Eine internationale Adoptionsentscheidung ist anzuerkennen, wenn zu erwarten ist, dass zwischen der Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht, die Annahme für das Wohl des Kindes erforderlich ist und keine Anerkennungshindernisse nach § 109 Abs.1 FamFG bestehen.
Das Kriterium der Kindeswohldienlichkeit ist durch eine Gesamtabwägung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Die Annahme muss nicht nur als vorzugswürdige Alternative darstellen, sondern für das Kind die deutlich bessere Lösung gegenüber denkbaren Alternativen sein. Hierzu gehört auch die Feststellung eines Adoptionsbedürfnisses.
Für eine ausnahmsweise Anerkennungsfähigkeit einer unbegleitet durchgeführten internationalen Adoption kann sprechen, dass bereits ein längeres Zusammenleben des Kindes mit dem oder den Annehmenden im Inland stattgefunden hat oder die Anerkennung gegenüber Alternativen erforderlich erscheint. Es besteht regelmäßig kein Adoptionsbedürfnis, wenn dem angenommenen Kind primär eine gute Ausbildung und ein besseres Leben in einem anderen Land ermöglicht werden soll. [LS der Redaktion]
Die Annehmende ist deutsche Staatsangehörige, der Angenommene ist kamerunischer Staatsangehöriger. Durch Beschluss des High Court des Bezirkes Fako in Buea, Republik Kamerun vom 10.06.2022 wurde die Adoption des am … 2005 geborenen … durch die Annehmende ausgesprochenen. Der Angenommene ist demnach mittlerweile volljährig. Er wurde in Kamerun als Sohn von Frau … und Herrn … geboren. Bei Frau … handelt es sich mutmaßlich um die leibliche Schwester der Annehmenden. Der leibliche Vater des Angenommen ist vor dessen Geburt verstorben. Die leibliche Mutter gab ihr Kind in die Obhut der Großmutter mütterlicherseits, wo der Angenommene aufwuchs und weiterhin lebt. In dem gerichtlichen Verfahren betreffend die Adoption ist die Annehmende von einem ortsansässigen Anwalt vertreten worden. Eine persönliche Anhörung fand nicht statt. Auch das damals 16-jährige Kind wurde nicht angehört, ebenso wenig die leibliche Mutter. Aus dem Protokoll der Gerichtsverhandlung ergibt sich, dass die leibliche Mutter der Adoption zugestimmt hat. Die in Bezug genommene Zustimmungserklärung der Mutter wurde von der Großmutter, die als "Vormund" bezeichnet wird gefertigt und enthält kein Datum. Dem Gericht in Kamerun war bekannt, dass die Annehmende ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und das angenommene Kind ebenfalls künftig in Deutschland leben solle. Eine Adoptionsvermittlungsstelle war in das Adoptionsverfahren in Kamerun nicht eingebunden.
Die Antragstellerin begehrt die Anerkennung der in Kamerun erfolgten Adoption des betroffenen Angenommenen.
[1]II.
[2]Der zulässige Antrag ist unbegründet.
[3]Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der kamerunischen Adoptionsentscheidung liegen nicht vor.
[4]Die Anerkennung richtet sich nach § 2 Abs. 1 AdWirkG in der seit dem 01.04.2021 geltenden Fassung. Es war davon auszugehen, dass das Adoptionsverfahren erst nach dem 01.04.2021 eingeleitet wurde. In ihrer persönlichen Darstellung zum Ablauf der Adoption vom 18.10.2023 (Bl. 75 ff. d. A.) hat die Antragstellerin ausgeführt, dass sie zwar bereits im Jahre 2016 einen Anwalt konsultierte und sich über die Adoption informierte, jedoch – auch aufgrund von politischen Unruhen im Land - erst bei ihrem erneuten Besuch im Dezember 2021 mit dem Anwalt die erforderlichen Unterlagen für die Adoption zusammenstellte. Erst zu diesem Zeitpunkt kann von einer tatsächlichen Einleitung des Adoptionsverfahrens ausgegangen werden.
[5]Die Anerkennung richtet sich vorliegend nicht nach Art. 23 und 24 HAÜ.
[6]Der Anwendungsbereich des Haager Übereinkommens vom 29.05.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (HAÜ) ist vorliegend nicht eröffnet, da die Republik Kamerun dem Abkommen bislang nicht beigetreten ist.
[7]Es handelt sich hier um ein internationales Adoptionsverfahren, da der Angenommene seit seiner Geburt in Kamerun seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und im Zuge der Adoption nach Deutschland verbracht werden sollte.
