Zur Verbrauchereigenschaft im Sinne von Art. 12 I LugÜ eines Anlegers, der Börsentermingeschäfte über einen Vermögensverwalter abwickelt, die bei einer Bank im Ausland (hier: Schweiz) abgerechnet werden.
Zur Begründung des Verbrauchergerichtsstands nach Art. 13 I Nr. 3 LugÜ für eine Klage aus einem Depotvertrag ist dem Vertragsabschluss im Sinne von lit. a dieser Vorschrift „Werbung“ vorausgegangen, wenn ein Vermögensverwalter durch das Aussprechen von Empfehlungen und die Überlassung von Prospekten im Inland mit Wissen und Wollen der ausländischen (hier: Schweizer) Depotbank Kunden für diese akquiriert.
Der Kl. macht gegen die Bekl. Ansprüche wegen bei Börsentermingeschäften erlittener Verluste in Höhe von insgesamt rund 700 000 Euro nebst Zinsen geltend.
Der Kl. eröffnete im Frühjahr 1991 bei der Bekl., einer Bank mit Sitz in der Schweiz, Konten und Depots. Dem ging eine Empfehlung des Vermögensverwalters G. voraus, der dem Kl. anlässlich des ersten Gesprächs in Hamburg einen Prospekt aushändigte, den die Bekl. unter der damaligen Firma WPZ G. überlassen hatte, damit dieser in Deutschland Kunden für sie akquiriere. Zwischen G. und der Bekl. bestand schon damals eine „Kick-back“-Abrede, nach der er an Provisionen teilhatte, die aus den Aktivitäten der Bank für die so gewonnenen Kunden anfallen würden. Im Folgenden räumte der Kl. G. und einem weiteren Vermögensverwalter eine entsprechende Vollmacht zur Vornahme von Termingeschäften ein. Einzelne Termingeschäfte wurden von Hamburg aus getätigt. Am 25.11.1992 schlossen die Parteien einen DTB-Vertrag ab, der in Hamburg unterzeichnet wurde. Darin wurden die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien für diese Art von Geschäften niedergelegt.
Das LG hat die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Kl. hatte Erfolg und führte zur Zurückweisung an das LG.
[1]Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Kl. kann die von ihm behaupteten Ansprüche nach Art. 13 I, 14 LugÜ bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Gericht geltend machen.
[2]Der in Hamburg ansässige Kl. hat als Verbraucher einen Vertrag mit der Bekl. abgeschlossen, der eine Dienstleistung zum Gegenstand hat. Dem Vertragsabschluss ist ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung im Wohnsitzstaat des Kl. vorausgegangen, und der Kl. hat auch die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen in Deutschland vorgenommen.
[3]Mit zutreffenden Gründen hat das LG die Verbrauchereigenschaft des Kl. bejaht …
[4]Die Gewinnerzielungsabsicht begründet für sich keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit. Entscheidend ist allein, ob der Warenterminspekulant seine Geschäfte außerhalb seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit vornimmt (BGH, Vorlagebeschl. vom 29.1.1991, ZIP 1991, 1209, 1212) (IPRspr. 1991 Nr. 169).
[5]Weder die Herkunft des Geldes noch die Höhe der zur Verfügung stehenden Beträge deuten darauf hin, wofür das Geld angelegt werden soll. Vielmehr trat der Kl. erkennbar als privater Anleger auf. Hierauf deutet auch die Einschaltung eines Vermögensberaters hin, worauf das LG bereits zutreffend hingewiesen hat. Die Zurechnung der Geschäfte zur privaten Sphäre entfällt nicht etwa deshalb, weil sich der Kl. professioneller Hilfe bediente. Die Verbrauchereigenschaft des Kl. ist nicht von der Person des die Geschäfte unmittelbar Ausführenden abhängig, sondern von der Art seiner Geschäfte.
[6]Dem LG kann auch in seiner Beurteilung gefolgt werden, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen ist, weil mit ihm eine tätigkeitsbezogene Leistung der Bekl. für den Kl. vereinbart wurde.
