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Verfahrensgang

OLG Köln, Beschl. vom 17.11.2004 – 16 W 31/04, IPRspr 2004-169

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Vermögensrechtliche Angelegenheiten
Anerkennung und Vollstreckung → Anwalts- und Kostenrecht

Leitsatz

Die Entschließung eines Rechtsprechungsorgans aufgrund eines nicht kontradiktorischen ersten Verfahrensabschnitts kann dann als „Entscheidung“ im Sinne von Art. 32 EuGVO anerkannt werden, wenn die Sache Gegenstand einer kontradiktorischen Erörterung hätte werden können. Das ist in Bezug auf einen dem Mahnbescheid ähnlichen italienischen „decreto ingiuntivo“ regelmäßig der Fall, denn dessen Wirksamkeit tritt erst dann ein, wenn der Schuldner Gelegenheit hatte, seine Rechte geltend zu machen.

Die Verletzung der Verfahrensregeln des Urteilsstaats (hier das in Art. 633 III C. proc. civ. enthaltene Verbot eines Mahnbescheids, der im Ausland zuzustellen wäre) berühren die Existenz des Mahnbescheids für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung im Inland nicht, wenn der Bescheid nach der insoweit maßgeblichen ausländischen Rechtsprechung nicht als absolut unwirksam, sondern lediglich anfechtbar angesehen wird.

Ein Verstoß gegen den ordre public (Art. 34 Nr. 1 EuGVO) liegt nicht bereits in dem Umstand, dass ein Mahnbescheid trotz Widerspruchs des Schuldners im Urteilsstaat für vollstreckbar erklärt worden ist, wenn bei der Einlegung des Widerspruchs wesentliche Form- und Begründungsanforderungen nicht beachtet wurden. Allein die Tatsache, dass im Urteilsstaat (hier: Italien) an einen Widerspruch weitergehende Anforderungen zu stellen sind als nach deutschem Recht, führt nicht zu einem „offensichtlichen“ Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung.

Nach den Vorschriften der EuGVO ist die Zustellung der für vollstreckbar zu erklärenden Entscheidung entbehrlich, wenn sie nach dem Recht des Ursprungsstaats keine Vollstreckbarkeitsbedingung ist.

Ungeachtet der Vorschrift des Art. 45 EuGVO ist der Einwand nachträglicher Erfüllung im Beschwerdeverfahren gemäß § 12 I AVAG jedenfalls dann beachtlich, wenn die Erfüllung unstreitig erfolgte.

Rechtsnormen

AVAG § 12
C. proc. civ. 1940 (Italien) Art. 165; C. proc. civ. 1940 (Italien) Art. 633; C. proc. civ. 1940 (Italien) Art. 640; C. proc. civ. 1940 (Italien) Art. 641; C. proc. civ. 1940 (Italien) Art. 642; C. proc. civ. 1940 (Italien) Art. 645; C. proc. civ. 1940 (Italien) Art. 647; C. proc. civ. 1940 (Italien) Art. 654
Cc 1942 (Italien) Art. 1193
EUGVVO 44/2001 Art. 32; EUGVVO 44/2001 Art. 34; EUGVVO 44/2001 Art. 38; EUGVVO 44/2001 Art. 41; EUGVVO 44/2001 Art. 45; EUGVVO 44/2001 Art. 57
EuGVÜ Art. 25
ZPO § 750

Sachverhalt

Der ASt. hat aus einem Anwaltsmandat über eine Strafverteidigung beim Tribunale Ordinario di Roma einen „decreto ingiuntivo“ (Mahnbescheid) vom 2.4.2003 erwirkt, in dem der AGg. verpflichtet wird, an den ASt. 5 815,30 Euro nebst den gesetzlichen Zinsen wie beantragt sowie den Kosten des Verfahrens, die zu 77,50 Euro für Gebühren, zu 297 Euro für Kompetenzen und zu 197 Euro für Honorare, neben MWSt. und Anwaltsrentenversicherung zu begleichen sind, ohne Aufschub zu bezahlen. Dieser am 30.6.2003 zugestellte Mahnbescheid wurde am 7.4.2004 durch den Tribunale Ordinario di Roma für vollstreckbar erklärt.