[8]Grundsätzlich kommt die Anerkennung einer solchen ausländischen Adoption nach der geltenden Rechtslage nur in Betracht, wenn die Adoption mit einer internationalen Adoptionsvermittlung gem. § 2a Abs. 2 AdVermiG vorgenommen wurde. Zur internationalen Adoptionsvermittlung sind gem. § 2a Abs. 4 AdVermiG die zentrale Adoptionsstelle des Landesjugendamtes, sowie eine anerkannte Auslandsvermittlungsstelle nach § 4 Abs. 2 AdVermiG im Rahmen der ihr erteilten Zulassung befugt. Eine diesen Anforderungen entsprechende Vermittlungsstelle wurde indes nicht beteiligt.
[9]Die Anerkennung kann vorliegend auch nicht ausnahmsweise nach § 4 Abs. 1 S. 2 AdWirkG erfolgen.
[10]Gem. § 4 Abs. 1 S. 2 AdwirkG greift der Ausnahmetatbestand nur, wenn zu erwarten ist, dass zwischen der Annehmenden und dem Kind ein Eltern- Kind- Verhältnis entsteht und die Annahme für das Wohl des Kindes erforderlich ist.
[11]Zudem dürfen keine Anerkennungshindernisse nach § 109 Abs.1 FamFG (insbesondere ein möglicher Verstoß gegen den deutschen ordre-public-Vorbehalt nach § 109 Abs.1 Nr. 4 FamFG) bestehen.
[12]Die gerichtlichen Ermittlungen haben diesbezüglich ergeben, dass die ausländische Adoption nicht anerkennungsfähig ist.
[13]Es kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass zwischen der Annehmenden und dem Angenommenen bereits ein Eltern-Kind -Verhältnis entstanden ist. Der Angenommene lebt bis dato in Kamerun, während die Antragstellerin in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Antragstellerin hat bereits früh Verantwortung für den Angenommenen übernommen, indem sie das Schulgeld und weitere Kosten für ihn getragen hat. Sie möchte auch künftig sowohl die soziale, als auch die erzieherische Verantwortung für den Angenommenen übernehmen. Andererseits ist der Akte zu entnehmen, dass die Antragstellerin zumindest einige Jahre keinen persönlichen Kontakt zu dem Angenommenen hatte und die Besuche in Kamerun insgesamt unregelmäßig und kurzzeitig angelegt waren. Wie intensiv sich die Beziehung allein durch Videotelefonate oder Ähnliches bislang bereits entwickelt hat, bedürfe hier noch weiterer Ermittlungen. Gleichfalls eine entsprechende Prognose dahingehend, inwiefern in Zukunft mit der Entstehung eines Eltern- Kind – Verhältnisses zu rechnen sein wird. Dies konnte jedoch vorliegend dahinstehen, da die weitere Voraussetzung des Ausnahmetatbestandes nach § 4 Abs.1 Satz 2 AdwirkG nicht gegeben ist.
[14]Es kann nämlich vorliegend nicht festgestellt werden, dass die Annahme für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Für die Annahme des Kriteriums der Erforderlichkeit hat eine Gesamtabwägung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Die Annahme muss sich i.S.v. § 1741 Abs. 1 BGB nicht nur als vorzugswürdige Alternative darstellen, sondern für das Kind die deutlich bessere Lösung gegenüber denkbaren Alternativen sein (vgl. etwa MüKoBGB/Maurer, 8. Aufl. 2020, BGB § 1741 Rn. 75).
[15]Hierzu gehört auch die Feststellung eines Adoptionsbedürfnisses, d.h. eine Notwendigkeit der Abänderung der abstammungsrechtlichen Beziehungen des Kindes. Hierbei sind die Grundrechtspositionen der Annehmenden und des Angenommen nach Art. 6 GG und des Rechts auf Familienleben nach Art. 8 MRK zu berücksichtigen. Für eine ausnahmsweise Anerkennungsfähigkeit einer unbegleitet durchgeführten, internationalen Adoption kann in dem Sinne sprechen, wenn bereits ein längeres Zusammenleben des Kindes mit dem oder den Annehmenden in Deutschland stattfindet oder die Anerkennung gegenüber Alternativen, wie z.B. Inpflegegabe oder sonstiger, drohender, konkreter Kindeswohlgefährdung erforderlich erscheint. Wie die Bundeszentralstelle für Auslandsadoption in ihrem Bericht vom 25.03.2024 ausführt, besteht demgegenüber kein Adoptionsbedürfnis, wenn dem angenommenen Kind primär eine gute Ausbildung und ein besseres Leben in einem anderen Land ermöglicht werden. Zudem ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dem Wohl des Kindes am besten gedient ist, wenn es in seinem gewohnten und geografischen Umfeld aufwachsen kann.
