Legt im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen (hier: niederländischen) Urteils der Schuldner entgegen Art. 43 II EuGVO in Verbindung mit Anhang III zur EuGVO nicht beim Oberlandesgericht, sondern beim Landgericht als dem Gericht des ersten Rechtszugs gemäß § 11 II AVAG ein, so wird dadurch die Frist des Art. 43 V EuGVO gewahrt.
Das Beschwerdegericht prüft von Amts wegen die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts ungeachtet der nach Art. 45 I EuGVO beschränkten Versagungsgründe bei der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung.
Im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen (hier: niederländischen) Titels findet eine Spezialzuweisung für Patentsachen nach § 143 II PatG in Verbindung mit dem jeweiligen Landesrecht keine Anwendung.
Niederländische Zwangsgeldentscheidungen, bei denen der Gläubiger unmittelbar vollstrecken und allein bestimmen kann, ob und in welchem Umfang ein schuldhafter Verstoß gegen das Unterlassungsgebot vorliegt, sind nach Art. 49 EuGVO nicht für vollstreckbar zu erklären, solange keine vorherige Festsetzungsentscheidung der niederländischen Gerichte über die endgültige Höhe des Zwangsgeldes ergeht.
Die ASt. begehrt die Vollstreckbarerklärung eines in den Niederlanden erlangten Unterlassungstitels wegen Patentverletzungen durch die AGg.
Die ASt. ist Inhaberin der europäischen Patente ###1, ###2, ###3 und ###4. In einem vor dem Arrondissementsgericht Den Haag geführten Rechtsstreit begehrten verschiedene Unternehmen, darunter die AGg., die Feststellung, dass ihre Produkte die nationalen Teile des europäischen Patents ###1 nicht verletzen sowie die Nichtigerklärung der niederländischen Teile der europäischen Patente ###1, ###2, ###3 und ###4. Auf die im Rahmen dieses Verfahrens von der ASt. erhobene Widerklage wurde der AGg. mit Urteil des Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 verboten, in irgendeinem der von ###1 bezeichneten Länder, ###1 mittelbar zu verletzen bzw. – in Ländern, in denen eine mittelbare Verletzung als unerlaubte Handlung gewertet wird – unerlaubte Handlungen zu begehen, insbesondere indem sie – bestimmt bezeichnete – Produkte der einzelnen Serien anbietet oder liefert, sowie in irgendeinem der von ###2 und ###3 bezeichneten Länder, ###2 und ###3 zu verletzen, insbesondere indem sie – bestimmt bezeichnete – Produkte einzelner Serien herstellt, verkauft oder liefert. Zugleich wurde ihr auferlegt, an die ASt. für jede Zuwiderhandlung gegen eines dieser Verbote ein nach Zustellung des Urteils fälliges Ordnungsgeld (dwangsom) in Höhe von 100 000 Euro zu zahlen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG Bonn – der Vorsitzende – auf Antrag der ASt. die Klauselerteilung hinsichtlich der Unterlassungsgebote sowie der Zwangsgeldfestsetzung angeordnet. Gegen den ihr am 8.12.2003 zugestellten Beschluss hat die AGg. am 7.1.2004 beim LG Beschwerde eingelegt. Das LG hat die Akte auf die Beschwerde unverzüglich dem OLG vorgelegt, wo sie am 12.1.2004 eingegangen ist. Das Rechtsmittel hatte teilweise – hinsichtlich der Vollstreckbarerklärung der Zwangsgeldfestsetzung – Erfolg.
[1]1. Die Beschwerde ist gemäß § 11 AVAG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
[2]Die Vollstreckbarerklärung niederländischer Urteile in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich, da das Urteil nach dem 1.3.2002 und demnach nach Inkrafttreten der EuGVO erlassen worden ist, nach dem vorgenannten AVAG i.V.m. der EuGVO.
