PDF-Version

Verfahrensgang

LG Frankfurt/Oder, Urt. vom 19.10.2023 – 13 O 223/22
OLG Brandenburg, Urt. vom 21.08.2024 – 4 U 136/23, IPRspr 2024-133

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Allgemeiner Gerichtsstand
Vertragliche Schuldverhältnisse → Allgemeines Vertragsrecht

Leitsatz

Die für ein abstraktes Schuldanerkenntnis charakteristische Leistung i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO ist von dem Anerkennenden zu erbringen. Für kausale Schuldanerkenntnisse ist dagegen unter Heranziehung von Art. 4 Abs. 3 Rom I-​VO eine Anknüpfung an das Statut des anerkannten Rechtsverhältnisses vorzunehmen. [LS der Redaktion]


Rechtsnormen

CISG Art. 57
EuGVVO 1215/2012 Art. 4
Rom I-VO 593/2008 Art. 4
ZPO §§ 517 ff.

Sachverhalt

Die Klägerin, die ein Handelsgewerbe in Polen betreibt, nimmt den Beklagten, der seinerseits einen online-​Handel mit Sitz in („Ort 01“) nebst Warenlager betreibt, auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. ... € für in zwei Containern gelieferte Bauwerkzeuge (nebst Zubehör) in Anspruch. Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht, der Beklagte habe die beiden Container mit Bauwerkzeugen im Rahmen der Korrespondenz mit ihrem Ehemann bei ihr bestellt. Jedenfalls seien die Erklärungen des Beklagten per WhatsApp als Schuldanerkenntnis zu werten.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Urteil vom 12.10.2023 ein zuvor gegen den Beklagten erlassenes Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

[3]In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.

[4]A. Die Klage ist zulässig; insbesondere besteht gemäß Art. 4 EuGVVO (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 mit Wirkung ab dem 10.01.2015) die erforderliche internationale Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) und damit des hiesigen Oberlandesgerichts, da der Beklagte seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland im Landgerichtsbezirk („Ort 03“) hat.

[5]B. Das Landgericht ist – auch unter Berücksichtigung der Einwände der Klägerin im Berufungsverfahren - zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage weder unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs der Klägerin aus Kaufvertrag, noch unter dem Gesichtspunkt eines Schuldanerkenntnisses begründet ist.

[6]I. ... II. Ein Anspruch der Klägerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Schuldanerkenntnisses begründet.

[7]1. Auf das nach dem Vortrag der Klägerin in Betracht kommende (vertraglich begründete) Schuldanerkenntnis des Beklagten ist deutsches Recht anzuwenden.

[8]Da die Abgabe eines Schuldanerkenntnisses für eine dem UN-​Kaufrecht unterfallende Kaufpreisforderung nicht im CISG geregelt ist und die Parteien auch nicht vereinbart haben, welches Recht auf ein Schuldanerkenntnis angewandt werden soll, ist das für das behauptete Schuldanerkenntnis anzuwendende Recht nach den Regeln des Internationalen Privatrechts zu bestimmen. Die für vertragliche Schuldverhältnisse geltende Verordnung (EG) 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-​VO) enthält allerdings in Art. 4 Abs. 1 keine ausdrücklichen Regelungen für Schuldversprechen und -anerkenntnis.

[9]Welchem Recht ein Schuldanerkenntnis nach Art. 4 Abs. 2 bis 4 Rom I-​VO unterstellt ist, ist in Literatur und Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.

[10]In Betracht kommt eine Anwendung des deutschen Rechts unter Heranziehung von Art. 4 Abs. 2 der Rom I-​VO. Danach unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in dem die Partei, die die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren Wohnsitz hat. Die für ein Schuldanerkenntnis charakteristische Leistung ist von dem Anerkennenden zu erbringen, mithin vorliegend vom Beklagten. In der Literatur wird Art. 4 Abs. 2 Rom I-​VO jedenfalls auf abstrakte Schuldanerkenntnisse angewandt (siehe etwa Hüßtege/Mansel, BGB, Rom-​Verordnungen - EuErbVO - HUP, 3. Aufl. 2019, Art. 4 Rom I-​Verordnung Rn 154; MüKo zum BGB, 8. Aufl. 2021, Rom I-​VO Art. 4 Rn 246). Für kausale (deklaratorische) Schuldanerkenntnisse wird dagegen unter Heranziehung von Art. 4 Abs. 3 Rom I-​VO eine Anknüpfung an das Recht des anerkannten Rechtsverhältnisses befürwortet (so etwa Hüßtege/Mansel, BGB, Rom-​Verordnungen - EuErbVO - HUP, 3. Aufl. 2019, Art. 4 Rom I-​Verordnung Rn 154; MüKo zum BGB, 8. Aufl. 2021, Rom I-​VO Art. 4 Rn 246). Danach könnte polnisches Recht zur Anwendung kommen, sei es deshalb, weil Erfüllungsort für die nach dem Vortrag der Klägerin anerkannte Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises aus dem - unterstellt geschlossenen - Kaufvertrag nach Art. 57 Abs. 1 lit. a) CISG der Ort der Niederlassung des Verkäufers ist oder deshalb, weil nach Art. 4 Abs. 1 Rom I-​VO Kaufverträge über bewegliche Sachen dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ungeachtet der dem deutschen Privatrecht - aber eben nicht dem internationalen Privatrecht - eigenen Unterscheidung zwischen abstraktem und kausalem Schuldanerkenntnis sprechen die besseren Gründe dafür, bei jedem auf einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung beruhenden Anerkenntnis einer Schuld eine charakteristische Leistung des Anerkennenden anzunehmen und das anwendbare Recht daher nach Art. 4 Abs. 2 Rom I-​VO zu bestimmen (vgl. OGH, Entscheidung vom 16.05.2018, ZEuP 2021, 460). Dies gilt jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem zwischen den Parteien gerade streitig ist, wie das dem geltend gemachten kausalen Schuldanerkenntnis zugrunde liegende Vertragsverhältnis und die daraus resultierende mit dem Anerkenntnis bestätigte Schuld zu qualifizieren sind.

[11]2. ...

Fundstellen

LS und Gründe

Juris-Permalink, https://www.juris.de/perma?d=NJRE001587269
BeckRS, 2024, 25023

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2024-133

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.