Im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen (hier: dänischen) Versäumnisurteils kann der Schuldner, der sich im Ausland nicht eingelassen hat, rügen, der Gläubiger habe das Urteil durch vorsätzlich falschen Prozessvortrag erwirkt; denn ein solches Urteil verstößt gegen die deutsche öffentliche Ordnung. Dazu kann der Schuldner sich auch auf Tatsachen stützen, die schon vor dem Gericht des Erststaats hätten geltend gemacht werden können.
Den Anforderungen an das Vorbringen des Schuldners, der sich darauf beruft, der Gläubiger habe in den Rechnungen über ein vereinbartes Stundenhonorar bewusst eine den wirklichen Aufwand weit überschreitende Arbeitszeit angegeben, genügt ein der Beweiserhebung uneingeschränkt zugänglicher Vortrag, wenn dieser auf die in den Rechnungen genannten Leistungen im Einzelnen eingeht, so dass nach dem danach zugrunde zu legenden Arbeitsaufwand alles für eine bewusste Falschberechnung sprechen würde.
Die ASt, eine dänische Anwaltskanzlei, begehrt, ein gegen die AGg. in Dänemark ergangenes Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Die AGg. hatte die ASt. mit ihrer Vertretung in einer vor einem dänischen Gericht erhobenen Klage beauftragt. Die Parteien vereinbarten dafür ein Honorar nach Zeitaufwand zu einem Stundensatz von 470 DM. Die ASt. erwirkte wegen des von ihr berechneten Honorars ein Versäumnisurteil des Amtsgerichts Kopenhagen, das die AGg. verurteilte, an die ASt. 62 655,37 dkr nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen dänischen Diskontsatz seit dem 19.8.1999 sowie 3 500 dkr an Verfahrenskosten zu zahlen.
Die AGg. wendet ein, die an ihre Geschäftsadresse in der A.-Straße in E. zusammen mit der Ladung gerichtete Klage sei ihr nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Die ASt. habe das Urteil außerdem durch vorsätzlich falschen Prozessvortrag erschlichen.
Der Vorsitzende der Zivilkammer des LG hat angeordnet, das Versäumnisurteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des AGg. hatte Erfolg.
[1]Die gemäß §§ 15 I AVAG, 574 I Nr. 1, II Nr. 2 Alt. 2 ZPO statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde der AGg. führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
[2]1. Die Anerkennungsvoraussetzungen bestimmen sich, wie das OLG zutreffend angenommen hat, nach dem EuGVÜ; denn die EuGVO hat für Dänemark keine Gültigkeit (vgl. Art. 1 III EuGVO sowie Nr. 21 und 22 der Erwägungsgründe zur EuGVO).
[3]2. Gemäß Art. 34 II i.V.m. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Das Beschwerdegericht meint, das Zustellungsverfahren sei nicht zu beanstanden. Nach dem Zeugnis vom 21.12.1999 des für die Erledigung zuständigen AG E. sei das Doppel der Ladung zum Termin vom 28.2.2000 zusammen mit der Klage nebst Anlagen sowie Belehrung in dänischer Sprache und in deutscher Übersetzung am Geschäftssitz der AGg. an deren Bedienstete zugestellt worden. Da eine ordnungsgemäße Postzustellungsurkunde vorliege, bestehe der begründete Anschein, dass der Adressat in die Lage versetzt worden sei, sich die erforderliche Kenntnis von dem niedergelegten Schriftstück zu verschaffen. Diese Indizwirkung habe die AGg. nicht durch eine plausible und schlüssige Darstellung gegenteiliger Tatsachen entkräftet; denn dafür reiche es nicht aus, schlicht in Abrede zu stellen, dass die in der Urkunde bezeichnete Person im Zeitpunkt der Zustellung bei ihr angestellt gewesen sei. Vielmehr müsse der Adressat glaubhaft machen, dass ein ihm anzulastendes Missgeschick bei der angeblich fehlgeschlagenen Kenntnisnahme vom Schriftstück auszuschließen sei.
[4]Gegen diese Erwägungen wendet sich die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.
[5]a) Gemäß Art. 5 I lit. a HZÜ wird die Zustellung in einer der Formen bewirkt, die das Recht des ersuchten Staats für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt. Nach dem somit maßgeblichen deutschen Recht in der damals geltenden Fassung konnte bei juristischen Personen die Zustellung in der Weise bewirkt werden, dass die Sendung einem in dem Geschäftslokal anwesenden Bediensteten übergeben wurde (§ 184 I ZPO a.F.) ...
[6]e) ... Danach ist das Beschwerdegericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das Zustellungszeugnis nach Art. 6 HZÜ eine den Anforderungen des § 184 I ZPO a.F. genügende Zustellung belegt.
[7]3. Nach § 3 AusfG zum HZÜ und zur Beweisaufnahme im Ausland vom 22.12. 1977 (BGBl. I 3105) ist eine förmliche Zustellung nur zulässig, wenn das zuzustellende Schriftstück in deutscher Sprache abgefasst oder in diese übersetzt ist. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, diese Voraussetzung lasse sich den Gerichtsakten nicht entnehmen. Diese Rüge ist ebenfalls nicht begründet. Das Zustellungszeugnis nach Art. 6 HZÜ bestätigt, dass auch die Klage in dänischer Sprache und deutscher Übersetzung übergeben worden ist. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der deutsche Text des „Certificate“ eindeutig in diesem Sinne zu verstehen.
