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Verfahrensgang

LG Ravensburg, Beschl. vom 14.02.2005 – 7 T 1/04 KfH 1 (IPRspr 2005-209)

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit

Leitsatz

Bei der Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft (hier: englischen Private Limited Company) verstößt die Beanstandung, der Unternehmensgegenstands der Zweigniederlassung möge eingeschränkt und näher konkretisiert werden, gegen die in den Art. 43, 48 EG garantierte Niederlassungsfreiheit, wenn das englische Recht eine breite Fassung des Geschäftsgegenstands gestattet.

Der Eintragung der Befreiung vom Verbot des § 181 BGB im inländischen Handelsregister bedarf es zwar an sich nicht, weil das englische Recht als maßgebliches Gesellschaftsstatut ein solches Verbot nicht kennt. Dennoch ist die Eintragung sachgerecht, weil es für den vom inländischen Rechtsverständnis geprägten Rechtsverkehr die rechtliche Situation unter Verwendung der herkömmlichen Begriffe klarstellt.

Rechtsnormen

BGB § 181
EGV-Amsterdam Art. 43; EGV-Amsterdam Art. 48
HGB § 13d; HGB §§ 13d ff.; HGB § 13e; HGB § 13g; HGB § 18

Sachverhalt

Die Beteiligte zu 1) hat in Friedrichshafen eine Zweigniederlassung gegründet und diese mit Datum vom 1.7.2004 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet.

Die IHK Bodensee-Oberschwaben hat keine Einwendungen gegen die Eintragung erhoben. Mit Zwischenverfügung vom 9.8.2004 hat das AG Tettnang – Registergericht – dargelegt, dass der Handelsregisteranmeldung für die Zweigniederlassung verschiedene Eintragungshindernisse entgegenstünden. Mit Beschluss vom 27.9.2004 hat es die Handelsregisteranmeldung unter inhaltlicher Bezugnahme auf die Zwischenverfügung zurückgewiesen.

Hiergegen haben die Beteiligten Beschwerde eingelegt.

Mit Beschluss vom 18.11.2004 hat das AG Tettnang – Registergericht – der Beschwerde nicht abgeholfen und wiederum auf den Inhalt der Zwischenverfügung verwiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Das Gericht macht von seiner Möglichkeit Gebrauch, die Sache an das AG zur weiteren Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen nach den §§ 13d ff. HGB rückzuverweisen, insbesondere zur Frage, ob die in der Zwischenverfügung vom 9.8.2004 weiter genannten Eintragungshindernisse inzwischen ausgeräumt sind (vgl. hierzu nachstehend unter B).

[2]Das AG hat in seiner angefochtenen Entscheidung wie auch in dem Nichtabhilfebeschluss allein auf die Zwischenverfügung vom 9.8.2004 Bezug genommen, ohne erkennbar auf den Schriftsatz des Beteiligten W., eingegangen beim AG Tettnang am 26.8.2004, einzugehen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Antrag der Firma @cons limited zurückgewiesen wurde, obwohl in dem vorgenannten Schriftsatz gebeten wurde, die Firma der Zweigniederlassung wie folgt einzutragen: ‚@CONS LIMITED, Zweigniederlassung Friedrichshafen’.

[3]Bei der neuen Prüfung und Entscheidung wird das AG angewiesen, die Eintragung der Zweigniederlassung nicht aus den nachstehend unter A genannten Gründen abzulehnen.

[4]Im Einzelnen:

[5]A. Für die Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Sitz oder Hauptniederlassung sich im Ausland befindet, finden die Vorschriften der §§ 13d I und II, 13e, 13g HGB Anwendung. Dass eine im EG-Ausland formgültig gegründete Gesellschaft inländische Zweigniederlassungen gründen kann, ist inzwischen anerkanntes Recht (EuGH, NJW 2002, 3614; BGH, NJW 2003, 1461 (IPRspr. 2003 Nr. 13)).

[6]Der EuGH hat zudem entschieden, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur gegründet wurde, um in den Genuss vorteilhafter Rechtsvorschriften zu kommen, keinen Missbrauch darstellt, und zwar auch dann nicht, wenn die betreffende Gesellschaft ihre Tätigkeiten hauptsächlich oder ausschließlich in diesem zweiten Staat ausübt (EuGH, NJW 2003, 3331, 3333 m.w.N.; siehe auch Wachter, MDR 2004, 611 ff. m.w.N.).

[7]1. Zum Unternehmensgegenstand:

[8]Zum Unternehmensgegenstand hat die Zweigniederlassung angemeldet ‚IT-Dienstleistungen und -beschaffungen’.

