PDF-Version

Verfahrensgang

AG Wesel, Beschl. vom 09.11.2022 – OH-1146-8
AG Wesel, Beschl. vom 10.08.2023 – OH-1146-8
OLG Düsseldorf, Beschl. vom 12.01.2024 – 3 Wx 131/23, 3 Wx 133/23, IPRspr 2024-137

Rechtsgebiete

Erbrecht → Gewillkürte Erbfolge
Erbrecht → Gesetzliche Erbfolge
Freiwillige Gerichtsbarkeit → Nachlasssachen
Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen

Leitsatz

Das Entschließungsermessen für eine Grundbuchberichtigung von Amts wegen nach § 82a GBO kann im Einzelfall auf Null reduziert sein, wenn die Beteiligten außer Stande sind, die zur Grundbuchberichtigung erforderlichen Nachweise (hier: zur Erbfolge) vollständig beizubringen. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

2915/2001 ZGB (Griechenland) Art. 1192 ff.; 2915/2001 ZGB (Griechenland) Art. 1710 ff.; 2915/2001 ZGB (Griechenland) Art. 1721 ff.; 2915/2001 ZGB (Griechenland) Art. 1814; 2915/2001 ZGB (Griechenland) Art. 1819; 2915/2001 ZGB (Griechenland) Art. 1825; 2915/2001 ZGB (Griechenland) Art. 1846
BGB § 133; BGB § 157; BGB § 1922
EuErbVO 650/2012 Art. 4; EuErbVO 650/2012 Art. 21; EuErbVO 650/2012 Art. 28; EuErbVO 650/2012 Art. 63; EuErbVO 650/2012 Art. 64; EuErbVO 650/2012 Art. 66; EuErbVO 650/2012 Art. 75; EuErbVO 650/2012 Art. 84
GBO § 82; GBO § 82a
HTestformÜ Art. 1

Sachverhalt

Als Eigentümer des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes unter der Adresse „…………..“ sind Dipl. Ing. Wolfgang R……, verstorben am 06.11.2018, sowie seine Tochter Roswitha R….., verstorben am 15.07.2016, im Grundbuch eingetragen. Die Erbengemeinschaft bestand nach der am 25.04.2013 verstorbenen Ehefrau bzw. Mutter Margot R……, geb. …... Wolfgang R…. hinterließ ein notarielles Testament vom 27.05.2015, in dem er seine Tochter Roswitha zur unbeschränkten Vorerbin und seine Schwester Sabine T….., geb. R….., zur Nacherbin und Ersatzerbin einsetzte. Zu Ersatznacherben und weiteren Ersatzerben setzte er die Nachkommen seiner Schwester zu gleichen Teilen ein. Das Testament wurde am 27.11.2018 eröffnet (AG Wesel, AZ. 16 IV 342/15). Am selben Tag schlug Sabine T….. die Erbschaft aus (AG Bückeburg, Az. 20 VI 525/18). Die Beteiligten zu 1. bis zu 3. sind die Kinder der Sabine T….. Ihnen wurde vom Nachlassgericht unter dem 06.03.2019 ein gemeinschaftlicher Erbschein sowie ein Europäisches Nachlasszeugnis nach Wolfgang R…. zu je 1/3-​Anteil ausgestellt (AG Wesel, Az. 16 VI 54/19). Roswitha R….. verstarb ledig und kinderlos in Griechenland. Nachdem das Grundbuchamt den Beteiligten zu 3. unter Berufung auf § 82 GBO mit Verfügungen vom 26.03.2019 und 25.06.2019 zur Stellung eines Grundbuchberichtigungsantrages unter Vorlage eines Erbscheins nach Wolfgang und Roswitha R….. aufgefordert hatte, reichte dieser eine Kopie nebst Übersetzung eines handschriftlichen, in griechischer Schrift und Sprache verfassten Testaments vom 06.07.2016 ein, in dem Roswitha R…. ihren „Ehemann“ V….. (lies: den Beteiligten zu 4.) zum Alleinerben einsetzt.