Auf Antrag des Gl. hat das LG Köln mit Beschluss vom 29.6.2004 zu diesem Mahnbescheid die Erteilung der Vollstreckungsklausel angeordnet und zugleich festgestellt, dass die gesetzlichen Zinsen sich für das Jahr 2001 auf 3,5%, für die Jahre 2002 und 2003 auf 3% und ab 2004 auf 2,5% belaufen und dass die Zinsforderung seit Juni 2001 fällig ist.

Gegen diesen am 2.7.2004 zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit einem am 7.7.2004 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf eine Honorarvereinbarung mit einer Begrenzung der Honoraransprüche auf maximal 3 500 Euro zzgl. Nebenkosten und auf einen im September 2000 gezahlten Betrag von 4 030 Euro. Ferner rügt er eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das italienische Gericht, weil ein am 19.5.2003 eingelegter Widerspruch gegen den Mahnbescheid nicht berücksichtigt, jedenfalls nicht beschieden worden sei.

Wegen eines von dem Schuldner am 13.7.2004 überwiesenen Betrags von 1 500 Euro haben die Parteien bezüglich eines von dem Gl. auf die Hauptforderung verrechneten Teilbetrags von 1 225,49 Euro übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt. Weitere 24,51 Euro hat der Gl. auf die Anwaltsrentenversicherung (CPA) und den Rest von 250 Euro auf die MWSt. verrechnet.

Auf die Beschwerde des Schuldners wurde der Beschluss vom 29.6.2004 teilweise abgeändert und unter Erteilung der Vollstreckungsklausel zu dem „decreto ingiuntivo“ des Tribunale Ordinario di Roma vom 2.4.2003 neu gefasst. Der zu vollstreckende Ausspruch lautete:

Dem Schuldner wird auferlegt, an den Gläubiger 5 815,30 Euro nebst

- 3,5% Zinsen vom 1.6.2001 bis zum 31.12.2001, 3% Zinsen vom 1.1.2002 bis zum 31.12.2003 und 2,5% Zinsen ab dem 1.1.2004,

- Verfahrenskosten, und zwar 77,50 Euro für Gebühren, 297 Euro für Kompetenzen und 197 Euro für Honorare,

- 20% MWSt. und 2% Anwaltsrentenversicherung

zu zahlen, und zwar abzüglich am 13.7.2004 auf die Hauptforderung gezahlter 1 225,49 Euro, auf die Anwaltsrentenversicherung gezahlter 24,51 Euro und auf die MWSt. gezahlter 250 Euro.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]In der Sache hat das Rechtsmittel, soweit hierüber nach teilweiser Erledigung der Hauptsache noch zu entscheiden ist, nur einen geringen Teilerfolg.

[2]1. Bei dem in Italien für vollstreckbar erklärten ‚decreto ingiuntivo’ handelt es sich entgegen der Meinung des Schuldners nicht um eine öffentliche Urkunde im Sinne des Art. 57 EuGVO i.V.m. § 12 II AVAG, sondern um eine gerichtliche Entscheidung im Sinne des Art. 32 EuGVO. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu der gleich gelagerten Problematik des Art. 25 EuGVÜ kann eine Entschließung dann als ‚Entscheidung’ anerkannt werden, wenn sie von einem Rechtsprechungsorgan erlassen worden ist, das kraft seines Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet. Weitere Voraussetzung ist es zwar auch, dass einer Anerkennung bzw. Vollstreckbarkeitserklärung im Urteilsstaat nach unterschiedlichen Modalitäten ein kontradiktorisches Verfahren vorangegangen ist oder hätte vorangehen können. Hierfür reicht es aber aus, dass nach Ende eines nicht kontradiktorischen ersten Verfahrensabschnitts die Sache Gegenstand einer kontradiktorischen Erörterung sein konnte, dass also die Wirksamkeit der Entschließung erst dann eintritt, wenn der Schuldner Gelegenheit hatte, seine Rechte geltend zu machen (EuGH, Urt. vom 14.10.2004 – C-39/02, Rz. 43 bis 52; Urt. vom 13.7.1995 – C-474/93, Rz. 14 = EuGHE 1995 I 2113 = IPRax 1996, 262; vgl. weiter z.B. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 32 Rz. 6).