[9]a) Das AG beruft sich auf den Beschluss des LG Bielefeld vom 8.7.2004 – 24 T 7/04 (IPRspr. 2004-228) – nachdem der Unternehmensgegenstand der Zweigniederlassung sachlich die gleichen, wenn auch nicht notwendig alle gleichartigen Geschäfte wie die Hauptniederlassung erfassen müsse. Aus Nr. 3 (A) und (B) des eingereichten Memorandum of Association sei der angemeldete Unternehmensgegenstand der Zweigniederlassung nicht zu entnehmen. Die allgemeine Beschreibung des Memorandums sei zur Bestimmung des Unternehmensgegenstands nicht ausreichend.

[10]b) Hiergegen wenden die Beteiligten ein, maßgeblich sei das englische Recht für den Geschäftsgegenstand. Dieses Recht erlaube eine weite Fassung, und zwar für alle Tätigkeiten, die der Gesellschaft dienlich seien. Damit sei auch der Geschäftsgegenstand der Zweigniederlassung von der Ermächtigung des englischen Gesellschaftsrechts abgedeckt.

[11]Somit verstoße die Entscheidung des LG Bielefeld gegen die garantierte Niederlassungsfreiheit. Maßgeblich sei das Recht des Mutterstaats. Eine Private Limited Company dürfe alles das ausführen, was dieser dienlich sei. Somit müsse zwingend jedweder Gesellschaftszweck der deutschen Niederlassung auch in der Bundesrepublik zulässig sein.

[12]c) Das AG führt zwar zu Recht aus, dass die Geschäfte der Zweigniederlassung im Wesentlichen denjenigen der Hauptniederlassung entsprechen müssen (vgl. OLG Jena, GmbHR 1999, 822). Andererseits muss die Zweigniederlassung zwar sachlich die gleichen, nicht notwendig aber alle gleichartigen Geschäfte erledigen wie die Hauptniederlassung (vgl. Baumbach-Hopt, HGB, 31. Aufl., § 139 Rz. 3).

[13]Nach Nr. 3 des Memorandum of Association ist der Hauptgeschäftszweck des Unternehmens:

[14]‚(A) Betreibung von Geschäften als gewerbliches Unternehmen;

[15](B) Betreibung jeglicher Geschäfte oder Handel, die nach Auffassung der Geschäftsführung durch die Ausführung für die Gesellschaft vorteilhaft sein können.’

[16]Unter Nr. 4 des genannten Memorandums sind unter (A) bis (U) eine Vielzahl von Absichten im Einzelnen aufgeführt, unter der die Firma errichtet wurde. Diese Absichten sind breit gefächert und enthalten eine große Bandbreite denkbarer geschäftlicher Aktivitäten. Das Memorandum of Association ist offensichtlich als Teil der Satzung der Gesellschaft – wie in der Praxis vielfach üblich – einer Mustersatzung entnommen (vgl. hierzu auch Wachter 611, 615 m.w.N.).

[17]Wird im englischen Recht eine breite Fassung des Geschäftsgegenstands für möglich angesehen, so würde es der Niederlassungsfreiheit nach den eingangs dargestellten Grundsätzen des EuGH widersprechen, eine eingeschränkte, konkretisierende Beschreibung des Unternehmensgegenstands – wie hier – für die Zweigniederlassung zu beanstanden. Nach der Rechtssprechung des EuGH sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten beschränken oder weniger attraktiv machen, nur unter strengen Voraussetzungen, die hier nicht gegeben sind, möglich. Die Beschränkung auf ‚IT-Dienstleistungen und -beschaffungen’ der Zweigniederlassung ist deshalb nicht zu beanstanden, zumal sie nach Auffassung des Gerichts von dem Hauptgeschäftszweck mit umfasst wird.

[18]2. Beschränkung des § 181 BGB:

[19]Zur Vertretungsberechtigung wird zusätzlich angemeldet, dass Herr W. als Geschäftsführer, soweit er nach deutschem Recht tätig wird, von der Beschränkung des § 181 BGB befreit ist.

[20]a) Nach Auffassung des Registergerichts ist eine solche Befreiung unzulässig. Als Geschäftsführer unterliege er englischem Recht und das englische Recht kenne keinen § 181 BGB.

