Eine in Pakistan geschlossene „Handschuhehe“ zwischen einer Deutschen und einem pakistanischen Staatsangehörigen, der sich aufgrund einer beglaubigten Vollmacht von seinem Bruder hat vertreten lassen, ist auch ohne namentliche Nennung der Braut in der Vollmachtsurkunde als wirksame Eheschließung anzuerkennen, wenn die Eheschließung der nach Art. 11 EGBGB maßgeblichen Ortsform entsprach und eine Vertretung im Willen den Umständen nach ausgeschlossen werden kann.
Die Beteiligten zu 1) und 2) begehren die Anlegung des Familienbuchs. Sie schlossen im Jahr 2000 in Pakistan in Form einer „Handschuhehe“ die Ehe. Während die deutsche Braut anwesend war, wurde der Bräutigam, der sich zu dieser Zeit als Asylbewerber in Deutschland aufhielt, von seinem Bruder vertreten. Die im pakistanischen Außenministerium in Islamabad beglaubigte Vollmacht enthielt hinsichtlich der Person der Braut keine genaue Bezeichnung.
Nachdem das Standesamt die Ausstellung eines Familienbuchs abgelehnt hatte, ordnete das AG Schöneberg die Anlegung an. Die hiergegen von der Standesamtaufsicht eingelegte sofortige Beschwerde zum LG Berlin blieb ebenso erfolglos wie die vorliegende weitere sofortige Beschwerde.
[1]Das LG hat – wie zuvor das AG Schöneberg – rechtsfehlerfrei mit zutreffender Begründung die Voraussetzungen für die Anlegung eines Familienbuchs für die von den Beteiligten zu 1) und 2) am 14.5.2000 in Pakistan geschlossene Ehe nach § 15a I 2 Nr. 1 PStG bejaht. Die Beschwerdebegründung der Beteiligten zu 3) gibt keinen Anlass, die Sache anders zu beurteilen.
[2]1. Die von den Beteiligten zu 1) und 2) begehrte Anlegung des Familienbuchs stellt entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 3) keinen Verstoß gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) dar.
[3]a) Die Sperrwirkung des Art. 6 EGBGB durch Nichtanwendung ausländischen Rechts tritt nur ein, wenn das Ergebnis seiner Anwendung im konkreten Fall in untragbarem Widerspruch zu grundlegenden deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen stünde (vgl. BGHZ 118, 312 (IPRspr. 1992 Nr. 218b); Palandt-Heldrich, BGB, 63. Aufl., Art. 6 EGBGB Rz. 5 m.w.N.).
[4]b) Dies ist hier nicht der Fall. Zutreffend und unangefochten hat das LG auf Seite 3 des Beschlusses dargelegt, die Eheschließung, bei der sich der Beteiligte zu 2) durch seinen älteren Bruder hat vertreten lassen, sei nach den gemäß Art. 11 EGBGB maßgeblichen Grundsätzen pakistanischen Rechts formwirksam.
[5]Es besteht auch kein Zweifel daran, dass der Bruder als Vertreter des Beteiligten zu 2) die Eheschließung mit der Beteiligten zu 1) entsprechend dem Willen des Vertretenen bewirkt hat: Der Beteiligte zu 2) wollte die Beteiligte zu 1) heiraten; so ist es geschehen. Das kann ohne jeden Zweifel aus der Erklärung des Bruders des Beteiligten zu 2) – die am 27.4.2000 vom Außenministerium in Islamabad beglaubigt wurde – sowie der persönlichen Anwesenheit der Beteiligten zu 1) bei der Trauungszeremonie am 14.5.2000 geschlossen werden. Die Anerkennung der Eheschließung als wirksam widerspricht nicht den Gerechtigkeitsvorstellungen der deutschen Rechtsordnung; sie steht vielmehr im Einklang mit Art. 6 I GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen.
[6]2. Der sofortigen weiteren Beschwerde liegt die Auffassung zugrunde, eine nach Ortsform gemäß Art. 11 EGBGB zu beurteilende und daher wirksame ‚Handschuhehe’ liege nur dann vor, wenn die Vollmacht bereits ihrem Wortlaut nach keine Möglichkeit der Willensvertretung zulasse. Da die notariell beglaubigte Generalvollmacht vom 3.5.1990 keine inhaltliche und zeitliche Begrenzung enthalte und das Schreiben des Bevollmächtigten an den Beteiligten zu 2) vom April 2000 keine ausreichende Bevollmächtigung darstelle, liege notwendig ein Fall der Vertretung im Willen vor, was zur Unwirksamkeit der Ehe führe. Dem ist nicht zu folgen.
[7]a) Richtig ist allerdings, dass eine Stellvertretung im Willen gegen das Vertretungsverbot des deutschen Rechts verstößt, das als zweiseitiges Ehehindernis aufzufassen ist (vgl. Staudinger- Mankowski, BGB, Neub. 2003, Art. 13 EGBGB Rz. 219 m.w.N.). Soweit der übereinstimmende Wille beider Teile, die Ehe zu schließen, in Frage steht, ist nach Art. 13 I EGBGB für die Beteiligte zu 1) das deutsche Recht anzuwenden, so dass dieses Ehehindernis der Wirksamkeit der Ehe auch dann entgegensteht, wenn das pakistanische Heimatrecht des Beteiligten zu 2) die Vertretung im Willen zulässt.
[8]b) Eine Vertretung im Willen kann aber, wie zu 1. b) ausgeführt wurde, im vorliegenden Fall ausgeschlossen werden. Ob die für eine ‚Handschuhehe’ verwendete Vollmacht, um gültig zu sein, bestimmte formelle Voraussetzungen zu erfüllen hat, ist eine Frage der Form der Eheschließung und daher gemäß Art. 11 EGBGB nach pakistanischem Recht zu beurteilen. Insoweit bestehen, auch unter Berücksichtigung der Überprüfung der Heiratsurkunde durch die deutsche Botschaft in Islamabad gemäß deren Schreiben vom 28.9.2001, keine Bedenken. Soweit eine schriftliche, möglichst notariell beglaubigte und den Heiratspartner genau bezeichnende Vollmacht verlangt wird (vgl. Fritsche, StAZ 1986, 329), handelt es sich nicht um formelle Voraussetzungen nach pakistanischem Recht, sondern um Hilfsmittel zur tatsächlichen Feststellung, dass im konkreten Fall keine unzulässige Vertretung im Willen vorliegt. Diese Festellung kann – wie auch in dem der Senatsentscheidung FamRZ 1973, 313 (IPRspr. 1973 Nr. 55) zugrunde liegenden, ähnlich gelagerten Fall – auch aufgrund außerhalb der Vollmachtsurkunde liegender Umstände getroffen werden (Staudinger-Hankowski aaO Rz. 221; ebenso BayObLGZ 2000, 335 (IPRspr. 2000 Nr. 51)). Das haben für den vorliegenden Fall die Vorinstanzen zu Recht bejaht (siehe oben zu 1. b).