Mit beim Grundbuchamt am 23.05.2022 eingegangenem Antrag haben die Beteiligten zu 1. bis zu 3. die Berichtigung des Grundbuchs dahingehend beantragt, dass sie als Eigentümer zu jeweils 1/3 des Grundbesitzes in das Grundbuch eingetragen werden. Mit Beschluss vom 09.11.2022 hat das Grundbuchamt den Antrag der Beteiligten zu 1. bis zu 3. zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 10.08.2023 hat das Grundbuchamt auch den weiteren Antrag des Beteiligten zu 3. vom 26.06.2023 auf Berichtigung des Grundbuchs von Amts dahin, dass die Beteiligten zu 1. bis zu 3. in Erbengemeinschaft zu je 1/3 Grundstückseigentümer sind, unter Bezugnahme auf die Begründung des Beschlusses vom 09.11.2022 zurückgewiesen. Gegen beide Beschlüsse richten sich die beim Oberlandesgericht eingelegten Beschwerden der Beteiligten zu 1. bis zu 3., mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. ... 1. ... 1.1. ... 1.2. ... 1.2.1. ... 1.2.2. ... 1.2.2.1. ... 1.2.2.2. ... 1.2.2.3. ... 2. ... 2.1. Die Voraussetzungen des § 82 GBO liegen vor: Das Grundbuch ist hinsichtlich der Eintragung des Eigentümers durch Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs - hier durch Tod der eingetragenen Eigentümer Wolfgang und Roswitha R….. und Erbgang - unrichtig geworden ...

[2]2.2. ... Zwangsmaßnahmen nach § 82 Satz 1 GBO dürfen nur gegenüber "dem Eigentümer" angewandt werden. Damit ist der neue Eigentümer gemeint, auf den im Wege der Rechtsnachfolge außerhalb des Grundbuchs das Eigentum übergegangen ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 21.02.2018 – 12 Wx 59/17, Rn. 9, juris). Hier liegen hinsichtlich der Rechtsnachfolge nach Roswitha R….. gegenüber sämtlichen in Betracht kommenden Eigentümern Hinderungsgründe vor, so dass es an dieser Stelle nicht auf die tatsächliche Eigentümerstellung ankommt.

[3]2.2.1. Gegenüber den Beteiligten zu 1. bis zu 3. liegen objektive Gründe vor: Es ist ihnen nicht möglich, für den Beteiligten zu 4. ein Europäisches Nachlasszeugnis zu beantragen. Dies richtet sich nach der EuErbVO. Die Verordnung gilt gemäß Art. 84 Abs. 2 [EuErbVO] für alle Erbfälle ab dem 17.08.2015, demnach auch für den Erbfall der am 15.07.2016 verstorbenen Roswitha R…... Gemäß Art. 4 EuErbVO ist für Entscheidungen in Erbsachen das hierzu berufene Gericht in Griechenland zuständig, weil die Erblasserin dort im Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das Europäische Nachlasszeugnis wäre gemäß Art. 64 EuErbVO bei diesem Gericht oder der nach griechischem Recht zuständigen Behörde zu beantragen. Das Antragsrecht steht gemäß Art. 63 EuErbVO nur den Erben (u.a.) zu, nicht auch denjenigen Personen, die – wie die Beteiligten zu 1. bis zu 3. – von diesen eine Rechtsposition ableiten.

[4]Den Beteiligten zu 1. bis zu 3. ist nicht zumutbar, ein Europäisches Nachlasszeugnis für sich selbst aufgrund gesetzlicher Erbfolge nach Roswitha R…. zu beantragen. Denn sie würden sich damit in Widerspruch zu ihrem in diesem und im Verfahren vor dem Landgericht Duisburg gehaltenen Vortrag setzen, wonach sie – auch unter Berufung auf einen griechischen Erbschein – davon ausgehen, dass der Beteiligte zu 4. Alleinerbe geworden ist. Gemäß Art. 66 Abs. 3 EuErbVO kann die Ausstellungsbehörde des Europäischen Nachlasszeugnisses – soweit ihr eigenes Recht dies vorsieht und unter den dort festgelegten Bedingungen – verlangen, dass Erklärungen unter Eid oder durch eidesstattliches Versicherungen abgegeben werden. Die Abgabe einer nicht ihrem Rechtsstandpunkt entsprechenden Erklärung kann von den Beteiligten zu 1. bis zu 3. nicht gefordert werden. Dass die Beteiligten zu 1. bis zu 3. von ihren zunächst geäußerten Bedenken an der Echtheit des Testaments der Roswitha R..... der Wahrheit und der objektiven Lage zuwider Abstand nehmen, ist nicht festzustellen. Nach Lage der Dinge steht eine Fälschung des Testaments weder fest noch drängt sie sich nach den bekannten Umständen des Falles geradezu auf.