[7]Der Bekl. oblag es gerade nicht, die Entscheidungen zu treffen, wie das Vermögen des Kl. zu verwalten respektive anzulegen war. Vielmehr hatte sie in erster Linie die Investitionsentscheidungen umzusetzen, die der Vermögensverwalter und Anlageberater G. für den Kl. traf. Der kommerzielle Charakter ihrer Tätigkeit prägte daher das Vertragsverhältnis. Wenn darüber hinaus allgemeine Treue- und Geheimhaltungspflichten bestanden, standen diese nicht im Vordergrund der vertraglichen Beziehungen (vgl. auch Schlosser, EuGVÜ, 1996, Art. 13 Rz. 7).
[8]Dem Vertragsschluss ist auch eine Werbung in Deutschland vorausgegangen.
[9]Für die Auslegung des LugÜ können die zur EuGVO ergangenen Entscheidungen herangezogen werden, Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Einl. Rz. 59.
[10]Der Begriff ‚Werbung’ umfasst alle ‚absatzfördernden Handlungen’ des Dienstleisters im Wohnsitzstaat des Verbrauchers. Gleichgültig ist dabei auch, ob die Werbung den Verbraucher gezielt oder nur zufällig erreicht (Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1997, Art. 13 Rz. 34). Ferner ist es ausreichend, wenn der Dienstleister mit einem selbständigen Kontaktbüro zusammenarbeitet, das die Beziehungen zu Kunden herstellen soll (Geimer-Schütze Rz. 35).
[11]Unstreitig hat der Vermögensverwalter G. dem Kl. noch in Deutschland vor Vertragsschluss die WPZ als die für die Vermögensverwaltung geeignete Depotbank empfohlen ... Darüber hinaus ist unstreitig, dass ... G. bereits vor dem ersten Gespräch mit dem Kl. in Hamburg mit Wissen und Willen der WPZ Kunden für seine geschäftlichen Tätigkeiten der Vermögensverwaltung und -anlage unter vertraglicher Bindung an die als geeignete Depotbank empfohlene Bekl. (unter damaliger Firma) akquirierte und zwischen ihm und der WPZ schon damals eine ‚Kick-back’-Abrede bestand, nach der er an Provisionen teilhatte, die aus den Aktivitäten der Bank für die so gewonnenen Kunden anfallen würden. Herr G. wurde damit nicht ausschließlich im eigenen Interesse, sondern gleichzeitig auch für die Bekl. aktiv. Auch wenn die Bekl. Herrn G. keinen ausdrücklichen Auftrag erteilt hatte, für sie zu werben, geschah dies jedenfalls mit ihrem Wissen und Willen, so dass sie sich diese Werbung durch ihn auch zurechnen lassen muss.
[12]Die zum Vertragsabschluss erforderlichen Rechtshandlungen haben in Deutschland stattgefunden.
[13]Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der ‚DTB-Vertrag’ sowie die in Deutschland zugunsten der Herren G. und M. am 2.9.1992 erteilte Vollmacht, auf deren Grundlage die Ordergeschäfte getätigt wurden, keinerlei weitere vertragliche Relevanz hatten.
[14]Nach den im März 1991 unterzeichneten Vereinbarungen war die Bekl. jedenfalls nicht befugt, die später getätigten Anlagegeschäfte auszuführen, sondern durfte nur in dem nach der ‚Anlagevollmacht für treuhänderische Festgelder’ ausgewiesenen Umfang für den Kl. tätig werden. Weitere schriftliche Vereinbarungen im Hinblick auf die in Aussicht genommenen Termingeschäfte wurden nicht getroffen. Insbesondere wurde in der Schweiz aber auch keine separate Verwaltungsvollmacht zugunsten des Vermögensverwalters G. erteilt.
[15]Zu etwaigen mündlichen Absprachen der Parteien bei dem Besuch des Kl. im März 1991 in der Schweiz hat die Bekl. Konkretes nicht vorgetragen … Im Übrigen hat der Kl. aber auch etwaige Absprachen zu den Termingeschäften zwischen den Parteien bei seinem ersten Besuch in der Schweiz bestritten, ohne dass die Bekl. für ihren gegenteiligen Vortrag Beweise angeboten hätte …