muster in DNotl-Report 1995, 76, 78) – nicht unmittelbar ergibt, ob die Beteiligte zu 4) gerade bei dem konkret vorgenommenen Geschäft, also der Anmeldung vom 20./23.12.2002 wirksam vertreten worden ist. Denn daran bestehen unter Berücksichtigung des auch hinsichtlich der Vertretungsregeln allein maßgeblichen Gesellschaftsrechts des Gründungsstaats keinerlei Zweifel, da in der Anmeldung vom 23.12.2002 die Erklärung der Beteiligten zu 4) sowohl von dem Beteiligten zu 2), den die Bescheinigung gleichzeitig als ‚Director’ und ‚Companies Secretay’ ausweisen, als auch einer dritten Person, den die Bescheinigungen als zweiten ‚Director’ ausweisen, abgegeben wurden. Es kann daher offen bleiben, ob eine Limited Company bei Eintragungen gegenüber dem Handelsregister von dem ‚Company Secretary’ (so Ebert/Levedag aaO 1341) oder von dem ‚Director’ vertreten wird (BayObLG, DB 1985, 2670 (IPRspr. 1985 Nr. 214)) und ob letztere, wenn es sich um mehr als eine Person handelt, als ‚Board of Directors’ nur gesamtvertretungsbefugt sind (vgl. hierzu Herberstein, Die GmbH in Europa, 2, Aufl., 141), da nach allen denkbaren Möglichkeiten die Beteiligte zu 4) wirksam vertreten worden wäre.

[10]c) Schließlich sind die eingereichten Bescheinigungen des Registrar of Companies auch als echt anzusehen, obwohl sie nicht mit einer Apostille versehen sind. Denn die Apostille dient auf der Grundlage des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation lediglich als Erleichterung der Legalisation, so dass die ausländische Urkunde nach dem auch im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbaren § 438 II ZPO (vgl. BayObLG, FamRZ 1994, 530) als echt angesehen werden könnte. Ohne eine solche Apostille bestimmt sich die Echtheit der ausländischen öffentlichen Urkunde gemäß § 438 I ZPO nach pflichtgemäßen Ermessen (BVerwG, NJW 1987, 1159 (IPRspr. 1986 Nr. 159); Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 438 Rz. 1). Da die Urkunde von dem Registrar of Companies als zuständiger Stelle ausgestellt worden ist und auch keine fehlerhafte Form erkennbar ist, kann die Urkunde vorliegend nicht aufgrund der fehlenden Apostille als möglicherweise unecht zurückgewiesen werden. Vielmehr kann sie nach Einschätzung der Kammer ohne näheren Nachweis als echt angesehen werden.

[11]Sofern eine ausländische öffentliche Urkunde als echt angesehen werden kann, entspricht ihre Beweiskraft derjenigen einer deutschen öffentlichen Urkunde (Zöller-Geimer, ZPO, 24. Aufl., § 438 Rz. 2). Davon ist die Kammer bei den vorstehenden Ausführungen unter II. 2. a) und b) ausgegangen.

Fundstellen

LS und Gründe

DB, 2004, 2628
DStR, 2004, 1493
NZG, 2004, 1014
ZIP, 2004, 2380, mit Anm. Ries
GmbHR, 2006, 1227, ; 2005, 172

Aufsatz

Wachter, DB, 2004, 2795 A

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2004-227

Lizenz

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