[3]Diese Voraussetzungen sind im Normalfall eines italienischen ‚decreto ingiuntivo’ erfüllt, wie der EuGH bereits in dem o. a. Urteil vom 13.7.1995 ausgeführt hat. Er wird von einem Richter erlassen, und zwar – weitergehender als bei einem Mahnbescheid nach deutschem Recht – nach einer Sachprüfung anhand der vorgelegten Beweise (vgl. Geimer-Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I, 1. Halbbd., 983; Piekenbrock, Der italienische Zivilprozess im europäischen Umfeld, 1998, 91; Kruis, IPRax 2001, 56). Für vollstreckbar erklärt wird er – abgesehen von dem Sonderfall einer, einem deutschen Arrestbeschluss vergleichbaren vorläufigen Vollstreckungsanordnung bereits mit Erlass gemäß Art. 642 C. proc. civ. – normalerweise erst dann, wenn die Widerspruchsfrist von (i. d. R.) 40 Tagen abgelaufen sowie innerhalb der Frist entweder kein Widerspruch eingegangen ist oder derjenige, der den Widerspruch erhoben hat, sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat (Art. 641, 647 C. proc. civ.).

[4]Vorliegend war das Verfahren kontradiktorisch ausgestaltet, da die Vollstreckungsanordnung nicht gemäß Art. 642 C. proc. civ. sofort, sondern erst am 7.4.2004 erfolgt ist, also nachdem dem Schuldner Gelegenheit gegeben worden war, gegen den ihm am 30.6.2003 zugestellten Bescheid Widerspruch einzulegen.

[5]Der Umstand schließlich, dass nach Art. 633 III C. proc. civ. ein Mahnbescheid nicht ergehen kann, dessen Zustellung im Ausland erfolgen muss, berührt dessen Existenz nicht. Zwar kann es Fälle geben, in denen eine gerichtliche Entscheidung an so schwerwiegenden Mängeln leidet, dass sie als wirkungslos zu betrachten ist und daher eine Wirkungserstreckung gemäß Art. 32 ff. EuGVO ausscheidet (vgl. OLG Hamm, IPRax 1994, 289 (IPRspr. 1993 Nr. 172) mit Anm. Schütze 266; Geimer-Schütze, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 34 Rz. 2 f. ; Kruis 58). Ein unter Verletzung des Art. 633 III C. proc. civ. ergangener Bescheid ist aber nach der insoweit maßgeblichen italienischen Rechtsprechung nicht absolut unwirksam mit der Folge, dass er als rechtlich nicht existent anzusehen wäre, sondern lediglich anfechtbar, da er von einem für entsprechende Entscheidungen grundsätzlich zuständigen staatlichen Organ erlassen wurde (vgl. Kruis 58; OLG München, IPRspr 1999 Nr. 159).

[6]Damit handelt es sich bei dem mit einer Vollstreckungsanordnung versehenen Mahnbescheid um eine Entscheidung im Sinne des Art. 38 EuGVO mit der weiteren Folge, dass der Schuldner mit allen Einwendungen, die er bereits vor dem italienischen Gericht hätte geltend machen können, ausgeschlossen ist (Art. 45 II EuGVO, § 12 I AVAG). Sein Vorbringen über eine Honorarvereinbarung und über eine nicht berücksichtigte Abschlagszahlung ist daher unbeachtlich.

[7]2. Der Vollstreckbarkeitserklärung stehen Anerkennungs- und damit Vollstreckungshindernisses nach den Art. 45 I, 34 EuGvO nicht entgegen.