[21]b) Hiergegen wenden die Beteiligten ein, die Befreiung nach § 181 BGB sei ordnungsgemäß erfolgt durch die vorliegenden Gesellschafterbeschlüsse. Die Befreiung sei gerade aus dem Grunde vorgenommen worden, den Geschäftsführer auch zum ständigen Vertreter der deutschen Niederlassung zu bestellen. Im Übrigen sei das Gericht nicht berechtigt, die Rechtmäßigkeit der Satzung und der Gesellschafterbeschlüsse zu prüfen (KG, GmbHR 2004, 116) (IPRspr. 2003 Nr. 215).

[22]c) Die Aussage des Registergerichts, das englische Recht kenne keinen § 181 BGB ist zwar grundsätzlich richtig. Das englische Recht kennt kein Verbot des Selbstkontrahierens. Hieraus folgt freilich gerade die Berechtigung des Hinweises auf die Zulässigkeit als notwendigen Inhalt des inländischen Handelsregisters. Insoweit hat die Eintragung lediglich deklaratorischen Charakter. Nicht gefolgt werden kann mehr der Sitztheorie (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, GmbHR 2003, 533 (IPRspr. 2002 Nr. 22)). Bei Anwendung des Registerrechts ist eine gemeinschaftsfreundliche Auslegung vorzunehmen (siehe hierzu auch LG Augsburg vom 16.9.2004 – 1 HK T 3917/04 (IPRspr. 2004-231)).

[23]Zusammenfassend kann auf die Entscheidung des LG Freiburg vom 22.7.2004 (NJW-RR 2004, 1686) (IPRspr. 2004-229) verwiesen werden. Die Eintragung im inländischen Handelsregister in der Form der Befreiung vom Verbot des § 181 BGB erscheint zwar als nicht logisch, weil mangels eines Verbots eine Befreiung von diesem an sich nicht möglich ist. Dennoch ist die Eintragung sachgerecht, weil es für den vom inländischen Rechtsverständnis geprägten Rechtsverkehr die rechtliche Situation unter Verwendung der herkömmlichen Begriffe klarstellt.

[24]B. 1. Gewählte Firma der Zweigniederlassung @cons ltd.:

[25]a) Das Kürzel ‚ltd.’ in der Firma der Zweigniederlassung hält das Registergericht für unzulässig, da es irreführend im Sinne von § 18 II HGB ist.

[26]Darüber hinaus beanstandet das Registergericht die Schreibweise der Zweigniederlassung. Im eingereichten Certificate of Incorporation des Companies House in Großbritannien würde die Firma wie folgt geschrieben: @CONS LIMITED.

[27]Die Schreibweise der Zweigniederlassung müsse identisch sein. Ferner sei der Zusatz erforderlich ‚Zweigniederlassung Friedrichshafen’.

[28]b) Diese Beanstandungen des Registergerichts, enthalten in der Zwischenverfügung und damit auch in dem abweisenden Beschluss, sind im Ergebnis erledigt.

[29]In dem Schreiben des Beteiligten W., eingegangen beim AG Tettnang am 26.8. 2004, wird ausdrücklich beantragt, die Firma wie folgt einzutragen: ‚@CONS LIMITED, Zweigniederlassung Friedrichshafen’.

[30]Weiter wird ausgeführt: ‚Sollte das Gericht hier eine erneute notarielle Beglaubigung für erforderlich halten, wird um entsprechenden Hinweis gebeten.’

[31]2. Limited Liability Company

[32]a) Vom Registergericht wird weiter beanstandet, dass in der Handelsregisteranmeldung die Gesellschaft als ‚Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht’ mit dem Klammerzusatz ‚(limited liability company)’ bezeichnet werde. Im eingereichten Accepted werde demgegenüber ausgeführt: ‚privat company limited’.

[33]b) Ungeachtet dessen, dass der Begriff Limited Liability Company lediglich der Oberbegriff für Private Limited Company darstellen würde, wird von den Beteiligten in Erwiderung der Zwischenverfügung darauf hingewiesen, dass die Anmeldung dahingehend zu korrigieren sei, dass eine Private Limited Company angemeldet werde.

[34]3. Haftungskapital 100 Euro:

[35]a) Zu Recht hat das Registergericht beanstandet, dass das Haftungskapital versehentlich mit 100 Euro und nicht mit 100 brit. Pfund angegeben worden sei.

[36]b) Freilich hat der Beteiligte zu 2) in seiner Erwiderung auf die Zwischenverfügung darauf hingewiesen, es habe sich um einen Tippfehler gehandelt und das Haftungskapital sei in 10 Pfund zu korrigieren.