[3]Nach Art. 43 V 1 EuGVO ist der Rechtsbehelf des Schuldners gegen die Vollstreckbarerklärung grundsätzlich innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung einzulegen, wobei die Einlegung des Rechtsbehelfs in der Bundesrepublik Deutschland bei dem OLG zu erfolgen hat (Art. 43 II EuGVO i.V.m. Anhang III zur EuGVO). Vorliegend hat die ASt. die Beschwerde zwar am 7.1.2004 nicht beim OLG, sondern beim LG eingelegt und die Sache ist – nach unverzüglicher Weiterleitung – erst am 12.1.2004, mithin nach Ablauf der am 8.1.2004 endenden Beschwerdefrist, beim OLG eingegangen. Jedoch bestimmt § 11 II AVAG, dass die Zulässigkeit der Beschwerde nicht dadurch berührt wird, dass sie statt bei dem Beschwerdegericht bei dem Gericht des ersten Rechtszugs eingelegt wird. Die Vorschrift will verhindern, dass sich eine – etwaige – Unkenntnis des Beschwerdeführers davon, dass die Beschwerde in Abweichung von § 569 I 1 ZPO nicht auch bei dem Gericht des ersten Rechtszugs eingelegt werden kann, zu dessen Nachteil auswirkt (vgl. Rauscher-Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2004, Art. 43 Brüssel I-VO, Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 43 Rz. 10). Ob die Regelung des § 11 II AVAG mit Art. 43 II EuGVO i.V.m. Anhang III zur EuGVO unvereinbar (hierzu dürfte Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 43 EuGVO Rz. 20 tendieren) und aufgrund dessen unwirksam ist bzw. ob sie zur Vermeidung eines Widerspruchs mit der Bestimmung des Art. 43 II EuGVO einschränkend dahin auszulegen ist, dass die Einlegung der Beschwerde beim LG der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nur dann nicht entgegensteht, wenn die Akte innerhalb der Beschwerdefrist beim OLG eingeht (dagegen Zöller-Geimer, ZPO, 24. Aufl., § 11 AVAG Rz. 4, nach dessen Auffassung, die fristgerechte Einlegung beim LG genügt), oder ob § 11 II AVAG auch bei einem Verstoß gegen Art. 43 II EuGVO für die deutschen Gerichte bindend ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die von der AGg. entsprechend § 11 II AVAG gewählte Verfahrensweise der Beschwerdeeinlegung beim LG ist jedenfalls nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung hinzunehmen. Das Meistbegünstigungsprinzip findet auch im Geltungsbereich der EuGVO Anwendung (vgl. Schlosser Rz. 2) und greift – über die Fälle der inkorrekten Entscheidungen hinaus – immer dann ein, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit besteht, welches Rechtsmittel er wo einlegen soll, sofern dies auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung beruht ( vgl. BGH, NZM 2004, 93, 94; Zöller-Gummer aaO Vor § 511 Rz. 31). Zwar ergibt sich die bestehende Unsicherheit darüber, ob die Beschwerde zulässigerweise nur bei dem Beschwerdegericht oder auch bei dem Ausgangsgericht eingelegt werden kann, vorliegend nicht aus der angefochtenen Entscheidung, sondern aus der Vorschrift des § 11 II AVAG. Gleichwohl kann diese Unklarheit nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen. Vielmehr kann dieser das Rechtsmittel innerhalb der Beschwerdefrist wirksam sowohl bei dem Gericht des ersten Rechtszugs wie auch beim OLG einlegen. Denn das Meistbegünstigungsprinzip stellt eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und des Vertrauensschutzes dar (BGH aaO). Das Vertrauen desjenigen, der sich an einer – möglicherweise unwirksamen – gesetzlichen Vorschrift orientiert, ist aber nicht minder schutzwürdig als desjenigen, der sich von einer fehlerhaften oder unklaren Entscheidung hat leiten lassen.
[4]2. In der Sache selbst hat das Rechtsmittel nur insoweit Erfolg, als die AGg. sich gegen die Vollstreckbarerklärung des ihr in der Entscheidung des Arrondissementgerichts Den Haag vom 22.10.2003 auferlegten Zwangsgelds wendet. Dagegen ist sie insoweit unbegründet, als die AGg. mit ihr die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung der ausgesprochenen Unterlassungsgebote erstrebt.
[5]a) Das LG Bonn war für die Entscheidung über den Antrag der ASt. vom 26.11. 2003 auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 zuständig.
