Der für den Gerichtsstand gem. § 29 ZPO maßgebliche Erfüllungsort ist dem nach deutschem internationalem Privatrecht anzuwendenden materiellen Recht zu entnehmen (lex causae).
Nach § 269 BGB besteht bei Arbeitsverhältnissen in der Regel ein einheitlicher Erfüllungsort. Er gilt grundsätzlich auch für Versorgungsansprüche. Die Besonderheiten der zugesagten Versorgung (hier: „U.S. Pension Plan“) können jedoch dazu führen, dass der Erfüllungsort für die Versorgungsleistungen vom früheren gewöhnlichen Arbeitsort im Inland abweicht.
Der Kl. verlangt von der Bekl., einer Gesellschaft mit Sitz in Washington D.C./USA, Nachzahlungen einer betrieblichen Altersversorgung aus dem „U.S. Pension Plan“.
Die Bekl. beschäftigte den 1927 geborenen Kl., einen Staatsbürger der USA, bis Oktober 1992 als Angestellten bei ihrem damals in M./Deutschland betriebenen Rundfunksender. Seit November 1992 befindet sich der Kl. in Ruhestand. Er bezieht seither aus dem „U.S. Pension Plan“ der Bekl. eine Rente. Sie wird von der Versicherungsgesellschaft A., ebenfalls mit Sitz in den USA, gezahlt und in den USA versteuert. Der „U.S. Pension Plan“ gilt nur für Arbeitnehmer, die Staatsbürger der USA sind. Die Versorgungsrechte der Arbeitnehmer mit anderer Staatsbürgerschaft sind tarifvertraglich im DM-Pensionsplan geregelt. Im Jahre 1995 verlegte die Bekl. ihren Rundfunksender von M./Deutschland nach P./Tschechische Republik.
Die Bekl. ist der Klage mit der Auffassung entgegengetreten, es fehle an der internationalen Zuständigkeit, da sie bei Klageerhebung in Deutschland keinen Betrieb und keine Niederlassung mehr gehabt habe. Das ArbG München hat die internationale Zuständigkeit verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Das LAG hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Kl. aufgehoben und die Sache an das ArbG zurückverwiesen. Mit ihrer Revision strebt die Bekl. die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an – mit Erfolg.
[1]Die Revision der Bekl. ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bedarf noch weiterer Aufklärung.
[2]A. Ist die internationale Zuständigkeit – wie im vorliegenden Fall – nicht vorrangig durch ein internationales Abkommen oder einen bilateralen Vertrag geregelt, so richtet sie sich grundsätzlich nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. Ist ein deutsches Gericht nach §§ 12 ff. ZPO örtlich zuständig, so ist es im Regelfall auch im Verhältnis zu einem ausländischen Gericht zuständig (vgl. u.a. BAG, 19.3.1996 – 9 AZR 656/94, BAGE 82, 243, 245 (IPRspr. 1996 Nr. 194); 9.10.2002 – 5 AZR 307/01 (IPRspr. 2002 Nr. 151), AP ZPO § 38 Internat. Zuständigkeit Nr. 18 = EzA ZPO 2002 § 29 Nr. 1 zu I. 2. der Gründe; BGH 17.12.1998 – IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395 ff. (IPRspr. 1998 Nr. 229) zu I. 1. b) der Gründe, jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Rechtsstreit kommt nur der Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) in Betracht. Die Feststellungen des LAG reichen nicht aus, ihn zu bejahen.
[3]I. Entgegen der Ansicht des Kl. ergibt sich die örtliche und daran anknüpfend die internationale Zuständigkeit nicht aus § 21 ZPO (Gerichtsstand der Niederlassung). Diese Vorschrift stellt auf die Verhältnisse bei Klageerhebung ab. Lediglich Veränderungen nach Eintritt der Rechtshängigkeit berühren die Zuständigkeit des Prozessgerichts nicht mehr (§ 261 III Nr. 2 ZPO, sog. perpetuatio fori). Die Bekl. hatte jedoch ihre Niederlassung in Deutschland vor Klageerhebung aufgelöst.
[4]II. Der Anwendungsbereich des § 29 ZPO erstreckt sich zwar auf die Klageforderung. Nach den bisherigen Feststellungen des LAG spricht aber viel dafür, dass sich der Erfüllungsort für die Versorgungsleistungen aus dem ‚U.S. Pension Plan’ nicht in Deutschland, sondern in den USA befindet. Da in den Vorinstanzen entscheidende Gesichtspunkte nicht erörtert worden sind, wird den Parteien Gelegenheit gegeben, ihren Sachvortrag zu ergänzen.
