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Verfahrensgang

OLG Düsseldorf, Beschl. vom 29.12.2009 – I-3 Wx 73/09 (IPRspr 2009-4)

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Ehegatten haben nach Art. 10 II EGBGB die Möglichkeit, durch eine bei ihrer Eheschließung gegenüber dem (auch ausländischen, mit dem deutschen funktionell gleichwertigen) Standesamt abzugebende gemeinsame Erklärung das für ihre Namensführung – bei mehrfacher Staatsangehörigkeit unter Anwendung jedes der Heimatrechte – maßgebliche Recht zu wählen.

Wählen die Eheleute bei der Eheschließung einen gemeinsamen Ehenamen, den sie gegenüber dem polnischen Standesamt bereits als Namen ihrer (künftigen) Kinder bestimmen, und sind sie sich darüber im Klaren, dass dieser Name nur nach polnischem Recht zu führen sein wird, so liegt in der Namenswahl zugleich die konkludente Wahl polnischen Rechts.

Die Ablehnung einer zuvor beantragten öffentlich-rechtlichen Namensänderung durch eine deutsche Behörde (hier: mit Blick auf Vorstrafen des Antragstellers) lässt die Wirksamkeit der privatrechtlichen Rechts- und Namenswahl unberührt.

Rechtsnormen

BGB § 129
BZRG § 20a
EGBGB Art. 5; EGBGB Art. 10
FGG § 22; FGG § 29
GG Art. 2
PStG § 12; PStG § 15a; PStG § 49; PStG § 51; PStG § 53

Sachverhalt

Der Beteiligte zu 1) ist deutscher und polnischer Staatsangehöriger. Er nahm am 5.10.2006 (Entscheid des Standesamtes im poln. Z.) den Geburtsnamen seiner Mutter (E.) an und heiratete am 25.11.2006 vor dem Standesbeamten in Z. die Beteiligte zu 2), die polnische Staatsangehörige ist, wobei die Ehegatten als Ehenamen den Namen „E.“ wählten.

Am 28.11.2006 beantragte der Beteiligte zu 1) die Änderung seines Familiennamens in „E.“ durch die Namensänderungsbehörde der Stadt Wuppertal; das Gesuch wurde am 8.3.2007 – wegen erheblicher Vorstrafen – bestandskräftig abgelehnt. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben unter dem 31.5.2007 beim Standesamt Wuppertal um die Anlegung eines Familienbuchs gebeten. Der Standesbeamte hat die Sache dem AG zur Entscheidung vorgelegt. Das AG hat am 21.1.2009 den Standesbeamten angewiesen, ein Familienbuch zugunsten der Beteiligten zu 1) und 2) anzulegen und den Familiennamen des Beteiligten zu 1) unter „E.“ einzutragen. Hiergegen hat der Beteiligte zu 3) sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den amtsgerichtlichen Beschluss hinsichtlich letzterer Anweisung aufzuheben und statt dessen festzustellen, dass in das beantragte Familienbuch als Familienname des Mannes und als Ehename der Name „G.“ einzutragen ist. Das LG hat am 16.2.2009 das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des BeschwG wendet sich der Beteiligte zu 3).

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. 1. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 3) ist als sofortige weitere Beschwerde statthaft, weil es sich gegen eine Anweisung an das Standesamt zur Vornahme einer Amtshandlung, nämlich die Eintragung des Familiennamen des Beteiligten zu 1) mit ‚E.’, richtet, §§ 49 I 1 PStG a.F., 51 I 1, 53 I 1 PStG; §§ 27 I 1; 22 I, 29 FGG.

[2]Nicht mehr Gegenstand der Beschwerde ist die bestandskräftige Entscheidung des AG, dass ein Familienbuch gemäß § 15a PStG anzulegen ist, sondern nur noch, welcher Familienname im Familienbuch einzutragen ist ...

[3]2. Die sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

[4]Die die Anweisung des AG an das Standsamt durch Zurückweisung der Erstbeschwerde bestätigende Entscheidung des LG erweist sich im Ergebnis als richtig ...