[6]Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des angerufenen LG ist von Amts wegen zu prüfen (vgl. Kropholler Art. 39 Rz. 10) und vom Beschwerdegericht nachprüfbar. Dem steht nicht die Bestimmung des Art. 45 I EuGVO entgegen, wonach die Vollstreckbarerklärung von dem mit einem Rechtsbehelf nach Art. 43 oder Art. 44 EuGVO befassten Gericht nur aus einem der in den Art. 34 und 35 EuGVO aufgeführten Gründen versagt oder aufgehoben werden darf (so aber Hüßtege in: Thomas-Putzo-Hüßtege, ZPO, 25. Aufl., Art. 45 EuGVO Rz. 3). Art. 45 EuGVO kann nicht dahin ausgelegt werden, dass das Beschwerde- bzw. Rechtsbeschwerdegericht nur diejenigen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung prüfen darf, die einer Überprüfung durch das Gericht des ersten Rechtszugs entzogen waren (vgl. Rauscher-Mankowski Art. 45 Brüssel I-VO Rz. 3; Schlosser Art. 45 EuGVO). Anderenfalls würde man dem Antragsgegner, der nach Art. 41 Satz 2 EuGVO im erstinstanzlichen Verfahren grundsätzlich nicht gehört wird, insoweit das rechtliche Gehör versagen (vgl. Rauscher-Mankowski aaO). Auch könnte hinsichtlich der dem Prüfungsumfang des LG unterliegenden Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung eine einheitliche Rechtsprechung nicht erlangt und damit Rechtssicherheit nicht erzielt werden (vgl. Schlosser aaO). Schließlich könnte bei einer derart einschränkenden Auslegung des Art. 45 EuGVO ein Rechtsbehelf des Gläubigers gegen die Versagung der Vollstreckbarerklärung kaum Erfolg haben, da die Anerkennungsversagungsgründe der Art. 34, 35 EuGVO im erstinstanzlichen Verfahren nach Art. 41 Satz 1 EuGVO nicht zu prüfen sind und damit für die Zurückweisung des Antrags des Gläubigers keine Rolle gespielt haben können (vgl. Rauscher-Mankowski aaO).
[7]Die Zuständigkeit des LG Bonn ergibt sich aus Art. 39 I und II EuGVO i.V.m. Anhang II zur EuGVO. Danach ist in der Bundesrepublik Deutschland der Vorsitzende einer Kammer des LG für das Vollstreckbarerklärungsverfahren sachlich zuständig. Damit begründet die EuGVO – ohne Rücksicht auf nationale Spezialzuweisungen – die sachliche Zuständigkeit des LG im Allgemeinen. Eine – analoge – Anwendung des § 143 II PatG in Zusammenhang mit der Rechtsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13.1.1998, wonach für Patentstreitsachen aus allen LG-Bezirken des Landes Nordrhein-Westfalen das LG Düsseldorf sachlich ausschließlich zuständig ist (vgl. BGHZ 14, 72, 75; OLG Hamm, Urt. vom 7.11.1989 – 4 U 90/89, zit. n. juris), kommt nicht in Betracht, da die EuGVO gegenüber nationalem Recht, mithin auch dem PatG, vorrangig ist (vgl. Kropholler Einl. Rz. 19). Die örtliche Zuständigkeit des LG Bonn ergibt sich aus Art. 39 II, 59 I EuGVO i.V.m. § 17 I ZPO, da die AGg. ihren Sitz in Bonn hat.
[8]b) Die formellen Voraussetzungen der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung sind erfüllt. Insbesondere haben die ASt. ihrer Beibringungslast nach Art. 53 EuGVO genüge getan.
[9]c) Die Vollstreckbarerklärung der von dem Arrondissementsgericht Den Haag ausgesprochenen Unterlassungsgebote ist auch nicht wegen eines Ordre-public-Verstoßes nach Art. 34 Nr. 1 EuGVO aufzuheben.
[10]Nach Art. 34 Nr. 1 EuGVO ist einer Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats die Anerkennung (und Vollstreckung) zu versagen, wenn sie der öffentlichen Ordnung des Zweitstaats offensichtlich widerspricht. Diese Vorbehaltsklausel ist eng auszulegen. Nicht jede Abweichung der ausländischen Entscheidung vom inländischen Recht führt zu einer offensichtlichen Verletzung des ordre public, vielmehr berechtigen nur besondere Umstände zur Ablehnung der Anerkennung und Vollstreckung (vgl. Kropholler Art. 34 Rz. 7). Die Annahme eines Ordre-public-Verstoßes kommt danach nur in Betracht, wenn die Anerkennung der ausländischen Entscheidung nach den Wertungen der deutschen Rechtsordnung schlechterdings untragbar erscheint (vgl. Schlosser Art. 34–36 EuGVO Rz. 2; Kropholler aaO). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt im Streitfall ein offensichtlicher Verstoß gegen den deutschen ordre public nicht vor, insbesondere widerspricht der Tenor der Unterlassungsgebote nicht den inländischen Bestimmtheitsanforderungen. Allerdings muss der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit zweifelsfrei erkennen können, welche Handlung ihm durch den Titel verboten wird (vgl. Schuschke-Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., Bd. I, § 890 Rz. 22). Deswegen ist im Fall der Patentverletzung die untersagte Verletzungsform konkret zu bezeichnen. Der Tenor der Unterlassungsgebote, der es der AGg. verbietet, die europäischen Patente ###1, ###2, ###3 zu verletzen, insbesondere indem sie – bestimmt bezeichnete – Produkte der Serien ###1 und ###2 anbietet oder liefert bzw. herstellt, verkauft oder liefert, aber bezeichnet die untersagte Verletzungsform hinreichend bestimmt. Er ist dahin auszulegen, dass der AGg. dadurch nicht jede denkbare Ausführungsform, sondern nur die bestimmt bezeichneten Ausführungsformen, nämlich das Anbieten, Liefern, Herstellen oder Verkaufen der aufgeführten Produkte der Serien ###1 und ###2 bzw. im Kern gleichwertige Handlungen verboten werden sollen.