[8]4. Vergeblich wendet die Rechtsbeschwerde ein, das Schriftstück sei der AGg. nicht so rechtzeitig im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ zugestellt worden, dass sie sich habe verteidigen können. Das Zeugnis nach Art. 6 HZÜ vom 21.12.1999 weist aus, dass die Zustellung am 15.12.1999 stattgefunden hat. Bis zu dem auf den 28.2.2000 datierten Termin standen der AGg. damit rund zweieinhalb Monate zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zur Verfügung. Das war auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass jeweils in der Woche vor und nach dem Jahreswechsel möglicherweise in dieser Hinsicht nichts Wesentliches unternommen werden konnte, ohne weiteres ausreichend.
[9]5. Nach Art. 34 II i.V.m. Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ ist der Entscheidung die Anerkennung zu versagen, wenn diese der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland widersprechen würde. Einen solchen Verstoß hat das Beschwerdegericht verneint, weil die AGg. den von ihr behaupteten Prozessbetrug der Gegenseite nicht hinreichend dargelegt habe. Dass die ASt. möglicherweise eine zu hohe Stundenzahl für notwendig gehalten oder berechnet habe, reiche für die Annahme eines Prozessbetrugs nicht aus.
[10]Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[11]a) Der Beklagte, der sich im Ausland nicht eingelassen hat, kann im Anerkennungsverfahren rügen, der Gegner habe das Urteil durch vorsätzlich falschen Prozessvortrag erwirkt; denn ein solches Urteil verstößt gegen die deutsche öffentliche Ordnung (BGHZ 141, 286, 304 (IPRspr. 1999 Nr. 160. ); BGH, Beschl. vom 10.7.1986 – IX ZB 27/86, WM 1986, 1370, 1371 (IPRspr. 1986 Nr. 182)). Diese Möglichkeit besteht allgemein und ist nicht davon abhängig, ob der Antragsgegner diesen Einwand schon vor dem ausländischen Gericht hätte erheben können. Nur wenn er sich bereits vor dem Gericht des Erststaats verteidigt hat, ist er mit dem Tatsachenvortrag ausgeschlossen, den er dort in den Rechtsstreit hätte einführen können. Lässt der Beklagte sich aber im Ausland nicht ein, steht ihm der Betrugseinwand im Verfahren nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ oder nach § 328 I Nr. 4 ZPO uneingeschränkt zur Verfügung (BGHZ aaO).
[12]b) Der von der AGg. erhobene Einwand ist nicht deshalb von vornherein ungeeignet, einen Prozessbetrug zu belegen, weil (nur) geltend gemacht wird, die ASt. habe eine bei weitem zu hohe Stundenzahl in Rechnung gestellt.
[13]Die Parteien haben eine Vergütung nach Zeitaufwand vereinbart. Stellt der Dienstverpflichtete seinem Auftraggeber bewusst mehr Stunden in Rechnung, als er zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgabe benötigt hat, macht er sich eines versuchten Betrugs schuldig. Wer zur Zahlung einer in diesem Sinne überhöhten Vergütung verurteilt worden ist, muss daher auch im Anerkennungsverfahren die Möglichkeit haben, einen entsprechenden Tatbestand vorzutragen und unter Beweis zu stellen. Dies kann auch in der Weise geschehen, dass ein krasses Missverhältnis zwischen dem für die Tätigkeit objektiv erforderlichen und dem vom Gläubiger in Rechnung gestellten Aufwand dargelegt und nachgewiesen wird. Ein entsprechendes Missverhältnis begründet ein geeignetes Beweisanzeichen für die beim Gegner erforderlichen subjektiven Merkmale. Da das Anerkennungsverfahren jedoch keinesfalls zu einer Nachprüfung der ausländischen Entscheidung in der Sache führen darf (Art. 34 III, 29 EuGVÜ) und diese Gefahr besonders groß ist, wenn der Streit der Parteien lediglich die Höhe des angemessenen und verkehrsüblichen Arbeitsaufwands betrifft, sind in solchen Fällen hohe Anforderungen an den Vortrag des Antragsgegners zu stellen, welcher geltend machen will, das zur Anerkennung gestellte Urteil sei arglistig erschlichen worden. Er muss einen Sachverhalt konkret und im Einzelnen nachvollziehbar beschreiben, der geeignet ist, den erhobenen Betrugsvorwurf zu belegen.
[14]c) Das Vorbringen der AGg. in den Tatsacheninstanzen genügt jedoch diesen Anforderungen. Die ASt. hat insgesamt acht ein Stundenhonorar enthaltende Rechnungen gestellt, die jeweils benennen, für welche Tätigkeit eine Vergütung gefordert wird. Insgesamt weisen die Rechnungen einen Arbeitsaufwand von 83,5 Stunden aus. Die AGg. ist auf jede in den Rechnungen genannte Leistung im Einzelnen eingegangen, hat genau beschrieben, was zu erarbeiten war, die von der ASt. verfassten Schriftstücke vorgelegt und dem von der ASt. dargelegten Zeitaufwand eine eigene Berechnung der Arbeitsschritte gegenübergestellt, die zu dem Ergebnis gelangt, für die geleistete Tätigkeit sei eine Zeit von nicht mehr als 28 Stunden benötigt worden. Das auf alle Punkte eingehende Vorbringen der AGg. ist einer Beweiserhebung uneingeschränkt zugänglich. Erweist es sich als zutreffend, spricht nach derzeitigem Sachstand alles dafür, dass ihr bewusst mehr Arbeitszeit in Rechnung gestellt wurde, als die Anwälte der ASt. zur Erledigung des Auftrags tatsächlich benötigt haben. Das Beschwerdegericht hätte daher die von der AGg. angebotenen Beweise erheben müssen ...
[15]Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit die fehlenden Feststellungen nachgeholt werden können.