[5]2.2.2. ... 2.3. ... 2.4. ... 2.4.1. Vorliegend bedarf es einer Anrufung des Nachlassgerichts – dies wäre gemäß Art. 4 EuErbVO das für Erbsachen zuständige Gericht in Griechenland – nicht. Das Grundbuchamt kann aufgrund des Sachvortrags der Parteien und der ihm vorliegenden Unterlagen die erforderlichen Feststellungen selbst treffen.

[6]2.4.2. Eigentümer des Anteils der Roswitha R…. an der Gesamthandsgemeinschaft mit Wolfgang R….. sind die Beteiligten zu 1. bis zu 3. in Erbengemeinschaft.

[7]Dies folgt aus einer Wahlfeststellung: Entweder sind die Beteiligten zu 1. bis zu 3. aufgrund gesetzlicher Erbfolge nach Wolfgang R…. in die Rechtsposition der Roswitha R….. an dem Grundbesitz eingetreten oder sie haben diese von dem Beteiligten zu 4. als testamentarischen Erben der Roswitha R….. erlangt. Andere rechtliche Konstellationen, die ernsthaft in Betracht kommen können, gibt es nicht.

[8]2.4.2.1. Die Rechtsnachfolge nach Roswitha R…. beurteilt sich gemäß Art. 21 Abs.1 EuErbVO nach griechischem Recht. Danach unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sofern in der EuErbVO nichts Anderes vorgesehen ist. Das in Griechenland geltende materielle Erbrecht ist in den Art. 1710 -2035 grZGB (griechisches Zivilgesetzbuch) geregelt. Es weist hinsichtlich seiner wesentlichen Struktur nach besondere Ähnlichkeit mit dem deutschen Erbrecht auf (Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, V. 120. Länderbericht Griechenland Rn. 42, beck-​online).

[9]2.4.2.2. Wenn der Beteiligte zu 4. nicht testamentarischer Erbe geworden ist, z.B. weil das eigenhändige Testament nicht echt ist oder er die Erbschaft nicht angenommen hat, sind die Beteiligten zu 1. bis zu 3. gemäß § 1922 BGB in die Rechtsposition des Wolfgang R…. eingetreten, der seine Tochter Roswitha R…. im Wege der gesetzlichen Erbfolge nach griechischem Recht beerbt hat (Art. 1710 Abs. 2 grZGB; Burandt/Rojahn, a.a.O., V. 120. Länderbericht Griechenland Rn. 74 ff.): ...

[10]Nach griechischem Recht erben, wenn Abkömmlinge des Erblassers nicht vorhanden sind, als Erben der zweiten Ordnung die Eltern des Erblassers und dessen Geschwister (Art. 1814, 1819 grZGB; vgl. Burandt/Rojahn, a.a.O., V. 120. Länderbericht Griechenland Rn. 86, beck-​online). Vorliegend lebte im Zeitpunkt des Todes am 15.07.2016 nur noch der Vater Wolfgang R….; die Mutter war bereits am 24./25.4.2013 vorverstorben, Geschwister hatte Roswitha R….. nicht. Damit wäre Wolfgang R….. gesetzlicher Alleinerbe nach Roswitha R….. geworden. Die zwischen ihnen bestehende Erbengemeinschaft nach der Mutter wäre aufgelöst und der dieser zustehende 1/2-​Miteigentumsanteil (eingetragen zu 2.2. und 2.3.) in sein Alleineigentum gefallen. Wolfgang R…. wiederum wurde von den Beteiligten zu 1. bis zu 3. beerbt, so dass der 1/2-​Miteigentumsanteil deren Eigentum in Erbengemeinschaft nach Wolfgang R….. geworden wäre.