[8]a) Ein Verstoß gegen den ordre public (Art. 34 Nr. 1 EuGVO) lässt sich dem Vorbringen des Schuldners nicht nachvollziehbar entnehmen. Der Umstand, dass trotz des von dem Schuldner eingelegten Widerspruchs im Urteilsstaat der Bescheid für vollstreckbar erklärt worden ist, lässt nicht den Schluss zu, dass das Gericht diesen unter Verletzung der Verfahrensgarantie der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht zur Kenntnis genommen hat. Vorliegend hat der Schuldner sich nämlich in seinem Widerspruch nicht zu Grund und Höhe der gegen ihn erhobenen Forderungen geäußert, sondern lediglich mit der Begründung, er müsse bei einer Einreise nach Italien mit einer Verhaftung rechnen und habe wegen unüberwindlicher Sprachprobleme und fehlender finanzieller Mittel keine Möglichkeit einen italienischen Anwalt zu mandatieren, eine Verweisung der Sache an ein deutsches Gericht in L. beantragt. Nach Art. 645 C. proc. civ. ist aber der Widerspruch in Form einer Klageschrift einzulegen, mit der Folge, dass ab Einlegung formal umgekehrte Parteirollen bestehen (Kruis 57 N. 10) und eine Vollstreckungsanordnung auch dann ergehen kann, wenn der Schuldner seine Einwendungen oder Einreden nicht durch Urkunden oder rasch aufzunehmende Beweise beweisen kann (vgl. Jahrbuch für italienisches Recht, Bd. II, 1989, 107). Vorliegend hat aber der Schuldner – abgesehen von der nur auf ersichtlich nicht durchgreifende Argumente gestützten Zuständigkeitsrüge – nicht dargelegt, was er gegen die Forderungen des Gl. einwenden will. Neben dem Widerspruch bedarf es zudem gemäß Art. 647 C. proc. civ. einer Einlassung, für die wiederum gemäß Art. 165 C. proc. civ. bestimmte Förmlichkeiten einzuhalten sind (vgl. Kruis 60 N. 44), die sich vorliegend ebenfalls nicht feststellen lassen.

[9]Allein der Umstand, dass in Italien an einen Widerspruch weitergehende Anforderungen zu stellen sind als nach deutschem Recht, führt nicht zu einem ‚offensichtlichen’ Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung. Wesentliche Rechtsgrundsätze werden durch Begründungsanforderungen an einen Rechtsbehelf, die es auch nach deutschem Recht gibt, nicht tangiert, zumal die Anforderungen an den Widerspruch des Schuldners spiegelbildlich denen an einen Antrag des Gl. entsprechen. Auch der Gl. hat seinen Antrag zu begründen und riskiert es, dass sein Gesuch zurückgewiesen wird, wenn das Gericht es nicht für schlüssig hält oder er trotz Hinweises keine Beweise beibringt (Art. 640 C. proc. civ.).

[10]b) Verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVO ist in der hier gegebenen Konstellation der noch nicht mit einer Vollstreckungsanordnung versehene Mahnbescheid (EuGH, Urt. vom 13.7.1995 aaO). Dessen Zustellung am 30.6.2003 setzte die Widerspruchsfrist von 40 Tagen erst in Gang. Damit ist sie so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden, dass der Schuldner die Möglichkeit hatte, sich durch einen den Anforderungen der italienischen Cc entsprechenden Widerspruch zu verteidigen.

[11]Einer Zustellung der Vollstreckungsanordnung vom 7.4.2004 bedurfte es nicht. Anders als noch nach dem EuGVÜ/LugÜ braucht nach der EuGVO die Zustellung der für vollstreckbar zu erklärenden Entscheidung nicht nachgewiesen werden. Sie ist insgesamt entbehrlich, wenn sie – abweichend von der deutschen Regelung (§ 750 ZPO) – nach dem Recht des Ursprungsstaats keine Vollstreckbarkeitsbedingung ist (vgl. Schlosser aaO Art. 53 EuGVO Rz. 4). Um einen derartigen Fall handelt es sich hier; denn in Art. 654 II C. proc. civ. ist bestimmt, dass zum Zwecke der Vollstreckung eine neuerliche Zustellung des für vollstreckbar erklärten Mahnbescheids nicht notwendig ist.

[12]3. Der Titel ist allerdings nach deutschem Verständnis teilweise zu unbestimmt und bedarf deshalb der Konkretisierung (vgl. BGH, NJW 1993, 1801) (IPRspr. 1993 Nr. 171). Wegen der Höhe der Zinsen und des Zinsbeginns hat diese bereits das LG nach einer entsprechenden Auflage an den Gl. vorgenommen. Eine Konkretisierung ist allerdings auch erforderlich, soweit die Verurteilung zur Zahlung nicht näher bezifferter MWSt. erfolgt ist (vgl. Zöller-Geimer, ZPO 24. Aufl., § 722 Rz. 40). Entsprechendes gilt erst recht wegen der in Deutschland nicht geläufigen Verurteilung zur Zahlung von – ebenfalls nicht bezifferten – Beiträgen auf die Anwaltsrentenversicherung (CPA).