[5]aa) Geht man mit dem LG davon aus, dass der Beteiligte zu 1) mit dem Namen ‚E.’ einen an sich unrichtigen Namen führt, die Fortführung eines ‚unrichtigen’ Namens allerdings ausnahmsweise zuzulassen wäre, weil sich die gegen den Willen des von der Eintragung Betroffenen beantragte Richtigstellung des Namens unter Würdigung aller Umstände des Falls als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) auswirken würde, so erscheint es höchst zweifelhaft, ob diese Voraussetzungen in der Person des Beteiligten zu 1) vorliegen. Denn – anders als in dem vom BayObLG (NJW-RR 2000, 1104 = StAZ 2000, 148) (IPRspr. 2000 Nr. 3) entschiedenen Fall – spricht, wie der Beteiligte zu 3) in seinem Schriftsatz vom 5.3.2009 zutreffend ausgeführt hat, hier wenig für die Bewertung der Kammer, dass ein durch Vertrauen begründetes Kontinuitätsinteresse des Beteiligten zu 1) in Bezug auf die Weiterführung des Namens ‚E.’ auch in Deutschland entstanden ist, zumal der Beteiligte zu 1) diesen Namen erst im Oktober 2006 angenommen hat und von demselben daher nicht gesagt werden kann, dass er über einen nicht unbedeutenden Zeitrum die Persönlichkeit des Trägers mitbestimmt hat (vgl. BVerfG, Beschl. vom 11.4.2001 – 1 BvR 1646/97 (IPRspr. 2001, Nr. 8), StAZ 2001, 207; Staudinger-Hepting, BGB, 2007, Art. 10 EGBGB Rz. 232).

[6]bb) Auf die vorgenannten Erwägungen kommt es aber letztlich nicht an. Denn die Vorinstanzen haben den Standesbeamten zu Recht angewiesen, den Familiennamen des Beteiligten zu 1) mit ‚E.’ einzutragen, weil die Beteiligten zu 1) und 2) eine dahin gehende Wahl sowie – wie von dem Gutachter Prof. Dr. M. erwogen – konkludent gemäß Art. 10 II EGBGB die Rechtswahl wirksam dahin getroffen haben, dass polnisches Recht für die Namensführung maßgebend sein soll.

[7](a) Die Ehegatten haben nach Art. 10 II EGBGB die Möglichkeit einer gemeinsamen Rechtswahl für ihre Namensführung. Für die Rechtswahl spielt keine Rolle, ob die Ehe im Inland oder im Ausland geschlossen und ob die Wahl bei oder nach der Heirat getroffen wird; auch eine Befristung der späteren Rechtswahl ist nicht vorgesehen. Die Wirksamkeit der Rechtswahl nach Abs. 2 setzt lediglich voraus, dass die Ehegatten die Wahl gemeinsam treffen und dass sie diese Erklärung gegenüber dem Standesamt abgeben; eine erst nach der Heirat vorgenommene Rechtswahl bedarf nach Art. 10 II 2 EGBGB zusätzlich der öffentlichen Beglaubigung im Sinne von § 129 BGB. Die Formerfordernisse der Rechtswahl sind in Art. 10 II EGBGB selbst formuliert. Dass die Erklärung gegenüber einem deutschen Standesamt abgegeben wird, verlangt Art. 10 II EGBGB nicht; bei Abgabe im Ausland ist aber funktionelle Gleichwertigkeit des ausländischen Standesamts erforderlich. Die materielle Wirksamkeit der Rechtswahl und die Auslegung der Erklärung beurteilt sich nach deutschem Recht (Palandt-Thorn, BGB, 69. Aufl., EGBGB Art. 10 Rz. 14). Zur Wahl gestellt werden die beiderseitigen Heimatrechte der Ehegatten, wobei, abweichend von Art. 5 I EGBGB, bei mehrfacher Staatsangehörigkeit unter Anwendung jedes der Heimatrechte gewählt werden kann. Folge einer wirksamen Rechtswahl ist, dass die Ehegatten den Familiennamen erhalten, der ihnen nach dem gewählten Recht zukommt (Palandt-Thorn aaO Rz. 14).

[8](b) Im Familienbuch ist gemäß §§ 15a III, 12 II Nr. 1 PStG der Familienname der Ehegatten einzutragen.

[9]Als Familiennamen führen die Beteiligten zu 1) und 2) den Namen ‚E.’. Dies folgt aus Art. 10 II EGBGB, denn die Ehegatten haben diesen Namen als künftig zu führenden Namen bei der Eheschließung in Polen gewählt.

