Bei einer Beteiligung mehrerer an einer unerlaubten Handlung muss sich jeder Beteiligte die von einem anderen Beteiligten erbrachten Tatbeiträge im Rahmen der Prüfung der internationalen Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO zurechnen lassen. Entsprechendes gilt für als Dritte im Sinne des § 101 II UrhG beziehungsweise als Störer in Anspruch Genommene im Verhältnis zum Verletzer; sie müssen sich den Tatbeitrag des Verletzers zurechnen lassen.
Die ASt. betreibt ein Filmverleihunternehmen. Sie verwertet u.a. den Film W. Ei. Die AGg. zu 1), eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA, betreibt die Internetplattform YouTube. Ruft ein Nutzer von Deutschland aus die Website www.y... de auf, wird er auf die für Deutschland lokalisierte Website www.y... com weitergeleitet. Die AGg. zu 2), eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA, betreibt insbes. den Websuchdienst G. Sie ist Alleingesellschafterin der AGg. zu 1). Die AGg. zu 2) ist Inhaberin der Domainnamen www.y... com und www.y... de. Ferner wird die AGg. zu 2) im Impressum auf der unter www.y... com aufrufbaren Website als Vertreter der AGg. zu 1) angegeben. Die AGg. zu 3), eine GmbH mit Sitz in H., ist ein mit der AGg. zu 2) verbundenes Unternehmen. Sie ist mit dem Verkauf und der Vermarktung von Onlinewerbung befasst. Die AGg. zu 1) bietet ein sog. Content-ID-System an, mit dem Rechteinhaber von Nutzern hochgeladene Videos identifizieren können, die vollständig oder teilweise mit einer vom Rechteinhaber übermittelten Referenzdatei übereinstimmen. Der Rechteinhaber kann hierbei bestimmen, dass derartige identifizierte Videos blockiert werden, sodass ein Upload verhindert wird. Die ASt. lud eine Referenzdatei des Filmwerks W. Ei. über das zur Verfügung gestellte Webinterface des YouTube Content-ID-Systems hoch.
Die ASt. hat in erster Instanz beantragt, die AGg. im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, gegenüber der ASt. Auskunft zu erteilen über die Identifizierung der erforderlichen Daten derjenigen Nutzer, die für das Hochladen der abrufbaren Dateien des geschützten Filmwerks W. Ei. oder Teilen daraus verantwortlich sind. Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der ASt.
[1]II. ... 2. ... c) Ohne Erfolg rügen die AGg., dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die unbeschadet des § 513 II ZPO auch in der Berufungsinstanz zu prüfen ist, nicht gegeben sei.
[2]aa) Bezüglich der AGg. zu 1) und zu 2) ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus § 937 I i.V.m. § 32 ZPO.
[3]Nach st. Rspr. regeln die Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO über die örtliche Zuständigkeit mittelbar auch die internationale Zuständigkeit (vgl. BGHZ 44, 46 ff. (IPRspr. 1964–1965 Nr. 224)). Diese Vorschriften werden im Streitfall im Verhältnis zwischen der ASt. einerseits und den AGg. zu 1) und zu 2) andererseits nicht durch die EuGVO verdrängt, weil die AGg. zu 1) und zu 2) ihren Sitz im Sinne des Art. 60 EuGVO in den Vereinigten Staaten von Amerika, mithin nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats (vgl. Art. 4 I EuGVO) haben.
[4]Nach dem im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vorbringen der ASt. ist für den geltend gemachten Verfügungsanspruch der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO gegeben. Die Kl. hat Urheberrechtsverletzungen (Verletzungen der Leistungsschutzrechte des Filmherstellers) seitens der Nutzer mit den Benutzernamen r. und K. mit hinreichendem Inlandsbezug (Upload von Ausschnitten des deutschsprachigen, in Deutschland in den Kinos aufgeführten Films W. Ei. mit deutschsprachigen Erläuterungen) substanziiert dargelegt. Die AGg. zu 1) und zu 2) sind nach dem im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vorbringen der ASt. an diesen im Inland begangenen unerlaubten Handlungen als Dritte im Sinne des § 101 II UrhG bzw. als Störer beteiligt, weshalb auch in Richtung gegen sie die internationale Zuständigkeit gemäß § 32 ZPO eröffnet ist. Bei einer Beteiligung mehrerer an einer unerlaubten Handlung muss sich jeder Beteiligte die von einem anderen Beteiligten erbrachten Tatbeiträge im Rahmen nicht nur des § 830 BGB, sondern auch des § 32 ZPO zurechnen lassen (BGH, MMR 2010, 582 Rz. 19 m.w.N.) (IPRspr 2010-49b). Entsprechendes gilt für als Dritte im Sinne des § 101 II UrhG bzw. als Störer in Anspruch Genommene im Verhältnis zum Verletzer; sie müssen sich den Tatbeitrag des Verletzers zurechnen lassen.
[5]Ohne Erfolg berufen sich die AGg. zu 1) und zu 2) im vorliegenden Zusammenhang auf die ausschließliche (internationale) Zuständigkeit gemäß § 101 IX 2 UrhG. Diese Vorschrift betrifft nicht ein kontradiktorisches Auskunftsverfahren wie im Streitfall, sondern lediglich ein nicht-kontradiktorisches Verfahren betreffend eine gerichtliche Entscheidung, welche die Verwendung von Verkehrsdaten zur Auskunftserteilung zulässt (vgl. BT-Drucks. 16/5048 S. 40 [Zu § 140b PatG-E]).
[6]bb) Bezüglich der AGg. zu 3), die ihren Sitz in Hamburg hat, ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus § 937 I i.V.m. § 17 I ZPO.
Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.