[16]Aus der Akte wird ersichtlich, dass der Angenommene seit seinem zweiten Lebensjahr bei der Großmutter mütterlicherseits aufwuchs und von dieser betreut wurde. Er besuchte sowohl einen Kindergarten, als auch die Schule.
[17]Anhand der vorgelegten Dokumente ist nicht erkennbar, dass sich das kamerunische Gericht hinreichend mit entsprechenden Erwägungen zu einem Adoptionsbedürfnis auseinandergesetzt hat. Insbesondere in Kenntnis dessen, dass beabsichtigt war, dass das Kind nach der Adoption nach Deutschland gebracht werden sollte. In dem vorgelegten Sozialbericht (Bl. 85 ff. d. A.) wird lediglich kurz auf die Wohnsituation des Kindes in Kamerun Bezug genommen. Zudem wird dort festgestellt, dass die leibliche Mutter nicht in der Lage ist, sich weiter um das Kind zu kümmern und sich die Antragstellerin seit der Geburt um den Angenommenen gekümmert habe. Zudem wird festgestellt, dass aufgrund der Aussagen der Antragstellerin diese dem Angenommenen in Deutschland ein gutes Leben bieten und die beste Erziehung und die besten Möglichkeiten. Es ist nicht erkennbar, dass das kamerunische Gericht sich darüber hinaus damit auseinandergesetzt hat, was es für den Angenommenen bedeutet, nach Deutschland überzusiedeln. Gleichzeitig ist auch nicht ersichtlich, warum die Großmutter, bei der der Angenommene bislang aufwuchs, nicht mehr gewillt oder in der Lage sein sollte, sich weiterhin um diesen zu kümmern. Dieser ist bislang dort in seinem gewohnten Umfeld im familiären Kreis aufgewachsen.
[18]Auch hat das Gericht in Kamerun nicht die erforderliche Elterneignungsprüfung vorgenommen. Diese dient im Sinne des Kindeswohles dazu, festzustellen, ob Adoptionsbewerber geeignet sind, die Elternverantwortung für ein Adoptivkind aus dem Ausland wahrzunehmen. Hierzu müssten konkrete Feststellungen über das persönliche und familiäre Umfeld und auch Fragen des Gesundheitszustandes, sowie das soziale und wirtschaftliche Umfeld des Adoptionsbewerbers, sowie dessen Motive für die Adoption überprüft werden. Es ist nicht ersichtlich, dass das kamerunische Gericht eine solche Überprüfung vorgenommen hat.
[19]Die Antragstellerin selbst berichtet, dass persönliche Gespräche weder mit dem Gericht, noch mit den Sozialarbeitern stattfanden. Sie habe lediglich über Videotelefonie mit den Sozialarbeitern in Kontakt gestanden. Der bereits in Bezug genommene Sozialbericht übernimmt lediglich die Angaben der Antragstellerin, wonach sie in Deutschland ein Haus gemietet habe und über ausreichend Einkommen verfüge, um den Angenommenen zu versorgen, sowie ihre Bereitschaft, erzieherische Verantwortung für den Angenommenen zu übernehmen. Dies stellt indes keine ausreichende Grundlage dar, aufgrund derer das kamerunische Gericht hätte zu der Überzeugung gelangen können, dass die Antragstellerin als Elternteil hinreichend geeignet ist. Dies soll hier andererseits aber auch nicht in Abrede gestellt werden. Es ist allein festzustellen, dass die lediglich marginalen Angaben in dem Sozialbericht kein hinreichend konkretes und vor allem kein durch persönlichen Eindruck entstandenes Gesamtbild vermitteln können.
[20]Zu berücksichtigen war vorliegend aber auch, dass nach § 4 Abs. 2 AdWirkG für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Anerkennung nunmehr der Zeitpunkt der Anerkennungsentscheidung relevant sein soll. In Ansehung dessen muss nach der aktuellen Rechtslage zwangsläufig eine Berücksichtigung der weiteren Entwicklungen nach der ausländischen Adoption erfolgen, in der neben der Ordre-Public-Prüfung aus § 9 Abs. 1 Nr. 4 FamFG eben auch eine völlig neue Prüfung der Erforderlichkeit der Anerkennung für das Kindeswohl nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG hinzutritt.
