PDF-Version

Verfahrensgang

LG Stuttgart, Beschl. vom 27.10.2004 – 17 O 547/04, IPRspr 2004-168

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Vermögensrechtliche Angelegenheiten

Leitsatz

Ein Urteil der französischen Cour de cassation, das eine zweitinstanzliche Entscheidung der Cour d'appel aufhebt, kann hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs für Beträge, die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der aufgehobenen Entscheidung gezahlt wurden, nicht für vollstreckbar erklärt werden, wenn mangels eines bestimmten Leistungsausspruchs die Bezifferung der Zahlungsverpflichtung von Feststellungen, insbesondere dem Nachweis der Zahlung, abhängig wäre, die außerhalb des ausländischen Titels liegen.

Rechtsnormen

AVAG § 8
ZPO § 91; ZPO § 92; ZPO § 788

Sachverhalt

Die ASt. begehrt die Vollstreckbarerklärung eines französischen Urteils, das nach Aufhebung in zweiter Instanz durch Urteil des Kassationsgerichtshofs wiederhergestellt worden ist.

Die AGg. hatte erstinstanzlich Zahlungsklage eingereicht, die durch das Urteil des Tribunal de Grande Instance de Strasbourg vom 15.1.1996 abgewiesen worden war. Zweitinstanzlich hatte die Cour d'appel de Colmar eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 30 489,80 Euro ausgesprochen. Diesen Betrag zahlte die ASt. zur Meidung der Zwangsvollstreckung an die AGg. Nach dem Vortrag der ASt. stelle das Urteil des Kassationsgerichtshofs vom 26.3.2002, durch das die zweitinstanzliche Entscheidung auf Revision der ASt. wieder aufgehoben worden war, nach französischem Recht bereits einen Vollstreckungstitel hinsichtlich der Rückzahlung des gezahlten Betrages dar. Dies gelte unabhängig davon, ob der Tenor der Entscheidung einen solchen Ausspruch enthalte.

Der Antrag hatte insoweit Erfolg, als das klagabweisende erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des darin titulierten Kostenerstattungsanspruchs für vollstreckbar erklärt wurde. Hinsichtlich der Vollstreckbarerklärung des kassationsgerichtlichen Urteils blieb der Antrag ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Der weitergehende Antrag, das Urteil des Kassationsgerichtshofs vom 26.3.2002 dahin für vollstreckbar zu erklären, dass der AGg. aufgegeben wird, an die ASt. 30 849,80 Euro nebst gesetzlichen Zinsen zu bezahlen, war als unbegründet zurückzuweisen …

[2]Es mag zwar richtig sein, dass das Kassationsurteil vom 30.6.2004 nach französischem Recht Vollstreckungstitel ist hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung derjenigen Beträge, die aufgrund aufgehobener Entscheidungen geleistet worden sind. Dieser Titel stellt insoweit aber allenfalls eine Grundentscheidung dar, da er über die Betragshöhe nichts aussagt. Ein ausländischer Titel muss aber grundsätzlich, um für vollstreckbar erklärt werden zu können, auf eine bestimmte Leistung lauten. Es kann zwar auch noch im Verfahren der Vollstreckbarkeit eine im ausländischen Titel nicht bestimmt genug ausgesprochene Leistungspflicht näher konkretisiert werden. Dies aber nur insoweit, als es dabei um Kriterien geht, die sich aus dem Titel selbst ergeben und die in Anwendung gesetzlicher Vorschriften des Auslands oder unter ähnlich sicher feststellbaren Umständen zu einer betragsmäßigen Festlegung herangezogen werden können. Dies ist etwa möglich bei der Konkretisierung einer Verurteilung zu den gesetzlichen Zinsen bzw. der Erstattung der gesetzlichen MWSt. aus einem im Urteil ausgewiesenen Betrag, für einen öffentlich bekannt gemachten Währungsausgleich oder den Index für Lebenshaltungskosten (vgl. MünchKommZPO-Gottwald, 2. Aufl., § 722 ZPO Rz. 17 m.w.N.; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 38 Rz. 13; nicht anders auch das von der ASt. angeführte Zitat bei Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl., Art. 38 Rz. 19).

[3]Um eine solche Konkretisierung nach objektiv feststellbaren und sich aus der Entscheidung selbst ergebenden Kriterien geht es bei dem vorliegenden Antrag aber gerade nicht. Es handelt sich nicht lediglich um eine bloße Konkretisierung oder ergänzende Auslegung des ausländischen Titels. Hier soll vielmehr die Bestimmung einer konkreten Zahlungsverpflichtung anhand von Feststellungen, insbesondere des Nachweises der Zahlung, ausgesprochen werden, die außerhalb des ausländischen Titels liegen und daher von dem mit dem bloßen Ausspruch der Vollstreckbarkeit befassten inländischen Gericht nicht getroffen werden dürfen. Darauf, ob für die behauptete Zahlung Beweismittel vorgelegt sind, kommt es deshalb nicht an.

[4]Auch das Argument, der ASt. werde bei Ablehnung der Klauselerteilung in einem solchen Fall die Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Rechte versagt, ist nicht richtig. Auf der Grundlage der internationalen Abkommen für die gegenseitige Anerkennung vollstreckungsfähiger Titel ist eine erneute Leistungsklage in einem Mitgliedstaat nur dann und insoweit ausgeschlossen, als das vereinfachte Verfahren der Vollstreckbarerklärung in Anspruch genommen werden kann. Liegen bei dem ausländischen Titel die Voraussetzungen für eine Klauselerteilung aber nicht vor, dann kann eine (erneute) Leistungsklage eingereicht werden (Kropholler aaO Art. 32 Rz. 13).

[5]Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 I AVAG i.V.m. § 788 ZPO sowie §§ 91, 92 ZPO.

Fundstellen

Aufsatz

Smyrek, RIW, 2005, 695 A

LS und Gründe

RIW, 2005, 709

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2004-168

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
<% if Mpi.live? %> <% end %>