[5]1. § 29 ZPO gilt für ‚Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis’. Über die Abgrenzung vertraglicher von nichtvertraglichen Ansprüchen entscheidet das deutsche materielle Recht als lex fori (vgl. u.a. BAG, 17.7.1997 – 8 AZR 328/95 (IPRspr. 1997 Nr. 154), AP ZPO § 38 Internat. Zuständigkeit Nr. 13 = EzA ZPO § 23 Nr. 1 zu II. 3. a) der Gründe m.w.N.). Unter den Begriff des Vertragsverhältnisses fallen unabhängig von der Art der Verpflichtung alle schuldrechtlichen Verträge (vgl. BGH, 28.2.1996 – XII ZR 181/93, BGHZ 132, 105, 109 (IPRspr. 1996 Nr. 142) zu I. 2. b) der Gründe). Diese Voraussetzungen erfüllt das rechtsgeschäftlich begründete Versorgungsverhältnis.
[6]2. Der Senat schließt sich der überwiegenden Ansicht an (vgl. u.a. BAG 17.7.1997 aaO zu II. 3. b) der Gründe; 9.10.2002 aaO zu I. 2. a) der Gründe; BGH 20.5.1981 – VIII ZR 270/80 (IPRspr. 1981 Nr. 162), AP ZPO § 38 Internat. Zuständigkeit Nr. 11; 3.12.1992 – IX ZR 229/91, BGHZ 120, 334, 347 – offen gelassen; Geimer, IZPR, 4. Aufl., Rz. 1482; Linke, Internationales Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Rz. 153; MünchKommZPO-Patzina, 2. Aufl., § 29 Rz. 104; Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 29 Rz. 3, jeweils m.w.N.), dass der Erfüllungsort dem anzuwendenden materiellen Recht zu entnehmen ist (lex causae). Welches materielle Recht gilt, ergibt sich aus dem deutschen IPR. Im vorliegenden Fall ist den Art. 27 ff. EGBGB zu entnehmen, ob sich der Erfüllungsort nach § 269 BGB oder nach dem in den USA geltenden Recht bestimmt. Diese Prüfung hat das LAG nachzuholen. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen:
[7]a) Nach Art. 27 I 1 EGBGB unterliegt der Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Dies gilt auch für Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse. Art. 30 I EGBGB schränkt die freie Rechtswahl nur insoweit ein, als sie nicht dazu führen darf, dass dem Arbeitnehmer der Schutz zwingender Bestimmungen des ansonsten nach Art. 30 II EGBGB maßgeblichen Rechts entzogen wird. Diese Schutzvorschriften sind anzuwenden. Im Übrigen bleibt die Rechtswahl wirksam. § 269 BGB enthält keine zwingenden Regelungen, sondern überlässt die Bestimmung des Erfüllungsorts den Parteivereinbarungen.
[8]Die Rechtswahl muss sich nicht auf alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erstrecken. Eine Teilrechtswahl ist nach Art. 27 I 3 EGBGB möglich (BAG, 20.11.1997 – 2 AZR 631/96, BAGE 87, 144, 149 (IPRspr. 1997 Nr. 58)). Art. 30 EGBGB verbietet sie nicht. Das Versorgungsverhältnis ist trotz seiner arbeitsvertraglichen Grundlage eine vom Arbeitsverhältnis klar abgrenzbare Rechtsbeziehung, die einer darauf beschränkten Rechtswahl zugänglich ist. Die Versorgungsansprüche setzen den Eintritt eines Versorgungsfalls voraus. Das Versorgungsverhältnis schließt sich dementsprechend – zumindest in aller Regel – an das Arbeitsverhältnis an und hat auch einen eigenständigen Inhalt.
[9]Im vorliegenden Fall ist zunächst zu prüfen, ob der ‚U.S. Pension Plan’ eine ausdrückliche Rechtswahl für das Versorgungsverhältnis enthält. In diesem Zusammenhang ist vor allem Nr. 1.29 des ‚U.S. Pension Plan’ zu beachten. Die Rechtswahl muss jedoch nicht ausdrücklich getroffen worden sein. Nach Art. 27 I 2 EGBGB genügt es, dass sie sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrags, hier des vertraglich übernommenen ‚U.S. Pension Plan’, oder aus den Umständen des Falles ergibt. Dabei sind vor allem die Besonderheiten der zugesagten Versorgung, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit des Klägers, die Vertragssprache und die vereinbarte Währung zu berücksichtigen.
[10]b) Wenn eine Rechtswahl fehlt, bedeutet dies noch nicht, dass § 269 BGB anzuwenden ist. Die maßgebliche Rechtsordnung ist dann nach den Kriterien des Art. 30 II EGBGB zu ermitteln. Diese Vorschrift gilt auch für Versorgungsverhältnisse. Versorgungsansprüche beruhen auf dem Arbeitsverhältnis. Die Versorgungszusage wurde aus Anlass des Arbeitsverhältnisses erteilt (vgl. auch die Definition der betrieblichen Altersversorgung in § 1 I 1 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 i.d.F. vom 29.8.2005 [BGBl. I 2546]).
[11]Art. 30 II Nr. 1 EGBGB knüpft an den gewöhnlichen Arbeitsort an. Bei Versorgungsverhältnissen kommt es auf den Arbeitsort des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses an. Dieser Ort ist jedoch nach Art. 30 II letzte Alt. EGBGB nicht entscheidend, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass die Versorgungsvereinbarung oder das Versorgungsverhältnis engere Beziehungen zur USA aufweist.