[11]2.4.2.3. Wenn das eigenhändige Testament vom 06.07.2016 formwirksam und echt ist (Art. 75 Abs. 2 EuErbVO, Art. 1 HTestformÜ, Artt. 1721 ff. ZGB; vgl. Burandt/Rojahn, a.a.O., V. 120. Länderbericht Griechenland Rn. 122) und der Beteiligte zu 4. die Erbschaft nach griechischem Recht, d.h. wegen der in den Nachlass fallenden Immobilien durch notarielle Urkunde, angenommen hat (Art. 28 EuErbVO i.V.m. Artt. 1192 ff., 1846 ZGB; vgl. Burandt/Rojahn, a.a.O., V. 120. Länderbericht Griechenland Rn. 64), ist er Alleinerbe nach Roswitha R…. geworden. Davon geht ausweislich der vorgelegten Kopie des griechischen Erbscheins auch das Gericht in Heraklion aus. Das griechische Recht sieht wie das deutsche Recht eine Universalsukzession vor (Artt. 1710, 1846 grZGB; Burandt/Rojahn, a.a.O., V. 120. Länderbericht Griechenland Rn. 62).

[12]2.4.2.4. Der Beteiligte zu 4. hat dann seine infolge des Erbgangs erworbene Rechtsposition an dem Grundbesitz „…….“ vollständig auf die Beteiligten zu 1. bis zu 3. übertragen.

[13]2.4.2.4.1. Dies vollzog sich nach deutschem Recht. Bei der Rechtsposition handelt es sich um den Anteil der Roswitha R…… an der Erbengemeinschaft mit ihrem Vater hinsichtlich des 1/2-​Miteigentumsanteils. Insoweit würde der Beteiligte zu 4. seit dem Tod des Wolfgang R….. mit den Beteiligten zu 1. bis zu 3. eine Untererbengemeinschaft bilden. Dabei handelt es sich nicht um eine Erbengemeinschaft, die infolge des Todes der Roswitha R….. entstanden ist und auf die griechisches Recht anwendbar wäre. Die Erbengemeinschaft von Wolfgang und Roswitha R…. ist nach dem Tod der Mutter nach deutschem Recht entstanden. Der Beteiligte zu 4. wäre Rechtsnachfolger hinsichtlich des Anteils der Roswitha R…. an einer Erbengemeinschaft, die nach deutschem Recht auseinanderzusetzen ist.

[14]2.4.2.4.2. ... 2.4.2.4.3. Die beabsichtigte Rechtsnachfolge der Beteiligten zu 1. bis zu 3. in die Rechtsposition des Beteiligten zu 4. als Erbe der Roswitha R….. hat sich qua Gesetzes vollzogen. Der Erwerb war nicht von der Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch abhängig ...

[15]Der Vereinbarung vom 10.07.2019 lässt sich unter Berücksichtigung der Gesamtumstände der Wille sämtlicher Beteiligter entnehmen (§§ 133, 157 BGB), dass der Beteiligte zu 4. alle ihm als Erbe der Roswitha R….. zustehenden Rechte und Pflichten an dem in Deutschland belegenen Grundbesitz aufgeben sollte, so dass nur noch die Beteiligten zu 1. bis zu 3. an diesem beteiligt sein und ohne den Beteiligten zu 4. über diesen verfügen können sollten. Im Gegenzug verzichteten die Beteiligten zu 1. bis zu 3. auf den ihnen als Erben des Wolfgang R….. gemäß Art. 1825 Abs. 1 grZGB zustehenden Pflichtteil (vgl. Burandt/Rojahn, a.a.O., V. 120. Länderbericht Griechenland Rn. 156 f.). Dabei gingen sämtliche Beteiligten davon aus, dass der Anteil am Grundbesitz in Deutschland und der Pflichtteil wirtschaftlich in etwa gleichwertig waren. Der Verzicht auf den Pflichtteil stellte demnach die Abfindung des Beteiligten zu 4. im Rahmen einer Abschichtungsvereinbarung dar.

[16]...

Fundstellen

Volltext

Link, openJur
Link, NRWE (Rechtsprechungsdatenbank NRW)

LS und Gründe

Rpfleger, 2024, 385

nur Leitsatz

ZEV, 2024, 707

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2024-137

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
<% if Mpi.live? %> <% end %>