[10](aa) Hierin liegt zugleich die konkludente Wahl polnischen Rechts (vgl. Henrich-Wagenitz-Bornhofen, Deutsches Namensrecht – Kommentar [Stand: Februar 2007], C. Rz. 217 ff.), denn daraus, dass die Eheleute den Namen ‚E.’ als gemeinsamen Ehenamen und Namen ihrer (künftigen) Kinder schon bei der Eheschließung angegeben haben, lässt sich der Wille entnehmen, dass auf die Namensführung der Ehegatten polnisches Recht anwendbar sein sollte, zumal der Beteiligte zu 1) zu diesem Zeitpunkt nach deutschem Recht noch keinen Antrag auf Namensänderung gestellt hatte und damit für beide Ehegatten klar war, dass der Name ‚E.’ nur nach polnischem Recht zu führen war. Daher ist durch die Wahl des Namens vorliegend auch die Wahl des anzuwendenden Rechts erfolgt, das diese Namensführung einzig ermöglichte.

[11](bb) Die Form der Rechtswahl ist gewahrt, weil sie in die Eheschließungsform eingebunden, nämlich in derselben Form erklärt worden ist, wie die Eheschließung selbst.

[12](cc) Der Beteiligte zu 1) ist (auch) Pole, die Beteiligte zu 2) Polin. Die Eheschließung fand in Polen statt. Polnisches Recht konnte auch wirksam vereinbart werden. Zur Wahl standen die beiderseitigen Heimatrechte, hier also das polnische Recht. Nach polnischem Recht lautete der Name des Beteiligten zu 1) ‚E.’.

[13]Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 3) steht dem nicht entgegen, dass mit einer solchen Rechtswahl deutsches Recht umgangen würde. Denn zum einen ist schon streitig, ob – wie der Beteiligte zu 3) meint – die Änderung des Namens des Beteiligten zu 1) durch die polnische Behörde in Deutschland nicht anzuerkennen ist (vgl. Staudinger-Hepting aaO Rz. 73; Mäsch, BeckOK, EGBGB Art. 10 Rz. 28 m.w.N.), was jedoch ebenso dahinstehen kann wie eine etwaige Europarechtswidrigkeit (vgl. Palandt-Thorn aaO EGBGB Art. 5 Rz. 3; EuGH, IPRax 2004, 339). Denn das deutsche IPR sieht ausdrücklich vor, dass bei einer Rechtswahl gemäß Art. 10 II EGBGB der Vorrang der deutschen Staatsangehörigkeit gemäß Art. 5 EGBGB gerade nicht gilt (so auch Palandt-Thorn aaO Art. 5 Rz. 4; Art. 10 Rz. 15).

[14]Folge der hiernach wirksamen Rechtswahl gemäß Art. 10 II EGBGB ist, dass die Beteiligten zu 1) und 2) als Ehegatten den Familiennamen erhalten, der ihnen nach dem gewählten (hier: polnischen) Recht zukommt. Nach polnischem Recht ist aber gerade ‚E.’ der Familienname.

[15](dd) Darauf, ob die zuvor beantragte öffentlich-rechtliche Namensänderung des Beteiligten zu 1) von der deutschen Behörde mit Blick auf die Vorstrafen des Beteiligten zu 1) rechtmäßig abgelehnt worden ist, kommt es nicht an.

[16]Mit der Namensänderung erstrebt der ASt. von einer Behörde den Erlass eines mitwirkungsbedürftigen, rechtsgestaltenden Verwaltungsakts mit Doppelwirkung (MünchKomm-Bayreuther, 5. Aufl., § 12 Rz. 68), dessen Ablehnung die privatrechtliche Rechtswahl nach Art. 10 II EGBGB unberührt lässt.

[17]Ebenso sind registerkundige Vorstrafen des Beteiligten zu 1) für die Wirksamkeit des durch Rechtswahl nach Art. 10 II EGBGB bestimmten Ehenamens (E.) ohne Belang. Die Namenserlangung auf diese Weise hat keinen Sanktions- oder Belohnungscharakter. Die öffentlich-rechtliche Ordnungsfunktion des Namens wird hierdurch ebenso wenig berührt wie das staatliche Interesse an einer funktionierenden Strafverfolgung, zumal eine Veränderung des Namens den Registerbestand unberührt lässt und § 20a BZRG in Bezug auf die Änderung entsprechende Mitteilungspflichten der Meldebehörden statuiert.

Fundstellen

nur Leitsatz

FamRZ, 2010, 1559

LS und Gründe

StAZ, 2010, 110

Aufsatz

Wall, StAZ, 2011, 37

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/permalink/2009-4