[12]Für diesen Ausnahmetatbestand spricht sehr viel. Die Leistungen aus dem ‚U.S. Pension Plan’ stehen ausschließlich Arbeitnehmern zu, die Staatsbürger der USA sind. Bei ihnen kann damit gerechnet werden, dass sie nach ihrer Pensionierung in die USA zurückkehren. Wie sich die einzelnen Versorgungsberechtigten verhalten, spielt keine Rolle. Bei Versorgungsordnungen ist eine typisierende Betrachtung systemgerecht.
[13]Außerdem hat die Versorgungsschuldnerin ihren Sitz in den USA. Dort wird die Versorgung auch abgewickelt. Der ‚U.S. Pension Plan’ (vgl. Chapter XIII Administration) sieht eine institutionalisierte Überwachung dieses Versorgungswerks vor. Unter anderem ist ein ‚pension committee’ zu errichten. Dieses setzt einen ‚plan administrator’ ein.
[14]Der mit der Zahlung betraute Versicherer hat seinen Sitz ebenfalls in den USA. Der Kl. weist zwar zutreffend darauf hin, dass zwischen Versorgungs- und Versicherungsverhältnis zu unterscheiden ist. Dies ändert aber nichts daran, dass der Durchführungsweg Bestandteil der Versorgungszusage ist und sich damit auf das Versorgungsverhältnis auswirkt.
[15]Die Vertragssprache und die vereinbarte Währung der Rentenzahlungen können zumindest zur Abrundung des Bildes beitragen. Unerheblich ist dagegen die dem öffentlichen Recht zuzuordnende steuerrechtliche Behandlung der Versorgung.
[16]c) Wenn nach Art. 27 ff. EGBGB auf die Versorgung aus dem ‚U.S. Pension Plan’ das Recht des District of Columbia anzuwenden ist, hat das LAG die für den Erfüllungsort maßgeblichen Regelungen nach § 293 Satz 2 ZPO zu ermitteln. Die deutschen Gerichte sind nur dann international zuständig, wenn nach diesen Vorschriften die geschuldete Leistungshandlung in Deutschland vorzunehmen ist. Nicht entscheidend ist der Ort, an dem der Leistungserfolg eintreten soll (vgl. die Unterscheidung zwischen Bring- , Schick- und Holschulden).
[17]d) Unterliegt die zugesagte Versorgung aus dem ‚U.S. Pension Plan’ nach Art. 27 ff. EGBGB deutschem Recht, so ist zwar § 269 BGB anzuwenden. Das LAG hat aber die Besonderheiten der vorliegenden Versorgungsordnung nicht ausreichend berücksichtigt. Es deutet einiges darauf hin, dass nach § 269 BGB Washington D.C. als Erfüllungsort anzusehen ist.
[18]aa) Ist der Erfüllungsort nicht durch ausdrückliche oder stillschweigende Parteivereinbarung geregelt, so ist er nach dieser Vorschrift ‚aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen’. Bei Arbeitsverhältnissen besteht in der Regel ein einheitlicher Erfüllungsort. Grundsätzlich kommt es auf den tatsächlichen Mittelpunkt der Berufstätigkeit an. Dies ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat (vgl. u.a. BAG, 9.10.2002 aaO (IPRspr. 2002 Nr. 151)zu I. 2. c) der Gründe). Diese Grundsätze gelten auch für die Betriebsrentenansprüche, weil sie auf dem Arbeitsverhältnis beruhen (vgl. u.a. BAG, 28.5.1996 – 3 AZR 131/95 zu I. 2. der Gründe; 26.9.2000 – 3 AZN 181/00, BAGE 95, 372, 374).
[19]Mit § 269 BGB wäre es jedoch nicht zu vereinbaren, wenn diese Regel schematisch und ohne Ausnahme angewandt würde. Die Besonderheiten der vorliegenden Versorgung legen es nahe, einen Ausnahmefall zu bejahen.
[20]bb) Falls der Erfüllungsort jedoch ursprünglich in M./Deutschland lag, wurde er durch die spätere Schließung der Niederlassung nicht verändert. Wie das LAG richtig erkannt hat, sind die Verhältnisse bei Entstehung des Schuldverhältnisses entscheidend (vgl. BGH, 29.9.1961 – IV ZR 59/61, BGHZ 36, 11, 15 f.). Dies gilt auch für wiederkehrende Leistungen aus Dauerschuldverhältnissen (vgl. BGH, 30.3.1988 – I ARZ 192/88, NJW 1988, 1914 zu II. der Gründe). Spätestens mit Eintritt des Versorgungsfalls am 1.11.1992 sind die Versorgungsansprüche entstanden. Die Bekl. schloss ihre Niederlassung in M./Deutschland erst im Jahre 1995.