[11]Wie sich aus Nr. 2.4 des Urteils des Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 ergibt, hat die ASt. ihren Widerklageantrag darauf gestützt, dass die E-Produkte, mit Ausnahme der D- und T-Produkte, allen Merkmalen der Patentansprüche von ###2 und/oder ###3 entsprächen und die Unternehmen der E-Gruppe dadurch, dass sie ihre Produkte – mit Ausnahme des sogenannten T-Produkts – anböten und lieferten, wenngleich sie wüssten, dass diese Produkte für die von ###1 und ###4 geschützte Verwendung geeignet und vorgesehen seien, in den Ländern, in denen ###1 und ###4 Geltung hätten, eine mittelbare Patentverletzung oder unerlaubte Handlung begingen. Dass das Arrondissementsgericht Den Haag durch die ausgesprochenen Unterlassungsgebote auch – wesentlich – andere als die von der ASt. angegriffenen und im Tenor ‚insbesondere’ aufgeführten Ausführungsformen untersagen wollte, ist – auch unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des Urteils vom 22.10.2003 – nicht ersichtlich. Dies ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die ausgesprochenen Unterlassungsgebote ‚insbesondere’ die bestimmt bezeichneten Ausführungsformen untersagen. Denn durch die Wendung ‚insbesondere’ kann auch allein zum Ausdruck gebracht werden, was nach der sogenannten ‚Kerntheorie’ (vgl. hierzu Schuschke-Walker aaO) in der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung immer neuer Erkenntnisverfahren anerkannt ist, nämlich dass der Schutzumfang des Unterlassungstitels nicht ausschließlich Ausführungsformen, die mit der Verbotsform identisch sind, sondern auch solche, die von dieser nur geringfügig abweichen und den Kern der Verletzungshandlung unberührt lassen, umfasst.
[12]d) Die Beschwerde ist jedoch insoweit begründet, als die AGg. die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der Zwangsgeldfestsetzung begehrt.
[13]Nach Art. 49 EuGVO sind ausländische Entscheidungen, die auf Zahlung eines Zwangsgelds lauten, im Vollstreckungsmitgliedstaat nur vollstreckbar, wenn die Höhe des Zwangsgelds durch die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats endgültig festgesetzt ist. Der mit der Vollstreckbarerklärung befasste Richter des Zweitstaats, der mit dem erststaatlichen Prozessrecht nicht vertraut ist, soll aus der erststaatlichen Entscheidung selbst ersehen können, wozu der Schuldner verurteilt worden ist (vgl. Rauscher-Mankowski Art. 49 Brüssel I-VO Rz. 5). Endgültig festgesetzt ist das Zwangsgeld danach, wenn seine Gesamthöhe in der ausländischen Entscheidung selbst benannt wird (vgl. Kropholler Art. 49 EuGVO Rz. 1; Rauscher-Mankowski aaO). Nicht ausreichend ist dagegen, dass sich die Summe des Zwangsgelds aus der Entscheidung, beispielsweise anhand der angeblichen Zahl der Zuwiderhandlungen des Schuldners, errechnen lässt (vgl. Kropholler aaO; Rauscher-Mankowski aaO Rz. 6). Jedoch ist der Anwendungsbereich des Art. 49 EuGVO entgegen der Auffassung der ASt. nicht auf Entscheidungen, welche eine regelmäßige Zahlung (periodical payments) im Wege eines Zwangsgelds anordnen, beschränkt. Der englische Text der Vorschrift ist insofern zu eng gefasst und unrichtig (vgl. Schlosser Art. 49 EuGVO Rz. 1). Eine endgültige Festsetzung des Zwangsgelds im Sinne von Art. 49 EuGVO ist durch das Urteil des Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 nicht erfolgt.