[37]4. Kapitalgesellschaftsverordnung von 1985 (Tabellen A–F):

[38]a) Das Registergericht führt aus, in der Satzung der Gesellschaft sei die Kapitalgesellschaftsordnung von 1985 erwähnt (Companies Act 1985, Tabellen A–F). Diese sei in englischer Sprache und als beglaubigte Übersetzung in deutscher Sprache dem Registergericht vorzulegen.

[39]b) Ungeachtet des Umstands, dass der Beteiligte zu 2) ausführt, dies werde nachgereicht, wenden die Beteiligten zu Recht ein, dass sich die Prüfung auf abgegebene Erklärungen und eingereichte Unterlagen und deren Vollständigkeit zu beschränken habe.

[40]Ausreichend ist die Vorlage einer Satzung in öffentlich beglaubigter Form (§ 13g II 1 HGB). In Bezug auf die Satzung der Gesellschaft werden in der Praxis vielfach Mustersatzungen verwendet. Die Mustersatzungen beruhen auf der sog. Table A, die vom Departement for Trade and Industry herausgegeben werden (vgl. hierzu Wachter aaO).

[41]5. Ständiger Vertreter der Zweigniederlassung:

[42]a) Das Registergericht beanstandet in der Zwischenverfügung weiter, aus den Unterlagen sei zwar ersichtlich, dass Herr W. zum ständigen Vertreter der Zweigniederlassung bestellt werden solle. Es liege jedoch keine Anmeldung diesbezüglich vor.

[43]b) Hiergegen wendet der Beteiligte zu 2) ein, er solle zum ständigen Vertreter der Zweigniederlassung bestellt werden unter gleichzeitiger Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens.

[44]Insoweit werde um Mitteilung gebeten, ob das Gericht eine erneute Anmeldung mit notarieller Beglaubigung für erforderlich erachte.

[45]6. Certificate of Incorporation:

[46]a) Das Handelsregister bemängelt, dass der Anmeldung kein Original des Certificate of Incorporation, versehen mit einer durch einen englischen Urkundsbeamten ausgestellten Apostille, vorgelegt worden sei.

[47]b) Dem widerspricht der Beteiligte W. in seinem Erwiderungsschriftsatz auf die Zwischenverfügung. Die vorgelegten Gründungsunterlagen würden der gesetzlich vorgeschriebenen Form entsprechen, da sie im Original, wie vom englischen Handelsregister erhalten, an das Gericht eingereicht worden seien. Diese Dokumente seien insgesamt beglaubigt und auch mit einer erforderlichen Apostille versehen worden.

[48]Ergänzend verbleibt darauf hinzuweisen, dass das Bestehen der ausländischen Gesellschaft durch einen Auszug aus dem ausländischen Handelsregister oder eine Gründungsurkunde nach § 13e II 2 Halbs. 1 HGB nachzuweisen ist.

[49]7. Siegel für das Certificate of Incorporation:

[50]a) Das Registergericht führt weiter aus, soweit ihm bekannt sei, gebe das Company House grundsätzlich nur ein von einem Urkundsbeamten unterschriebenes, mit einem Siegel versehenes Certificate of Incorporation aus. Das Certificate hätte dem Registergericht auch als beglaubigte Übersetzung in deutscher Sprache vorgelegt werden müssen.

[51]b) Insoweit nimmt der Beteiligte zu 2) Bezug auf die zuvor genannten Ausführungen. Zudem werde eine entsprechende notarielle Erklärung nachgereicht, aus der sich ergebe, dass es sich um Originalunterlagen handele.

[52]Zudem sei eine Rechtsgrundlage für die gestellte Anforderung nicht ersichtlich. Schließlich würde in dem Beschwerdeschriftsatz weiter darauf hingewiesen, dass die Existenz der Gesellschaft durch das Accepted, dem englischen Handelsregisterauszug – versehen mit Beglaubigung und Apostille –, zu den Akten [gereicht] und damit nachgewiesen worden sei.

[53]8. Bescheinigung des Company House:

[54]a) Weiter bemängelt das Registergericht, dass eine Bescheinigung des Company House [über die] Gründung der Gesellschaft in Großbritannien der Anmeldung ebenfalls nicht beigelegen habe.

[55]b) Die Beteiligten machten demgegenüber geltend, eine weitergehende Bescheinigung des Company Houses sei in der geforderten Form nicht erforderlich. Gegebenenfalls werde um Mitteilung der Rechtsgrundlage gebeten, aus der sich das Erfordernis einer solchen Bescheinigung ergebe. Gleichwohl werde auch hier in Kürze ein Current Appointment Report zur Akte gereicht.

Fundstellen

LS und Gründe

GmbHR, 2005, 489
Rpfleger, 2005, 367

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/permalink/2005-209