[21]Im Ergebnis kann somit eine zunächst vom Gesetz missbilligte, unbegleitete Adoption zu einer Anerkennung führen, wenn sich im Nachgang zu der ausländischen Adoption zum Beispiel das Verhältnis zu dem Annehmenden so gut entwickelt hat, dass die strikte Einhaltung des Nichtanerkennungsgrundsatzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG zu einer mit dem Kindeswohl nicht mehr vereinbaren Härte führen würde. Das ist z.B. insbesondere der Fall, wenn das Kind bereits längere Zeit mit der/dem Annehmenden in Deutschland lebt. Vorliegend sind entsprechende Entwicklungen weder dargetan, noch ersichtlich. Zudem ist eine Kindeswohlprüfung, die aktuelle Entwicklungen berücksichtigen könnte, rein faktisch nicht mehr möglich. Denn inzwischen ist der Angenommene volljährig. Nachvollziehbarerweise sieht sich das angehörte Jugendamt im Hinblick darauf zu einer Kindeswohlprüfung nicht mehr berufen. Zudem ist mit dem Eintritt der Volljährigkeit die zeitnahe Entwicklung einer selbständigen Lebensführung des Angenommenen zu erwarten. Vor diesem Hintergrund kann von einer Erforderlichkeit der Annahme für das Wohl des Angenommenen im Sinne des Ausnahmetatbestands von § 4 Abs. 1 Satz 2 AdWirkG nicht ausgegangen werden.
[22]Letztlich ist die Anerkennung der Adoption auch wegen Bestehen von Anerkennungshindernissen nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG (sogenannter Ordre Public Verstoß) zu versagen. Maßgeblich ist dabei, ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung im Ergebnis zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint. Prüfungsmaßstab sind dabei vor allem die Grundrechte (ZAR 2013, 257, beck-online). Hierzu zählt neben den bereits erläuterten Fragen der Kindeswohlprüfung und des Adoptionsbedürfnisses, bezüglich derer vorliegend auf den Zeitpunkt der hiesigen Entscheidung abzustellen war, insbesondere die Wahrung der elterlichen Rechte und auch der Rechte des Kindes in dem ausländischen Adoptionsverfahren. Insoweit ist festzustellen, dass bereits die – wie ausgeführt – mangelnden Feststellungen zum Adoptionsbedürfnis und zur Elterneignung einen Ordre-Public-Verstoß darstellen.
[23]Der leibliche Vater des Angenommenen konnte an dem Adoptionsverfahren nicht beteiligt werden, da er bereits vor der Geburt des Angenommenen verstorben ist. Von der Wahrung der Rechte der leiblichen Mutter kann hier nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Im Gerichtsverfahren trat die Großmutter als "Verfahrenspflegerin" des Angenommenen auf, gleichwohl eine entsprechende Bestellung nicht nachvollziehbar ist. Es liegt zwar auch eine unterzeichnete Erklärung der leiblichen Mutter vor, mittels derer sie der Adoption zustimmt. Aus dem Sozialbericht geht hervor, dass auch persönliche Gespräche mit der leiblichen Mutter stattgefunden haben. Allerdings enthält die Einverständniserklärung der Mutter kein Datum. Eine solche Erklärung verliert nach deutschem Recht nach 3 Jahren ihre Wirkung und müsste erneut eingeholt werden, so das hier nicht ersichtlich ist, ob die Erklärung der leiblichen Mutter noch aktuell gewesen ist. Zudem wurde auch der zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits 16 - jährige Angenommene nicht persönlich angehört und hat auch nicht in die Adoption eingewilligt. Aus den vorgelegten Dokumenten kann nicht nachvollzogen werden, dass der Angenommene überhaupt in irgendeiner Art und Weise in das Verfahren einbezogen wurde. Dies erscheint unter Berücksichtigung der Grundrechte des Angenommenen in nicht hinnehmbaren Umfang widersprüchlich zu dem Grundgedanken der deutschen Regelung, wonach ein Kind ab dem Alter von 14 Jahren selbst in die Adoption einwilligen muss. Ergänzende Ermittlungen hierzu, die unter Umständen zu weiteren Erkenntnissen führen könnten, waren im Hinblick auf das Vorliegen der weiteren, erläuterten Versagensgründe der Anerkennung nicht mehr durchzuführen.
[24]Zudem steht es der Antragstellerin und dem Angenommenen frei, nunmehr eine Volljährigenadoption nach deutschem Recht durchzuführen.
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