[14]Das Arrondissementgericht Den Haag hat der AGg. im Urteil vom 22.10.2003 für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die ausgesprochenen Unterlassungsgebote ein Zwangsgeld in Höhe von 100 000 Euro auferlegt. Eine Entscheidung darüber, ob die AGg. den Unterlassungsgeboten zuwider gehandelt hat, und ggf. in wie vielen Fällen, ist hingegen nicht ergangen, mithin auch keine Entscheidung darüber, ob und in welcher Höhe das Zwangsgeld verwirkt ist. Einer derartigen gesonderten Festsetzung des Zwangsgelds bedarf es in den Niederlanden für die Vollstreckung des Zwangsgelds nicht (Schlosser Rz. 2; Stutz, Die internationale Handlungs- und Unterlassungsvollstreckung unter dem EuGVÜ, 1992, 66). Dieses ist nach Art. 3 Satz 2 des Benelux-Übereinkommens zur Einführung eines einheitlichen Gesetzes über das Zwangsgeld vom 26.11.1973, welches für die Niederlande am 1.10.1978 in Kraft getreten ist und [das die bisherige Regelung des Zwangsgelds in Art. 611 litt. a und b des Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering durch Gesetz vom 23.3.1977 mit den nunmehr geltenden Regelungen der Art. 611 litt. a bis i des Übereinkommens ersetzte] (Nachweise bei Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 54), für den Gläubiger vielmehr unmittelbar aufgrund des Titels, der es feststellt, vollstreckbar (vgl. Gärtner, Probleme der Auslandsvollstreckung von Nichtgeldleistungsentscheidungen im Bereich der Europäischen Gemeinschaft, 1991, 53; Remien 82; Treibmann, Die Vollstreckung von Handlungen und Unterlassungen im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1994, 72). Die Beurteilung, in welcher Höhe das Zwangsgeld aufgelaufen ist, obliegt dem Gläubiger; dem Schuldner bleibt es überlassen, ggf. gegen die Vollstreckungsmaßnahme vorzugehen (Remien 82 f.). Damit sind niederländische Zwangsgeldentscheidungen der vorliegenden Art ohne gesonderte nachfolgende Liquidation mangels endgültiger Festsetzung der Höhe nach Art. 49 EuGVO in der Bundesrepublik Deutschland nicht vollstreckbar; vielmehr bedarf es zu ihrer Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsmitgliedstaat einer vorherigen Festsetzungsentscheidung der niederländischen Gerichte über die endgültige Höhe des Zwangsgelds, die bei Vorliegen eines besonderen Interesses – welches die beabsichtigte Auslandsvollstreckung begründen dürfte – zugelassen wird (vgl. Gärtner 54; Schlosser Art. 49 EuGVO Rz. 5, allerdings ausdrücklich beschränkt auf den Fall, dass ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung gegen ein Unterlassungsgebot festgesetzt wurde; a.A. MünchKommZPO-Gottwald, 2. Aufl., Bd. 3, Art. 43 EuGVÜ Rz. 1) ...
[15]Der Senat sieht keinen Anlass, entsprechend der Anregung der Verfahrensbevollmächtigten der AGg. das Verfahren nach Art. 46 I EuGVO auszusetzen. Eine Aussetzung ist nicht bereits deshalb geboten, weil die Entscheidung des Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 lediglich vorläufig vollstreckbar ist und nach dem Sachvortrag der AGg. gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Entscheidend sind vielmehr in erster Linie die – von der AGg. darzulegenden – Erfolgsaussichten des in den Niederlanden eingelegten Rechtsbehelfs (vgl. Schlosser Art. 46 EuGVO Rz. 3), zu denen hier nichts vorgetragen ist. Auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Risiken ist eine Verfahrensaussetzung nicht erforderlich, insbesondere ist weder ersichtlich noch dargetan, dass der AGg. im Falle der Fortsetzung der Vollstreckung und späteren Aufhebung des Urteils des Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 nicht zu ersetzende Nachteile drohen würden. Vor etwaigen, infolge einer ungerechtfertigten Vollstreckung des Urteils entstehenden Schäden ist die AGg. durch die von der ASt. aufgrund des Urteils des Arrondissementsgerichts Den Haag vom 22.10.2003 geleisteten Sicherheit über 1 500 000 Euro geschützt.