[13]Die MWSt. beträgt in Italien 20%, wie dem Senat bekannt ist. So hat der Gl. sie auch in seinem Schreiben vom 4.8.2004 in Ansatz gebracht, in dem er dem Schuldner mitteilt, wie er dessen Teilzahlung verrechnet hat. Wegen der CPA wendet der Schuldner sich zwar gegen eine teilweise Verrechnung seiner Leistung hierauf, stellt aber den Satz von 2% nicht in Frage, so dass auch dieser unbedenklich in Ansatz gebracht werden kann.

[14]Aus Gründen der Übersichtlichkeit hielt es der Senat für angezeigt, die erforderlichen Konkretisierungen im Rahmen einer Neufassung in den zu vollstreckenden Ausspruch aufzunehmen, anstatt diese zum Gegenstand eines an sich ohne weiteres möglichen gesonderten Feststellungsausspruchs zu machen.

[15]4. Der Einwand der teilweisen Erfüllung der titulierten Verbindlichkeit im Verlauf des Verfahrens greift durch, soweit hierüber nach der teilweisen Erledigung der Sache noch zu entscheiden ist, also wegen der von dem Gl. auf die CPA verrechneten 24,51 Euro und der auf die MWSt. verrechneten 250 Euro, denn insoweit ist nach der eigenen Verrechnungsweise des Gl. Erfüllung eingetreten.

[16]In der Literatur ist umstritten, ob § 12 I AVAG, der es den Schuldner ermöglicht, den Einwand der nachträglichen Erfüllung der titulierten Verbindlichkeit im Beschwerdeverfahren zu erheben, infolge Art. 45 I EuGVO und damit wegen höherrangigen europäischen Rechts gegenstandslos ist (so MünchKommZPO-Gottwald, 2. Aufl., Art. 43 EuGVO Rz. 7; Thomas-Putzo-Hüßtege, ZPO, 26. Aufl., Art. 45 EuGVO Rz. 3; Schlosser aaO Art. 43 EuGVO Rz. 14; Hub, NJW 2001, 3145 [3147]; Micklitz/Rott, EuZW 2002, 15 [22]; a. A. Wagner, IPRax 2002, 75 [83]; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 43 EuGVO Rz. 27 ff.). Der Senat hat diese Frage vom Grundsatz her bisher offen gelassen, jedoch entschieden, dass jedenfalls eine unstreitige Erfüllung beachtlich ist, denn in einem solchen Fall fehlt einem Gläubiger unabhängig von der Frage, wie Art. 45 EuGVO auszulegen ist, das Rechtsschutzinteresse an einer Vollstreckbarkeitserklärung (vgl. Senat, OLG-Report Köln 2004, 359 = NJOZ 2004, 3448).

[17]Vorliegend hat der Schuldner ausweislich des Überweisungsbelegs die 1 500 Euro überwiesen als ‚Restbetrag aus Rechnung Gerichtsver...’, also auf die titulierte Verbindlichkeit und damit eine Leistungsbestimmung im Sinne des Art. 1193 I Cc getroffen. Dementsprechend hat der Gl. die Zahlung zutreffend auf einen Teil des titulierten Honoraranspruchs einschließlich der auf diesen Teil entfallenden CPA und MWSt. angerechnet. Da auch diese Nebenforderungen neben dem Nettohonorar tituliert sind, sind auch sie nach der eigenen Berechnung des Gl. erfüllt, was seine Prozessbevollmächtigten bei der Beschränkung der Erledigungserklärung auf das Nettohonorar übersehen haben. Damit hat der Gl. wegen der gezahlten 24,51 Euro und 250 Euro kein rechtlich geschütztes Interesse mehr an einer Vollstreckbarkeitserklärung und der Antrag war insoweit zurückzuweisen. Einer weitere Anheimgabe an den Gl. auch insoweit die Hauptsache für erledigt zu erklären, war wegen der gerade in seinem Interesse liegenden Pflicht des Senats aus Art. 41 EuGVO zur unverzüglichen Entscheidung und im Hinblick darauf, dass wegen der teilweisen Zurückweisung des Antrags dem Gl. kostenmäßig keine Nachteile erwachsen, nicht angezeigt.

Fundstellen

nur Leitsatz

OLGR, Köln 2005, 83

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